Ein Sozialunternehmen, was soll das eigentlich sein? Das wird Nora Azzaoui immer wieder gefragt, seit sie ihr Start-up Mimycri mit einer Kollegin gegründet hat. Ihr Team produziert Taschen aus altem Gummi, genauer, kaputten Schlauchbooten von Flüchtlingen. Eine Frage, die ihr dann auch immer wieder gestellt werde: "Wenn ihr so sozial seid, sind dann andere Unternehmen asozial? "Nein", sagt Assaoui, aber ihr Start-up sei ein Positivbeispiel, wie man gemeinwohlorientiert und gleichzeitig nachhaltig arbeiten könne. Sie stellte Mimycri vergangene Woche in Berlin vor, wo SEND, das Social Entrepreneurship Netzwerk, seine jüngste, nichtrepräsentative Studie zu Sozialunternehmen in Deutschland präsentierte. Daran hatten rund 300 soziale Unternehmen teilgenommen. Zwar sei 2019 ein gutes Jahr gewesen, konstatiert Studienautor Michael Wunsch, das Thema sei erstmals im Bundestag besprochen worden. Doch alles in allem geht es den Unternehmen, die sich als modern und innovativ begreifen, in Sachen Wahrnehmung und Förderung in Deutschland noch zu zaghaft voran, obwohl das Thema bereits in Koalitionsverträgen im Bund und in Ländern berücksichtigt wird.
Mimycri also, erklärte Azzaoui, sei ein Sozialunternehmen, weil es Plastikmüll reduziere, da nur bereits existierendes Material verwendet werde. Und: "wir beziehen Menschen mit Fluchterfahrung in die Produktion ein. Dadurch, dass wir dieses Material verwenden, schaffen wir Aufmerksamkeit für gesellschaftlich relevante Themen." Die Bootstaschen werden mittlerweile europaweit verkauft. Soziale Unternehmen hegen keine klassische Gewinnabsicht, sondern stecken Erlöse wieder in das Unternehmen. Der gesellschaftliche Nutzen steht im Vordergrund. Es gibt etliche weitere Beispiele, Ecosia etwa ist als Suchmaschine bekannt geworden, die für angeklickte Werbung Bäume pflanzt - bereits mehr als 83 Millionen. Der Verein "Mobile Retter" lotst mit einem smartphonebasierten Alarmsystem Helfer vor Eintreffen eines Rettungswagen an Unfallstellen. Meistens sind diese Unternehmen als Verein organisiert, aber auch, wie Ecosia als GmbH, oder als gGmbh - also gemeinwohlorientierte Organisationen. Viele haben auch eine hybride Struktur. Doch das stellt sie der Studie zufolge immer wieder vor Hürden, weil ihnen Förderprogramme verwehrt bleiben, die klassische Unternehmen mit einem Kapitalmarktansatz hingegen erhalten. Oft behelfen sich Sozialunternehmen mit Crowdfunding.
Die Abgeordneten Andreas Lenz (CSU) und Sabine Poschmann (SPD) wollen zu dem Thema bald einen Antrag im Bundestag einbringen. Ihnen zufolge solle es eine alle Ministerien übergreifende Definition von Sozialunternehmen geben, man wolle Gesellschaftsformen jenseits der gGmbh prüfen, sagte Poschmann und die Forschung vorantreiben, um dem Thema mehr Sichtbarkeit zu verschaffen. Das SEND fordert eine eigene Koordinierungsstelle in einem Ministerium oder im Bundeskanzleramt, Poschmann spricht von einem "koordinierendem Ressort auf Bundesebene".