Solarthermieanlagen:Energienutzung für Fortgeschrittene

Massive Solar Electricity Plant Provides Power To California Homes

Die größte Solarthermieanlage der Welt, Ivanpah, steht in der amerikanischen Mojave-Wüste in Kalifornien. Sie gehört NRG Energy, Google und BrightSource Energy.

(Foto: Ethan Miller/AFP)

Mit Solarthermieanlagen kann man nicht nur Wärme, sondern auch Strom erzeugen. Großanlagen jedoch sind technologisch und finanziell eine Herausforderung - denn vielen Investoren ist die Technik noch zu jung.

Von Ralph Diermann

Der Besitzer des Jaguars wird große Augen gemacht haben, als er zu seinem Auto zurückkehrte, das er im Sommer 2013 einige Stunden in London geparkt hatte: Teile des Armaturenbretts waren geschmolzen wie Ofenkäse. Schuld war ein neues Hochhaus auf der anderen Straßenseite. Dessen konkav geschwungene Südfassade reflektierte die Sonnenstrahlen so, dass sie genau dort gebündelt wurden, wo das Fahrzeug stand.

Die Kraft der konzentrierten Sonne bringt nicht nur Kunststoff zum Fließen. In ihr steckt so viel Energie, dass sich damit sogar Dampfkraftwerke betreiben lassen: Solarthermische Kraftwerke nutzen die hohen Temperaturen der gebündelten Strahlung, um in einem Kessel Wasser zu verdampfen - wie in einem Kohlekraftwerk, nur ohne CO₂-Emissionen. Der Dampf setzt Turbinen in Bewegung, so dass Strom fließt.

So viel Leistung wie ein Kohlekraftwerk

Ein Dutzend solcher Anlagen ist in den vergangenen Jahren errichtet worden, die meisten davon in den Wüsten im Südwesten der USA. Höchstspannungsleitungen transportieren die Energie dann zu den Verbrauchern. Die weltweit größte Anlage dieser Art entsteht derzeit unter dem Namen Noor im Süden Marokkos. Der erste Bauabschnitt mit 160 Megawatt Leistung wurde im vergangenen Februar eröffnet, zwei weitere mit zusammen 360 Megawatt sollen nächstes Jahr in Betrieb gehen. Damit entspricht die Gesamtleistung der eines mittelgroßen Kohlekraftwerkblocks.

Die Technologie ist derzeit sehr gefragt, berichtet Thomas Fluri vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme. "In Südafrika, Chile, China und im Mittleren Osten werden in den nächsten Jahren eine ganze Reihe neuer Anlagen errichtet. Die weltweit installierte Leistung wird damit stark wachsen", sagt der Experte. So sind allein in China bis 2020 solarthermische Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von zehn Gigawatt geplant. Die Internationale Energie-Agentur (IEA) rechnet gar damit, dass die Technologie 2050 etwa elf Prozent des globalen Strombedarfs decken wird.

Die meisten solarthermischen Kraftwerke arbeiten mit langen, verspiegelten Parabolrinnen, die die Sonnenenergie auf ein Rohr reflektieren, in dem ein Thermoöl zirkuliert. Dabei erhitzen sie das Öl auf mehrere Hundert Grad. Eine andere Variante sind die Solartürme: Garagentorgroße, der Sonne folgende Spiegel werfen die Strahlung an die Spitze eines Turms. Dort ist ein Bauteil aus poröser Keramik angebracht, das die Hitze aufnimmt. Dieser sogenannte Receiver wird von Luft durchströmt, die sich dabei auf bis zu 1000 Grad aufheizt.

Private Geldgeber scheuen das Risiko

Für beide Konzepte gilt: Die Technik ist komplex. Daher - und aufgrund der schieren Größe der Anlagen - verlangt der Bau solarthermischer Kraftwerke eine Menge Kapital. Das Projekt in der marokkanischen Wüste zum Beispiel kostet etwa 2,4 Milliarden Euro; das größte Turmkraftwerk der Welt, die 392-Megawatt-Anlage Ivanpah bei Las Vegas, rund zwei Milliarden Euro. Das Geld kommt zu einem großen Teil von Förderbanken. So hat etwa die deutsche KfW-Bank für Noor Kredite in Höhe von 770 Millionen Euro bereitgestellt. Auch die Weltbank war hier mit 400 Millionen Euro beteiligt. Ivanpah wurde unter anderem mit einer Kreditbürgschaft von 1,4 Milliarden Euro des US-amerikanischen Energieministeriums finanziert. Dass private Geldgeber sich hier zurückhalten, liegt vor allem am Risiko, das mit der vergleichsweise neuen Technologie verbunden ist - die Betreiber der Kraftwerke haben bislang kaum Langzeiterfahrungen sammeln können.

