Sondergewerkschaftstag:Jürgen Peters weist kämpferischen Kurs

Auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall sagt der designierte Chef einen Konflikt mit der Bundesregierung voraus.

Von Jonas Viering

(SZ vom 30.08.03) - Der alleinige Kandidat für den Chefposten der IG Metall, Jürgen Peters, rief seine Organisation zu einem kämpferischen Kurs auf. Die Gewerkschaft müsse "Entschlossenheit und Geschlossenheit" zeigen, sagte Peters zum Auftakt des Gewerkschaftstages der IG Metall in Frankfurt.

Zwar beschwor er den Dialog und erklärte, er sei "nicht gegen Reformen". Zugleich aber erneuerte Peters seine Kampfansage an Rot-Grün in Berlin: Sowohl in der Sozialpolitik als auch auf dem Feld der Tarifautonomie sei "ein Konflikt auch mit der Bundesregierung absehbar, und zwar in den nächsten Wochen".

"Altbackener Sozialabbau"

Die Agenda 2010 des Kanzlers biete ebenso wie die Konzepte der Rürup-Kommission keine echten Reformen sondern "altbackenen Sozialabbau", sagte Peters.

Am Sonntag werden die knapp 600 Delegierten der IG Metall Peters zum Nachfolger von Klaus Zwickel wählen - dieser war vom Amt des Chefs der Gewerkschaft zurückgetreten, nachdem deren Arbeitskampf im Osten gescheitert war.

Zwickel hatte Peters für die verfehlte Streik-Strategie verantwortlich gemacht, hatte im Vorstand jedoch keine Mehrheit dafür gefunden, statt Peters den Baden-Württemberger Bezirks-Chef Berthold Huber als Kandidaten aufzustellen.

Flügelstreit

Huber wird nun Vize von Peters; für beide gibt es keine Gegenkandidaten. Allerdings wird der Flügelstreit wohl in Kampfkandidaturen für die übrigen Vorstandsposten zum Ausdruck kommen. Hierfür wird an erster Stelle der Name von Klaus Ernst aus Schweinfurt genannt, der Bayer gilt als Unterstützer Peters'.

Streikniederlage und Führungsstreit hatten dazu geführt, dass der erst für Oktober geplante Gewerkschaftstag zum Teil auf dieses Wochenende vorgezogen worden ist.

Der designierte Vorsitzende wies am Freitag Kritik am Streik für die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland zurück. Zwar seien Fehler gemacht worden, sagte Peters. Er betonte aber, die Risiken seien allen Entscheidungsträgern bekannt gewesen. Dies richtete sich gegen Zwickel und andere Peters-Kritiker; im schriftlichen Bericht über den Arbeitskampf sprach Peters außerdem den umstrittenen Bezirkschef von Berlin-Brandenburg-Sachsen, Hasso Düwel, weitgehend von Schuld am Ost-Desaster frei.

Solidarität vermisst

Peters machte Uneinigkeit in der Gewerkschaft als wichtige Ursache für den Misserfolg aus. "Die aktive Solidarität der gesamten Organisation, ich will es ganz vorsichtig formulieren, war nicht überall spürbar", sagte er.

Zudem gab er die Ansicht zu erkennen, interne Kritik am Streik sei nicht in der Sache, sondern im Lagerstreit begründet gewesen. Ausdrücklich verteidigte Peters die Fernwirkung des Arbeitskampfes, der zu Kurzarbeit für mehr als 10.000 Beschäftigte bei BMW in Bayern, außerhalb des Streikgebiets, führte. Auch künftig werde die IG Metall auf solche Eskalationsstrategien nicht verzichten, kündigte er an.

"Offenbar sind auch uns Leitbilder und Visionen abhanden gekommen", räumte Peters ein. Er zog jedoch daraus die Schlussfolgerung, "gerade in einer Zeit der Umbrüche müssen die Menschen wissen, wo der Tanker hinsteuert". Es dürfe "nicht zurück in den ungezügelten Kapitalismus" gehen, "wir werden die soziale Gerechtigkeit nicht in den Mülleimer der Geschichte entsorgen".

Organisationsgrad gesunken

Die IG Metall steckt wegen der vielen Austritte in einer Finanzkrise, erklärte Kassierer Bertin Eichler. Laut Geschäftsbericht ist der Organisationsgrad in der Metallindustrie von 30,8 Prozent 1999 auf heute 29,4 Prozent gesunken.

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