Raumfahrt:100 Flüge in zehn Jahren

Handout photo of the reusable main-stage booster from the SpaceX Falcon 9 makes a successful landing on a platform in the Atlantic Ocean about 185 Nautical miles off the coast of Florida

Die Falcon 9 steht auch für Second-Hand: Seit 2015 landen viele Booster nach dem Start auf einer schwimmenden Plattform im Atlantik, um dann geborgen und wieder verwendet zu werden.

(Foto: Reuters)

Space-X krempelt mit seiner Trägerrakete "Falcon 9", die gerade zum 100. Mal gestartet ist, die Branche um.

Von Dieter Sürig, München

Die Geschichte von Space-X hat in etwa damit begonnen, dass der umtriebige Silicon-Valley-Unternehmer und Paypal-Mitgründer Elon Musk Anfang des Jahrtausends versuchte, russische Interkontinentalraketen zu kaufen, um Gewächshäuser zum Mars zu schicken. Nachzulesen in einer Musk-Biografie von Ashlee Vance. Als dieses Vorhaben an den Preisvorstellungen der Russen scheiterte, beschloss Musk demnach, selbst eine Rakete zu entwickeln und steckte rund 100 Millionen Dollar in das Projekt. Nach mehreren Fehlschlägen konnte Space-X im September 2008 erstmals einen erfolgreichen Demoflug der Rakete Falcon 1 vermelden.

Zwölf Jahre später hat Musk die Raumfahrtbranche umgekrempelt: In der Nacht zum Mittwoch hat die 100. Trägerrakete des Typs Falcon 9 weitere 60 Satelliten für die geplante Internetkonstellation Starlink in den Orbit gebracht. Musks Firma hat seit 2012 für die US-Raumfahrtbehörde Nasa die Raumstation ISS mit rund 20 Frachtflügen versorgt und darf seit dem Frühjahr auch Astronauten zur ISS befördern. Und für Flüge zum Mond und dann zum Mars entwickelt Space-X gerade das Starship, der Prototyp soll bald erstmals bis auf 15 Kilometer Höhe fliegen.

Das Bemerkenswerte ist nun nicht der 100. Flug der Falcon 9, sondern der Zeitraum von gut zehn Jahren, den die Privatfirma Space-X gebraucht hat, um die 100 Raketen zu starten - mit nur einem Totalausfall. Auch die europäische Trägerrakete Ariane 5 hat bereits 109 Starts absolviert, allerdings seit 1996 und mit zwei Fehlschlägen.

Die neue "Ariane 6" soll günstiger werden, aber immer noch teurer als eine "Falcon 9"

Space-X konnte seinen Marktanteil in den vergangenen Jahren stetig steigern: 2014 verzeichneten die Kalifornier noch sechs Starts, in diesem Jahr waren es bereits 23, einige kommen wohl noch dazu. Allerdings ist in den USA der Bedarf für Flüge ins All auch deutlich höher als in Europa, insbesondere starten dort mehr öffentlich finanzierte Flüge. Zum Vergleich: Die europäische Ariane 5 ist 2020 wegen der Corona-Pandemie erst dreimal gestartet, in vergangenen Jahren kam sie auf jeweils vier bis sechs Starts. Die Europäer können die Space-X-Preise nicht unterbieten, die neue Ariane 6 soll günstiger werden, aber immer noch teurer als eine Falcon 9.

Dass Space-X-Flüge für Nasa- oder Militär tatsächlich oft weit mehr kosten als der Listenpreis von derzeit 62 Millionen Dollar, sehen Kritiker als Marktverzerrung, sie vermuten eine Quersubventionierung. Space-X argumentiert dagegen, dass zusätzliche Ausgaben für Infrastruktur und Sicherheitsvorkehrungen solche Starts verteuerten. Allein für Entwicklung und Flüge der Fracht- und Crew-Kapseln zur ISS erhält Space-X nach Nasa-Angaben knapp acht Milliarden Dollar.

Die Kalifornier können zudem damit punkten, zunehmend wieder verwendbare Raketen einzusetzen, was letztlich auch Millionen spart. Seit 2015 sind 63 Falcon-Booster im Zuge eines ausgeklügelten Landesystems zurückgekehrt und haben Minuten nach dem Start auf einer schwimmenden Plattform oder auf dem Festland wieder aufgesetzt. Auch hier ist ein Rekord zu vermelden: Beim 100. Flug hat Space-X einen Booster zum siebten Mal eingesetzt - eine Premiere. Zudem sollen Teile der Verkleidung zunehmend wieder genutzt werden. Selbst die neue Astronautenkapsel Crew Dragon soll nicht nur einmal zur ISS fliegen.

Angesichts der steigenden Gewinnaussichten des Raketenunternehmens werden Begehrlichkeiten von Anlegern geweckt, die vom neuen Space-Boom profitieren wollen. Es gibt immer wieder Spekulationen über einen möglichen Börsengang. Doch gab es bisher nur diverse Finanzierungsrunden, bei denen Space-X laut Morgan Stanley bislang 3,5 Milliarden Dollar eingesammelt hat. Im Frühjahr hatte Space-X-Präsidentin Gwynne Shotwell angedeutet, womöglich Anteile der Satelliten-Internetkonstellation Starlink auf dem Parkett zu verkaufen. "Wahrscheinlich werden wir Starlink an die Börse bringen", twitterte Musk dann im September, "aber erst in einigen Jahren, wenn das Ertragswachstum gleichmäßig und vorhersehbar ist."

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