,,Sozialismus des 21. Jahrhunderts'':Venezuela verstaatlicht Schlüsselbranchen

Venezuelas Präsident Hugo Chavez macht Ernst mit seinem ,,Sozialismus des 21. Jahrhunderts''. Die Branchen Telekommunikation, Strom und Öl sollen verstaatlicht werden.

Peter Burghardt

Die USA kritisierten am Dienstagabend die geplanten Verstaatlichungen scharf. ,,Diese Art von Aktionen bringen nicht die erwarteten wirtschaftlichen Vorteile'', sagte Gordon Johndroe, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates.

,,Sozialismus des 21. Jahrhunderts'': Venezuelas Präsident Hugo Chavez bei der Amtsvereidigung.

Venezuelas Präsident Hugo Chavez bei der Amtsvereidigung.

(Foto: Foto: AP)

,,Falls US-Unternehmen betroffen sein sollten, würden wir erwarten, dass sie schnell und fair entschädigt werden.'' Washington ist der wichtigste Abnehmer des fünftgrößten Erdölexporteurs der Erde.

Die Börse in Caracas reagierte mit einem Kurssturz auf die Ankündigung des venzolanischen Präsidenten. Der Leitindex IBC brach bis zum Handelsschluss um fast 20 Prozent ein.

Amerikaner und Spanier betroffen

Chavez will unter anderem den Telekommunikationskonzern CANTV verstaatlichen, der im Besitz des US-Unternehmens Verizon und der spanischen Telefonica ist, sowie die Elektrizitätswerke der Hauptstadt Caracas, die der amerikanischen Firma AES gehören.

Der Linksnationalist will auch ausländische Raffinerien im Orinoco-Gebiet unter einheimische Kontrolle stellen und damit enteignen.

Betroffen wären BP, Chevron, Exxon Mobile, Conoco Phillips, Total und Statoil; bislang hatte Venezuela in diesem Bereich nur einen Mehrheitsanteil verlangt.

Privatisierungen rückgängig gemacht

Der größte Teil der Ölbranche wird bereits vom venezolanischen Staatsmonopolisten PdVSA geleitet. Damit macht Chavez weitere Privatisierungen seiner Vorgänger rückgängig und setzt nach seinem Wahlsieg vom Dezember seine Revolution fort.

,,Lasst uns den Besitz der strategischen Mittel zurückgewinnen'', forderte er zur Vereidigung seines Kabinetts, in dem unter anderem sein vergleichsweise gemäßigter Vize Jose Vicente Rangel abgelöst wurde.

Eine Verfassungsreform soll Chavez die Wiederwahl bis 2021 oder gar 2030 ermöglichen, dazu wünscht sich Chavez den Landesnamen ,,Sozialistische Republik Venezuela'', im Namen des Befreiers Simon Bolivar hatte er seine Heimat schon zur ,,Bolivarischen Republik'' umtaufen lassen.

Die Zentralbank müsse nicht weiter autonom sein, das sei ,,eine neoliberale These'', ihre Eigenständigkeit hatte sie ohnehin weitgehend verloren.

,,Wir bewegen uns in Richtung Sozialismus''

Nun beginne eine neue Etappe, sagte Chavez. ,,Wir bewegen uns in Richtung Sozialismus, und niemand wird das aufhalten können.''

Tatsächlich trifft er kaum mehr auf institutionellen Widerstand. Seit seinem ersten Wahlerfolg 1999 gewann der frühere Offizier eine Abstimmung nach der anderen, zuletzt mit dem Rekordergebnis von 63 Prozent der Stimmen.

Venezuela verstaatlicht Schlüsselbranchen

Im Parlament bestimmen inzwischen ausschließlich seine Anhänger, die Chavez zur Einheitspartei zusammenschließen will.

Die zerrissene Opposition war zur letzten Parlamentswahl nicht angetreten. Obendrein verlangt Chavez Sondervollmachten, um in dringenden Fällen auch ohne Zustimmung der Abgeordneten tätig werden zu können.

Hoher Ölpreis

Gestärkt wird er dabei vom hohen Ölpreis, der ihm ein Vermögen in die Kassen spült. Als er sein Amt antrat, kostete ein Fass venezolanischen Öls neun Dollar, derzeit sind es annähernd 60 Dollar.

Chavez' Budget betrug im vergangenen Jahr mehr als 40 Milliarden Dollar.

Die außerordentlichen Einnahmen haben Chavez zum lautstarken Wortführer und Förderer lateinamerikanischer Genossen gemacht.

35 Milliarden Dollar ausgegeben

Laut New York Times gab er allein auf dem Kontinent mehr als 35 Milliarden Dollar aus. In seinem Sog kamen der Bolivianer Evo Morales und zuletzt auch Rafael Correa in Ecuador sowie Daniel Ortega in Nicaragua an die Macht.

Vor allem Morales folgt seinem Beispiel und hat die Bodenschätze Boliviens verstaatlicht. Mit Hilfe seines kranken Mentors Fidel Castro reagiert Chavez auf die sozialen Ungleichheiten der Region und setzte eine Bewegung in Gang, die an den freien Kräften des Marktes zweifelt.

Allerdings bevorzugen zurückhaltende Staatenführer wie der Brasilianer Luiz Inacio Lula da Silva und die Chilenin Michelle Bachelet eine pragmatische Wirtschaftspolitik.

Kritik der Experten

Finanzexperten bemängeln die Erhöhung der Sozialausgaben, mangelnde Investitionen in Infrastruktur und Industrie und die galoppierende Inflation mit einem rasanten Verfall der Landeswährung.

Die vermeintlich boomende Wirtschaft gilt als gefährlich überhitzt, die Abhängigkeit vom Ölpreis macht Fachleute besorgt. ,,Wenn das Öl unter 42 Dollar fällt, dann gibt es hier ein ökonomisches Debakel'', warnt Patricio Carbacho, Botschafter der Organisation Amerikanischer Staaten. ,,Dieser Wohlstand ist illusorisch und vergänglich.''

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