Süddeutsche Zeitung

Sozialunternehmer:"Nicht nur schneller, höher, weiter"

Wie durch technische Innovationen gesellschaft­licher Mehrwert geschaffen werden kann.

Interview von Katharina Kutsche

Markus Sauerhammer ist Vorsitzender des Social Entrepreneurship Netzwerks Deutschland (SEND). Der Verein hat mehr als 250 Mitglieder: Sozialunternehmen, Start-ups und Förderpartner. SEND will die Bedingungen für Sozialgründer verbessern und berät dazu etwa die Politik.

SZ: Herr Sauerhammer, was sind die größten Hürden für Gründer von Social Start-ups?

Markus Sauerhammer: In der klassischen Start-up-Welt gibt es überall Gründerzentren, Ansprechpartner für Qualifizierungen, eigene Finanzierungsprogramme und vieles mehr. Für Social Entrepreneure gibt es das nicht.

Warum kann ein Social Founder denn die bestehenden Angebote nicht nutzen?

Ein klassisches Start-up ist in den meisten Fällen exit-orientiert. Wer aber ein Unternehmen gründet, das er nicht danach auf dem Kapitalmarkt veräußern möchte, weil er langfristig den gesellschaftlichen Mehrwert in den Vordergrund stellt, für den kommen nur andere Finanzierungsinstrumente als klassisches Risikokapital infrage. Da gibt es aber noch keine Strukturen.

Welche Instrumente wären das?

Die häufigsten sind Impact Investing, Crowdfunding und Stiftungsförderung. Bei uns sind Social Start-ups oft Hybride zwischen gemeinnützigen Organisationen und Unternehmen. Und die meisten öffentlichen Förderungen unterstützen entweder das eine oder das andere. Da fallen Social Start-ups oft durchs Raster. Sie kombinieren das Beste aus beiden Richtungen, aber die Förderprogramme wurden noch nicht entsprechend weiterentwickelt.

Wie könnte man das lösen?

Wir müssen uns als Gesellschaft halt überlegen, ob wir immer alles unter einem marktwirtschaftlichen Aspekt betrachten wollen. Wenn ich zum Beispiel eine Plattform für die Vermittlung von Pflegekräften gründe mit einem Kapitalmarktansatz, bekomme ich alle möglichen Förderprogramme: Investitionszuschüsse, Venture Capital, High-Tech-Gründerfonds. Wenn ich die Plattform mit dem identischen Geschäftsmodell als gemeinwohlorientierte Organisation gründe, als Genossenschaft etwa, kann ich auf diese Instrumente nicht zugreifen. Die Innovationsförderung ist meist beim Wirtschaftsministerium aufgehangen, da hat man eher das Gewinnmaximierende im Fokus.

... und eher technische Innovationen.

Na ja, man kann technische Innovationen in der Wirtschaft einsetzen, aber man kann sie auch nutzen, um gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen. Das machen viele unserer Mitglieder. Die Plattform Mobile Retter etwa hat eine App entwickelt, mit der medizinische Fachkräfte per GPS zu einem Notfall gelotst werden, parallel zum Notruf über 112. Sie sind im Schnitt 4,5 Minuten schneller zur Stelle als Rettungskräfte - und helfen gerade bei Herz-Kreislauf-Stillständen, wo jede Sekunde zählt. Aber durch die fehlenden Fördermittel kann es zum Mission Drift kommen. Das hieße, ein Sozialunternehmen muss seine Mission in Richtung Gewinnmaximierung ändern, um überleben zu können. Das wäre positiv, wenn die Gewinne wieder in soziale Projekte investiert würden. Aber eben nicht, wenn nur die Investoren profitieren.

Fehlt dafür in der Politik das Bewusstsein?

Ich glaube, das Bewusstsein ist noch nicht da, weil man sich mit der Dimension der Digitalisierung noch zu wenig auseinandergesetzt hat. Die Wohlfahrtsorganisationen und Dinge wie Unfallversicherung, Krankenversicherung und Gewerkschaften sind ja alles Antworten auf die industrielle Revolution. Und das gleiche brauchen wir jetzt auch bei der digitalen Revolution. Dort, wo durch Digitalisierung die Transformation weitergehen wird, sollten wir innehalten und uns fragen, worauf es denn eigentlich ankommt in unserer Zukunft. Und es geht eben nicht nur um "schneller, höher, weiter" für wenige Menschen, sondern darum, gesellschaftlichen Zusammenhalt sicherzustellen.

Der Bedarf an Sozialunternehmen wird also steigen?

Definitiv. Da können wir aus unserer eigenen Geschichte lernen.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2019
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