Solarprojekt Desertec:Die Wüste ruft

Aufbruchstimmung dank Desertec: Deutsche Firmen hoffen bei dem gigantischen Solarprojekt in Nordafrikas Wüsten auf Großaufträge.

Markus Balser und Thomas Fromm

Die deutsche Wirtschaft hofft mit dem Bau riesiger Solarkraftwerke in Wüstenregionen auf einen Milliardenmarkt. Führende Technologiefirmen der Energiebranche wie Siemens und Schott Solar wollen die Pläne vorantreiben, um lukrative Aufträge für das Prestigeprojekt an Land zu ziehen.

Solarkraftwerk, Israel, AP

Solarkraftwerk in der Negev-Wüste in Israel: Ein anderes Wüstenprojekt ist derzeit in Planung. Innerhalb von drei Jahren wollen 20 deutsche Konzerne Baupläne für Solar-Thermiekraftwerke in Nordafrikas Wüsten vorlegen.

(Foto: Foto: AP)

Der ehrgeizige Zeitplan, bereits in zehn Jahren den ersten Strom auf Afrika zu importieren, sei technisch machbar, kündigte Siemens-Projektchef Bernd Utz im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung an.

Innerhalb von drei Jahren wollen 20 deutsche Konzerne konkrete Pläne für den Bau von Solarthermie-Kraftwerken in Nordafrikas Wüsten vorlegen. Die beteiligten Firmen begreifen das Vorhaben längst nicht mehr als ferne Vision. "Das Projekt liegt seit 30 Jahren in der Schublade, jetzt wird es erstmals technisch realisierbar", sagt Utz am Freitag weiter. Es gehe um ein "bahnbrechendes" Projekt.

Klimaschonender Strom

"Die Bauzeit für die Anlagen, wie etwa Solarkraftwerke und Übertragungsleitungen, liegt zwischen zwei und vier Jahren", sagte Utz weiter. Das Münchner Unternehmen will die zentralen Bauelemente für das gigantische Projekt selbst liefern, um so von den Milliardenaufträgen mit zu profitieren: "Siemens kann die wichtigsten Teile für Desertec liefern: Hochspannungs-Übertragungssysteme für Gleichstrom, Dampfturbinen, Receiver und die Leittechnik für Solarthermie", erklärt Utz.

Dass Strom künftig kostengünstig, klimaschonend und zuverlässig unter Afrikas Sonne produziert werden kann, dürfte ganze Branchen verändern, schwant den beteiligten Managern. Die Forscher des Club of Rome hatten den Modellentwurf namens Desertec bereits vor Jahren entwickelt.

Solarfabriken, die mit riesigen Spiegeln die Kraft der Sonne bündeln, Spezialöl erhitzen und schließlich Wasserdampf für den Antrieb von Turbinen produzieren, liefern bereits in den USA und in Spanien Strom für erste Haushalte und Unternehmen. Die Kraftwerke können die Sonnenenergie speichern und selbst dann Strom erzeugen, wenn die Sonne nicht scheint.

Wie sich die Elektrizität ohne große Verluste auch über lange Distanzen transportieren lässt, ist inzwischen auch kein Geheimnis mehr - vorausgesetzt, alle Länder, durch die der Strom durchgeleitet wird, spielen mit. Daher ist sich Utz sicher: Die Herausforderungen der Zukunft sind nicht mehr technischer Art.

Bürokratische Fallstricke

"Die Technologie ist nicht der Punkt", sagt der Siemens-Manager. "Das Problem sind die häufig langen Genehmigungszeiten. Um zum Beispiel Hochspannungsleitungen zügig bauen zu können, muss die Politik helfen", fordert Utz.

Tatsache ist: Trotz aller wissenschaftlicher Fortschritte kann das Projekt an bürokratischen Fallstricken scheitern, an kleinen, unvorhersehbaren Details. Utz appelliert daher an die politisch Verantwortlichen: "Wir wünschen uns Unterstützung bei lokalen Genehmigungen. Die deutsche Politik kann außerdem helfen, wenn es darum geht, die betroffenen Mittelmeer-Anrainerstaaten wie Italien und Spanien von dem Projekt zu überzeugen."

Der Unterstützung Berlins kann sich die Industrie sicher sein. Zuletzt hatte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) die Initiative ausdrücklich begrüßt und gesagt: "Die Errichtung solcher Kraftwerke in Verbindung mit einem Stromverbund im Mittelmeerraum liegt im europäischen Interesse." Allerdings sei das Vorhaben "sehr ambitioniert" und bedürfe erheblicher finanzieller Anstrengungen.

Aufbruchstimmung wegen Desertec

Auch das Solartechnik-Unternehmen Schott Solar verspricht sich von dem Projekt lukrative Aufträge. Die Solarenergie erlebe eine Renaissance, sagt Schott-Solar-Chef Martin Heming. "Es geht um einen erheblichen Zukunftsmarkt", so der Manager.

Ein Großteil der Milliardeninvestitionen werde in die Technologie fließen; für die Solarbranche sei das Projekt daher ein Segen. Wegen der Wirtschaftskrise war die Nachfrage nach Produkten dieser Art zuletzt stark zurückgegangen. Die Preise sanken, die Gewinne der Branche gerieten unter Druck.

Desertec sorge bei den Unternehmen wieder für Aufbruchstimmung. Utz: "Siemens erwartet einen kräftigen Anstieg der erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung . Noch liegt der Anteil bei drei Prozent, wir erwarten aber, dass er sich in den nächsten 20 Jahren auf dann 14 Prozent etwa verfünffachen wird."

Der Startschuss für die größte private Ökostrom-Initiative aller Zeiten wird am 13. Juli in den Räumen der Münchener Rück fallen. Dann werden Vertreter aus Wirtschaft und Politik diskutieren, wie sich das Projekt in den kommenden Jahren realisieren lässt - und dabei ein Konsortium gründen, dem dann auch die Deutsche Bank angehören soll. Ihre Aufgabe: Sie soll die Finanzierung des Milliardenprojekts mit Hilfe anderer Investoren organisieren.

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