Auch nachts kann Strom produziert werden

Ohnehin musste die Solarthermie in den vergangenen Jahren einige Rückschläge einstecken. So drohte Ivanpah wegen technischer Probleme zeitweise die Stilllegung. Zudem sagten manche Projektentwickler geplante Vorhaben aus wirtschaftlichen Gründen ab - oder errichteten stattdessen dort riesige Fotovoltaik-Anlagen. Deren Kosten sind zuletzt rasant gesunken, was eine höhere Rendite verspricht. Nach Berechnungen der amerikanischen Investmentbank Lazard liegen sie in den USA heute bei nur noch 4,5 bis 6,5 Eurocent pro erzeugter Kilowattstunde Strom. Solarthermische Anlagen dagegen kommen dieser Analyse zufolge auf Kosten von elf bis 16 Cent.

Flüssigsalzspeicher werden während des Tages von der Sonne aufgeheizt

Dafür haben die Sonnenwärme-Kraftwerke anderen Erneuerbare-Energien-Anlagen jedoch etwas voraus: "Die Anlagen liefern auch dann Strom, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht", sagt Bernhard Hoffschmidt, der am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Institut für Solarforschung leitet. Möglich machen das Flüssigsalzspeicher, die während des Tages aufgeheizt werden. Nachts werden die Speicher dann angezapft, um Wasserdampf zu erzeugen.

Auf diese Weise sind die Kraftwerke in der Lage, fast rund um die Uhr Strom zu produzieren. Das vereinfacht die Integration der Anlagen in das Energiesystem. Denn sie können mithilfe des Speichers planbar und angepasst an den Bedarf Strom ins Netz einspeisen - ein guter Grund für Länder wie China, nicht nur in die billige Fotovoltaik, sondern auch in die Solarthermie zu investieren. Berücksichtigt man diese systemstabilisierende Leistung, fällt die Kostenrechnung ganz anders aus, sagt Fraunhofer-Forscher Fluri. "Solarthermische Anlagen mit Flüssigsalzspeicher sind deutlich günstiger als Fotovoltaik-Kraftwerke, wenn man dort Batteriespeicher gleicher Kapazität mit berücksichtigt", erklärt der Wissenschaftler.

Mit einem neuen Speicherkonzept will das norwegische Start-up Energy Nest diese Bilanz weiter verbessern. Statt Flüssigsalz verwendet Energy Nest einen Spezialbeton, der zusammen mit dem deutschen Baustoff-Hersteller Heidelberg Cement entwickelt wurde. In den Beton sind Rohre eingelassen, mit denen die Wärme in den Speicher geführt wird. Auf bis zu 550 Grad lässt sich das Material erhitzen. "Bei den Investitionskosten ist unsere Technologie um bis zu 60 Prozent, bei den Betriebskosten sogar um bis zu 80 Prozent günstiger", sagt Geschäftsführer Christian Thiel. Die Speicher bestehen aus einzelnen, gut isolierten Betonblöcken, die je nach gewünschter Größe zu einem System zusammengestellt werden. In einem kleinen Solarthermie-Kraftwerk in Abu Dhabi wird die Technologie bereits eingesetzt.

Auch das DLR arbeitet daran, die Solarthermie günstiger zu machen. So betreiben die Wissenschaftler im rheinischen Jülich zu Forschungszwecken ein Solarturm-Kraftwerk, eine weitere Anlage ist im Bau. "Uns geht es hier darum, das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten zu verbessern", erklärt Institutsleiter Hoffschmidt. Doch das DLR denkt bereits über die Stromerzeugung hinaus. "Wir werden in Jülich auch an Verfahren zur Herstellung von solaren Treibstoffen arbeiten", sagt der Forscher. Das DLR will die hohen Temperaturen nutzen, um mit Hilfe thermochemischer Prozesse Wasserstoff zu erzeugen. Der lässt sich zu synthetischem Benzin, Diesel oder Kerosin verarbeiten.

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