Süddeutsche Zeitung

Software-Patente: Die Rechtslage:"Patente folgen nicht dem gesunden Menschenverstand"

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Software muss etwas mit Technik zu tun haben, um patentierbar zu sein - darüber sind sich alle Beteiligten einig. Was aber "Technik" ist, das ist schwer festzulegen. Das gibt selbst das Europäische Patentamt zu. Nicht einmal innerhalb der EU ist die Rechtslage einheitlich.

Von Patrick Bernau

Bislang sind "Programme für Datenverarbeitungsanlagen" grundsätzlich nicht patentierbar. So steht es im Europäischen Patent-Übereinkommen (EPÜ), das in 24 Staaten Europas gilt.

Statt durch Patente ist Software durch das Urheberrecht geschützt, wie auch Musikstücke oder Zeitungsartikel. Deshalb darf man ein neues Programm schreiben, das genauso funktioniert wie ein altes - wäre das alte Programm patentiert, wäre das verboten.

Doch ganz so einfach ist die Lage nicht. Wenn es auf Software nämlich gar keine Patente gäbe, wäre zum Beispiel auch das Anti-Blockier-System nicht patentierbar gewesen. Denn beim ABS steuert ein Computer-Chip die Bremsen so, dass sie nicht blockieren.

Der Fortschrittsbalken ist patentiert

Deshalb gibt es im EPÜ eine Einschränkung: Nur Software "als solche" ist von der Patentierung ausgeschlossen. Sobald eine Erfindung ein Computerprogramm mit Technik kombiniert, kann das Patentamt dem Antrag zustimmen. Rund 20.000 derartige Patente hat allein das Europäische Patentamt bisher erteilt.

"Man kann natürlich darüber streiten, was Technik ist", sagt Jörg Machek, Direktor beim Europäischen Patentamt. Besonders sein Amt hat in den vergangenen Jahren einige sehr umstrittene Patente erteilt.

So hält zum Beispiel Microsoft ein Patent darauf, dass Anwender von Textverarbeitungs-Programmen mehrere Eingaben rückgängig machen können ("Undo"). Und IBM hat eine weitere verbreitete Erfindung patentiert: den Fortschrittsbalken, den viele Programme nutzen, um anzuzeigen, wie weit sie mit ihrer Arbeit sind.

"Das erschließt sich dem Laien nicht sofort", sagt Machek. "Die Patentgewährung folgt nicht dem gesunden Menschenverstand." