Soziale Grundsicherung:Hartz IV steigt im Rhythmus von Löhnen und Preisen

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Noch ist unklar, wie hoch künftig die Hartz-IV-Sätze ausfallen sollen. Doch Arbeitsministerin von der Leyen hat schon mal festgelegt, woran sich künftige Steigerungen orientieren. Nicht mehr die Rente zählt, jetzt werden Preise und Löhne herangezogen.

Mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger: Das ergibt sich aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, und das setzt jetzt die Bundesregierung um.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die geltenden Hartz-IV-Regelsätze als willkürlich gerügt - jetzt gibt es umfangreiche Änderungen. (Foto: dpa)

Der Regelsatz wird im kommenden Jahr voraussichtlich erhöht und künftig jährlich steigen. Das geht aus dem Gesetzentwurf zu den neuen Berechnungsgrundlagen der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vor.

Konkrete Zahlen? Später, in einer Woche.

Klar ist, dass die Hartz-IV-Regelsätze sich weiterhin am Einkommen des unteren Fünftels (20 Prozent) der Bevölkerung anlehnen. Aber: Die jährliche Steigerung der Hartz-IV-Sätze soll nicht länger an die Rentenentwicklung gekoppelt werden. Stattdessen werden zu 70 Prozent das Preisniveau und zu 30 Prozent das Lohnniveau als Vergleichsgröße genommen. Dieser Mischmasch ist das Überraschende an den Gesetzesplänen.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte das sofort als verfassungswidrig. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ulrich Schneider, sagt, das Bundesverfassungsgericht habe eine konsequente Orientierung am Bedarf angemahnt. Derzeit liegt der Regelsatz für Erwachsene bei 359 Euro im Monat. Der Kinder- und Jugendregelsatz, der bislang, je nach Alter, zwischen 60 und 80 Prozent des Satzes für Erwachsene entspricht, wird auf eine eigenständige Rechenbasis gestellt.

Entscheidung im Oktober

Am 20. Oktober soll das Kabinett die Hartz-IV-Reform beschließen. Die FDP will mit der Neuberechnung der Regelsätze eine Erhöhung der Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger verknüpfen. Die Kosten sollen aus dem Arbeitsetat gegenfinanziert werden.

Für die neuen Regelsätze soll, wie bisher, die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes herangezogen werden, die alle fünf Jahre erhoben wird. Bei den Haushaltsausgaben sollen einige Posten, wie etwa ein Internetanschluss oder die Praxisgebühr, neu berücksichtigt werden.

Der Gesetzentwurf umfasst auch das von Ministerin von der Leyen angekündigte "Bildungspaket" für Kinder. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil nicht nur die Rechengrundlage beanstandet, sondern insbesondere moniert, dass Bildungsausgaben für Kinder nicht berücksichtigt werden. Künftig soll sichergestellt sein, dass Kinder aus Hartz-IV-Haushalten ein Schul-Mittagessen bezahlt bekommen sowie über eine Bildungs-Chipkarte Schulmaterial, eintägige Schulausflüge, Nachhilfe und Freizeitangebote finanzieren können.

Das Arbeitsministerium wies unterdessen Presseberichte zurück, wonach die Länder gegen die Chipkarte opponieren, weil sie die Zahlungswege für zu kompliziert halten.

Zum Januar soll außerdem zunächst eine Übergangsregelung in Kraft treten. Auch die Übernahme der Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger wird in dem Gesetz neu geregelt. Die Kommunen werden ermächtigt, in eigenen Satzungen festzulegen, in welcher Höhe sie Mietkosten für Hartz-IV-Empfänger erstatten. Dabei sollen örtliche Mietspiegel als Norm dienen.

FDP fordert, SPD mosert

Die FDP bekräftigte am Montag ihre Forderung, wonach mit der Regelsatz-Novelle auch die Zuverdienstgrenzen für Hartz-IV-Empfänger erhöht werden sollen. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte in Berlin, in diesem Punkt sei man nicht verhandlungsbereit. Insbesondere wolle man Zuverdienste von 400 Euro an erhöhen, damit Arbeitslose es mit wachsendem Verdienst in den ersten Arbeitsmarkt schaffen. Gegenwärtig seien die Regelungen nicht attraktiv. Wer 400 Euro dazuverdiene, könne nur 160 Euro behalten.

Die Kosten höherer Zuverdienste müssten ebenso wie die Regelsätze aus dem Arbeitshaushalt gegenfinanziert werden. Lindner relativierte aber die FDP-Forderung vom Wochenende, wonach im Gegenzug das Arbeitslosengeld I für Ältere gekürzt werden soll. Dies sei nur ein Vorschlag, sagte er.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf von der Leyen "Tatenlosigkeit" vor. Weil sie die neuen Regelsätze immer noch nicht präsentiert habe, befördere sie "wirre Debatten" in der FDP und Teilen der Union. Die Zuverdienstgrenzen hochzusetzen, bedeute, dass die Politik einen "Staatslohn" einführe, den Arbeitgeber nur noch durch Hungerlöhne ergänzen müssten, kritisierte Nahles.

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