Süddeutsche Zeitung

Solarförderung vor Einschnitten:Frösteln auf dem Sonnendeck

Die deutsche Solarförderung gilt bei vielen als Erfolgsmodell, doch nun könnte sie schneller und stärker gekürzt werden als bekannt. In der Branche wächst die Angst.

M. Balser und M. Bauchmüller

Sie wussten, was die Stunde geschlagen hatte. Solarworld-Chef Frank Asbeck und First-Solar-Geschäftsführer Stephan Hansen schwante nichts Gutes, als sie am Mittwoch mit anderen Spitzenmanagern zum Solargipfel mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) in Berlin aufbrachen.

Längst war klar: Die Bundesregierung will die üppige Solarförderung kippen. Einen konkreten Kürzungsplan legte der Minister zwar noch nicht auf den Tisch. Doch es zeichnet sich ab, dass auf die Photovoltaik-Branche bald lange Schatten fallen.

Dem Vernehmen nach drohen schnellere und härtere Einschnitte als bislang bekannt. Bereits in der kommenden Woche wolle Röttgen einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorlegen, hieß es am Donnerstag aus Branchenkreisen.

Branche hoffte auf Kürzung frühestens im Sommer

Der Bund könnte die Einspeisevergütung schon im April deutlich einschränken, erfuhr die Süddeutsche Zeitung. Bislang hatte die Branche mit einem Start frühestens im Sommer gerechnet. Auch die Höhe der Einschnitte könnte die Hersteller empfindlich treffen: Röttgen prüfe eine einmalige Senkung von "etwas unter 20 Prozent".

Beschleunige sich der von der hohen Förderung ausgelöste Boom beim Bau neuer Anlagen in diesem Jahr, könnten Einschnitte Anfang 2011 noch einmal verschärft werden. Werden innerhalb eines Jahres mehr als 3000 Megawatt neu installiert, werden weitere 2,5 Prozentpunkte gekürzt.

Bei mehr als 3500 Megawatt sollen es fünf Prozentpunkte sein. Vertreter der Solarbranche wollten sich dazu nicht äußern. Auch eine Sprecherin des Ministeriums kommentierte die Angaben nicht. Es gebe noch keine Entscheidung, sagte sie.

Dass sich die Solarbranche auf schwere Zeiten einstellen muss, ist seit einigen Monaten bekannt. Röttgen hatte Ende 2009 eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und eine Kürzung der Subventionen angekündigt. Die gegenwärtige Regelung sei zu starr, sie habe zu einer Überförderung des Solarstroms in Deutschland geführt.

Milliardenkosten für die Verbraucher

Der Photovoltaik-Ausbau war wegen des Preisverfalls bei Solarmodulen rasanter fortgeschritten, als von der Regierung geplant. Das ist mit Milliardenkosten für alle Stromverbraucher verbunden, weil sie die Differenz zwischen Marktpreis und den Kosten des Ökostroms ausgleichen müssen.

Zwar sinkt die Förderung jährlich nach bestehenden Regelungen bereits um bis zu zehn Prozent, doch gilt das als nicht ausreichend. Bis 2013 müssen die Stromkunden Mehrkosten von bis zu 40 Milliarden Euro auffangen, wenn die Förderung nicht stärker sinkt.

Die Betreiber von Solaranlagen erhielten bislang 20 Jahre lang bis zu 43 Cent für jede in das Stromnetz eingespeiste Kilowattstunde. Seit Jahresbeginn sind es für Neuanlagen noch 39 Cent. Zum Vergleich: An der Strombörse in Leipzig wird Strom aktuell mit sechs Cent pro Kilowattstunde gehandelt.

Energieexperte Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung hält die Förderung damit für "absurd hoch". Laut Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen sind die Preise für Solaranlagen zwischen 2006 und 2009 um 40 Prozent zurückgegangen und dürften wegen des verschärften Wettbewerbs auch in diesem Jahr erneut sinken. Eine Reduzierung der Förderung sei dringend nötig.

Kritik aus der Opposition

Auch die Branche hatte Einlenken signalisiert und würde einem moderaten Einschnitt zustimmen. Sie hatte vorgeschlagen, dass die Förderung jährlich um fünf Prozentpunkte schneller abgesenkt wird, als bislang vorgesehen.

Branchenvertreter warnten am Donnerstag vor den Folgen härterer Einschnitte: "Käme es 2010 über das gesetzlich fixierte Maß hinaus zu einer zweistelligen prozentualen Absenkung der Solarförderung, wäre dies wahrscheinlich das Aus für viele Solarunternehmen und die Technologieführerschaft der deutschen Solarbranche", sagte Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft.

Die Opposition kritisierte das Vorgehen scharf. Der Energiepolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Hans-Josef Fell, warnte, eine drastische Kürzung im zweistelligen Bereich würde die deutschen Solarhersteller überfordern. "Wir hatten schon eine Senkung zu Beginn des Jahres." Eine weitere berge die Gefahr eines Marktzusammenbruchs.

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SZ vom 15.01.2010/pak
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