Soziale Verantwortung:Für die ganze Gesellschaft, nicht nur für die Aktionäre

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Auch Amazon-Gründer Jeff Bezos hat das Schreiben unterzeichnet. (Foto: dpa)

Große US-Firmen versprechen, nicht mehr alles der Profitmaximierung unterzuordnen. Jetzt müssen sie zeigen, dass sie es ernst meinen. Bisher basiert ihr Erfolg zu oft auf der Ausbeutung von Mensch und Natur.

Kommentar von Harald Freiberger

Amerikaner gelten als hervorragende Vermarkter ihrer Produkte und ihrer selbst. Was manchmal etwas kurz kommt, sind Qualität und Nachhaltigkeit dessen, was hinter der Fassade steckt. Insofern kann man nur hoffen, dass es sich beim jüngsten Vorstoß von rund 200 US-Unternehmenschefs nicht nur um Marketing handelt.

Was ihr Lobbyverband, der "Business Roundtable", gerade verkündete, wäre nämlich eine uneingeschränkt gute Sache und käme zudem einer Revolution gleich. Sie nehmen Abschied davon, sich allein auf Profitmaximierung zu fixieren. Das Shareholder-Value-Denken, also das Bestreben, den Gewinn für die Aktionäre zu steigern, stehe nicht mehr an erster Stelle des Unternehmenszweckes, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben. Vielmehr gehe es darum, die Interessen aller zu berücksichtigen, die vom Handeln eines Unternehmens betroffen sind, der sogenannten Stakeholder. Das sind Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, aber auch Kommunen und im Grunde die gesamte Gesellschaft, was ökologische und soziale Auswirkungen betrifft.

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Die ersten Bücher verpackten die Gründer noch auf Knien. Heute hat Jeff Bezos einen weltumspannenden Konzern, der in immer mehr Lebensbereiche vordringt. Mit wachsender Macht kommen auch Gefahren.

Von Marc Beise

Was für eine Wende: Das letzte solche Schreiben des Verbands datiert aus dem Jahr 1997 und zielt noch allein auf den Shareholder Value ab, ganz in der Tradition der Chicago School of Economics und ihres Protagonisten Milton Friedman, der den legendären Satz schrieb: "Die soziale Verantwortung der Wirtschaft ist es, ihre Profite zu steigern."

Dieses Denken, das die USA und viele andere Industriestaaten über Jahrzehnte dominierte, hat die weltweite Wirtschaft maßgeblich in den bedauernswerten Zustand geführt, in dem sie sich heute befindet. Die Gewinne der großen Konzerne und ihrer Manager sind exorbitant gestiegen, die soziale Ungleichheit ist zu einem politischen Problem geworden. Und womit haben die Unternehmen ihre Gewinne gemacht? Oft auf dem Rücken von schlecht bezahlten Arbeitern und ohne Rücksicht auf die Natur. Es war der Shareholder Value, der die Klimakatastrophe verstärkt hat.

Zu denen, die das Schreiben unterzeichnet haben, gehören Jamie Dimon, der Chef der Investmentbank JP Morgan, Apple-Chef Tim Cook oder Amazon-Gründer Jeff Bezos. Spontan fallen einem da gleich ein paar Dinge ein, die sie verbessern könnten, wenn sie es ernst meinen mit gesellschaftlicher Verantwortung. Es wäre ja schon mal ganz gut, wenn sie überhaupt Steuern zahlen würden und nicht - wie Amazon - vor allem vermeiden wollten. Moderne Technologiekonzerne sind darauf ausgerichtet, die Menschen von sich abhängig zu machen und ihre Daten zu versilbern - ist auch nicht so richtig nett. Und viel Spaß dabei, Investmentbankern das Shareholder-Value-Denken auszutreiben.

Auch die Anleger können etwas tun

Es gäbe also viel zu tun, und jeder der 200 Unterzeichner könnte bei seinem eigenen Unternehmen anfangen. Dazu gehört es, die Liefer- und Herstellungsketten zu überprüfen und allen Mitarbeitern einen Lohn zu zahlen, der eines Menschen würdig ist. Dazu gehört es, statt des Profits die Bemühungen beim Energiesparen zu maximieren, um den Klimawandel nicht noch weiter mit zu verschlimmern. Und dazu gehört es, das eigene Unternehmen gut zu führen. Das heißt: transparent, unabhängig kontrolliert, frei von Korruption und anonymen Machtstrukturen.

All diese Dinge aber kosten Geld und schmälern erst einmal den Gewinn. Was werden Amerikas große Bosse tun, wenn es darum geht, den Aktionären die nächsten Quartalszahlen zu präsentieren? Es wird nötig sein, ihnen zu erklären, dass verantwortungsvolles Handeln kurzfristig teuer ist, aber langfristig dem Unternehmen und der Gesellschaft hilft zu überleben. Übrigens können auch Anleger dazu beitragen, indem sie fragen, mit welchen Mitteln ein Unternehmen seine Gewinne erwirtschaftet.

Es ist zu loben, dass Amerikas Unternehmenslenker offenbar anfangen umzudenken. Gleichzeitig aber drängt sich der Verdacht auf, dass sie auf den Zug der Zeit nur aufspringen, weil es sich gerade gut macht. Ein wohl gemeintes Schreiben und gutes Marketing allein aber genügen nicht. Es müssen Taten folgen.

© SZ vom 21.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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