Sonderprüfungen in der Zinsaffäre:Finanzaufsicht Bafin erhöht Druck auf deutsche Banken

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Bankentürme in Frankfurt: (Foto: Frank May/dpa)

Die Finanzaufsicht Bafin geht mit Härte gegen Banken vor: Sie hat bei vier Häusern Sonderprüfungen wegen der Manipulation des Euribor-Satzes eingeleitet - darunter die Deutsche Bank und der WestLB-Nachfolger Portigon. Ein Vergleich mit den Behörden im Zinsskandal kann die Banken teuer zu stehen kommen.

Von Andrea Rexer

Wenn Anshu Jain über den Libor spricht, wird seine Miene ernst: "Das Thema macht mich am meisten krank", sagte er vergangene Woche in einer Diskussion. Kein Wunder. Denn die Behörden gehen rund um den Globus mit eiserner Härte gegen die Banken vor. Die Geldhäuser sollen versucht haben, die wichtigen Interbankenzinssätze Libor und Euribor zu manipulieren. Ein Skandal, der eine extreme Breitenwirkung hat, denn auf den beiden Zinssätzen basieren Finanzgeschäfte im Volumen von mindestens 300 Billionen US-Dollar.

Bei den Ermittlungen preschten bisher die britischen und amerikanischen Behörden voran. Doch jetzt erhöht auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin den Druck auf die Geldhäuser hierzulande: Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat die Behörde gegen vier deutsche Banken Sonderprüfungen wegen Verdachts auf Manipulation des Zinssatzes Euribor eingeleitet, die WestLB wird zudem im Zusammenhang mit dem Zinssatz Libor untersucht. Damit erreicht die Affäre in Deutschland einen neuen Höhepunkt.

Die Sonderprüfung ist das schärfste Schwert der Aufsicht. Bislang war in Deutschland nur eine einzige Sonderprüfung in Sachen Libor bekannt: Am 6. Juli 2012 tauchten die Aufseher unangemeldet bei der Deutschen Bank auf, um Informationen zu sammeln. Doch jetzt gerät die Bank weiter unter Druck. Nach Informationen der SZ prüft die Behörde nicht nur, ob die Deutsche Bank beim Libor manipuliert hat, sondern nimmt auch den Euribor ins Visier. Damit steht die Deutsche Bank doppelt im Rampenlicht. Das größte deutsche Geldhaus will die Untersuchungen offiziell nicht kommentieren.

Wie die SZ erfuhr, ist der Branchenführer des Landes aber nicht mehr das einzige Haus, das im Fokus der Sonderermittler steht. Mit Verstärkung durch eine externe Wirtschaftsprüfung nahmen die Aufseher weitere Banken unter die Lupe. So bekam auch die WestLB-Nachfolgerin Portigon Besuch von den Prüfern. Bisher war nur bekannt, dass sich die US-Behörden für das Institut interessieren. Die inzwischen zerschlagene Landesbank hat bis Mitte 2011 Daten zum Libor und zum Euribor geliefert. Diese Vorgänge sind nun Gegenstand einer Sonderprüfung. Die Bank wollte den Vorgang nicht kommentieren.

Von der einst stolzen Landesbank ist inzwischen nur mehr ein Rumpf mit dem Namen Portigon übrig, der dem Land Nordrhein-Westfalen gehört. In der Zinsaffäre ist das keineswegs ein Grund für Erleichterung, ganz im Gegenteil: Denn Risiken aus etwaigen Rechtsstreitigkeiten trägt nun allen voran das Land Nordrhein-Westfalen - und damit der Steuerzahler. Seit die Bank im Sommer des vergangenen Jahres in drei Teile zerschlagen wurde, gehört das Sparkassengeschäft der Landesbank Helaba, die Altlasten werden in der Bad Bank EAA abgewickelt. Dass Vergleiche im Libor-Skandal schmerzhaft teuer sein können, zeigt das Beispiel der Schweizer UBS: Sie musste 1,2 Milliarden Dollar zahlen.

Die WestLB hat aber auch Daten zum europäischen Pendant des Libor, dem Euribor, gemeldet. Auch hier vermutet die Aufsicht Unregelmäßigkeiten. Um zu klären, ob auch beim Euribor falsche Informationen gemeldet wurden, forderte die Bafin im Frühsommer 2012 Informationen von allen Banken an, die in Deutschland an der Erhebung beteiligt sind oder waren. Neben der Deutschen Bank und der WestLB waren dies die Landesbank Berlin, die BayernLB, die Commerzbank, die genossenschaftliche DZ Bank, die LBBW, die Helaba und die NordLB. Sie mussten schriftlich die Fragen der Behörde beantworten.

Wie informierte Kreise berichten, war der Rücklauf jedoch bei zwei dieser Banken so schwach, dass die Bafin zu drastischeren Mitteln griff: Sie leitete eine Sonderprüfung ein und schickte ihre eigenen Prüfer. Aus informierten Kreisen ist zu hören, dass die Behörde die Banken gebeten hat, die eigene Revisionsabteilung auf den Fall anzusetzen. Die beiden betroffenen Banken sollen das jedoch nicht getan haben. In einem der beiden Fälle soll die Behörde sogar überlegt haben, eine Verwarnung auszusprechen, weil die Bank so gar nicht kooperieren wollte.

Noch ist nicht absehbar, wann erste Ergebnisse aus den Untersuchungen vorliegen. Eine Person, die mit den Ermittlungen befasst ist, gab zu erkennen, dass man in den Daten bereits Anhaltspunkte für Manipulationsversuche gefunden hätte. Es sei schwierig, aber nicht unmöglich, den Nachweis der Manipulation zu erbringen.

Die Bafin will sich nicht zu einzelnen Banken äußern. Ein Sprecher der Aufsicht sagte, dass man sich im Fall der Zinsaffäre je nach Institut ansehe, welche Mittel geeignet seien: "Diese reichen - ganz generell - vom reinen Aufsichtsgespräch über das Auskunftsverlangen bis hin zur Sonderprüfung."

Einige Banken haben jedoch angesichts des erhöhten Drucks der Behörden schon kalte Füße bekommen und sich aus dem Panel der Banken zurückgezogen, die Daten zum Euribor liefern: In Deutschland ist das beispielsweise die BayernLB. Aber auch andere Banken in Europa haben sich streichen lassen: Anstatt 43 liefern inzwischen nur noch 39 Banken ihre Daten. Über die Gründe des Rückzugs kann man nur spekulieren. Dass einer davon die Furcht vor weiteren Rechtsrisiken sein dürfte, ist wohl nicht allzu weit hergeholt. Es scheint also, dass Anshu Jain nicht der einzige Banker ist, der beim Gedanken an die Zinsaffäre ein flaues Gefühl im Magen bekommt.

© SZ vom 28.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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