Sonne und Geld:Griechenland will die Sonne für sich arbeiten lassen

'Europa schmutzigstes Kraftwerk' läuft weiter

Das Kraftwerk in Kozani gilt als eines der schmutzigsten in Europa - und die griechische Energieversorgung als extrem veraltet.

(Foto: dpa)

Die griechische Energieversorgung gilt als extrem veraltet. Dabei passen Griechenland und Sonnenenergie eigentlich perfekt zusammen.

Von Michael Bauchmüller, Athen

Vor dem Amtssitz von Alexis Tsipras sucht ein älterer, freundlicher Herr seine Opfer. Hat er eins gefunden, dann fackelt er nicht lange. Es geht schließlich um die Rettung der Welt. "Wir können nicht so weitermachen", sagt Stavros Theofanides, ausweislich seiner Visitenkarte ehemaliger Ökonomie-Professor in Athen, ehemaliger Chef des griechischen Wirtschaftsverbandes, ehemaliger Vize-Chef des Athener Flughafens und ehemaliges Vorstandsmitglied der Athener Metro. "Wir verheizen den Planeten, wenn wir Energie nicht endlich anders erzeugen." Und wenn er all das abgespult hat, zückt er seinen "Masterplan": die "posidonische Energie". Meerwasser soll durch Röhren an der Küste 100 Meter in die Erde stürzen und dort Turbinen betreiben und Strom erzeugen, andere Röhren sollen es wieder hochtransportieren. "Wie ein Grieche die Welt vor der Katastrophe rettet", steht über dem Plan.

Umgesetzt wurde er noch nicht. Griechenlands Premier Tsipras hat ihn auch noch nicht gesehen, ebenso wenig der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der dieser Tage Athen besucht und nur Meter an Theofanides vorbeigeschleust wird. Dass sich aus Ökoenergie in Griechenland einiges machen ließe, ist aber längst auch anderen aufgegangen, wenngleich ohne Röhren in die Tiefe.

Griechische Inseln experimentieren mit "posidonische Energie"

Etwa auf der Kykladen-Insel Kythnos mit ihren 1400 Einwohnern. Wie viele andere griechische Inseln ist sie nicht an das Stromnetz angeschlossen. Elektrizität liefert ein altes Dieselkraftwerk, das Öl kommt per Schiff. Schon in den Achtzigerjahren experimentierten Ingenieure dort mit Windkraft, damals mit Unterstützung des deutschen Forschungsministeriums. Die Windräder von einst sind eingerostet. Doch das nächste Experiment ist schon in Vorbereitung. Kythnos soll erneut Labor werden - diesmal für ein Insel-Stromsystem, das unabhängig vom Öl ist. Ein Mix aus Wind- und Sonnenenergie, aus Batterien und intelligenter Verknüpfung von Angebot und Nachfrage soll den Diesel ersetzen. Abermals will Deutschland dabei mithelfen, diesmal in Gestalt des Bundeswirtschaftsministeriums. "Jedes Beispiel ist zehnmal besser als theoretische Diskussionen darüber", sagt Gabriel.

Andere handeln schon. Auf der Insel Tilos, nicht weit von Rhodos, arbeitet ein EU-Projekt an einer autarken Versorgung, auf der Sporaden-Insel Ikaria tüftelt der griechische Stromversorger PPC daran. "Im Grunde genommen ließe sich das auf allen Inseln machen, die nicht ans Festlandnetz angeschlossen sind", sagt Philipp Kunze. Mit seinem Berliner Start-up Oneshore hatte er Kythnos unter die Lupe genommen, den Stromverbrauch abgeglichen mit Bedarf und Potenzial an Ökoenergie. "Wenn die Preise für Batteriespeicher weiter fallen, kann man in ein paar Jahren komplett umsteigen", sagt er. Dann brauche man Diesel nicht mal mehr bei Flaute.

Teurer Stoff

Etwa 800 Millionen Euro im Jahr zahlt die griechische Regierung, um Öl zu subventionieren.

Alte Generatoren und Ölkraftwerke sind das hässliche Gesicht so mancher griechischen Insel, nicht selten wummern sie gleich in der Nachbarbucht des Haupthafens. Nicht nur ihre Abgase schaden Umwelt und Klima. Beim Verladen des Öls geht auch der eine oder andere Liter daneben. Sehr effizient sind sie nicht. Obendrein legt Athen um die 800 Millionen Euro im Jahr drauf, um das Öl zu subventionieren. Andernfalls würde der Strom auf den Inseln so teuer, dass noch mehr Bewohner abwandern würden.

Sonneninseln nutzen Sonne nicht

Und das von Orten, auf die quasi jeden Tag die Sonne scheint. "Sie müssen sich vorstellen", ereifert sich der Kreta-Freund und ehemalige Soziologie-Professor Dieter Otten, "auf der Sonneninsel Kreta kommen 86 Prozent des Stroms aus einem Kraftwerk, das mit Schweröl betrieben wird. Mit Schweröl!" Derlei Öl ist eine Art Abfallprodukt von Raffinerien, es gilt als besonders umweltschädlich.

Otten hat eine ähnlich bewegte Biografie wie der Ex-Professor Theofanides, ist aber der Verwirklichung seiner Mission deutlich näher: ein Solarthermie-Kraftwerk auf der Sonneninsel, das 20 Prozent des kretischen Stroms erzeugen würde. "Was wir da machen, ist eine Wette gegen die Gegebenheiten", sagt der 73-Jährige. "Aber ich bin hartnäckig." Im Herbst sollen die Arbeiten beginnen, auf der offiziellen Liste der griechischen Zukunftsprojekte steht es weit oben. Das Kraftwerk soll nicht nur Sonnenwärme einfangen und damit Generatoren betreiben, sondern jenseits des Tageslichts auch Biogas nutzen, gewonnen aus dem Müll von Kretern und Touristen. "Wenn wir das hinkriegen, bin ich auf Kreta der King", sagt Otten. Geld dafür kommt auch von deutschen Investoren.

Allerdings bleiben die Finanzen das größte Problem in Griechenland. Deutsche Banken geben ungern Geld für Projekte dort, sie misstrauen der Lage. Griechische Banken wiederum bedienen deutsche Investoren ungern - aus Angst, sie könnten Kredite zwar zusagen, aber zum vereinbarten Zeitpunkt nicht auszahlen. "Griechenland und die Sonnenenergie, das passt eigentlich perfekt", sagt Frank Asbeck, Chef und Gründer des Bonner Konzerns Solarworld. "Doch es scheitert an den Krediten." So ließe sich schon jetzt die Kilowattstunde Solarstrom für unter sechs Cent erzeugen, für weitere sechs Cent ließe sich der Strom für Abendstunden speichern. Unterm Strich wäre für Haushalte der Strom billiger - wenn sie denn eine Solaranlage installiert haben. "Aber keine Bank gibt dir Geld dafür." Ein Problem, das auch die griechische Regierung umtreibt. Sie arbeitet derzeit an einem neuen Ökostrom-Gesetz. "Wir wollen ein neues Modell der Energieerzeugung", sagt Energieminister Panos Skourletis, ein Syriza-Mann. "Und dazu gehören auch grüne Inseln." Erst einmal aber ohne posidonische Energie.

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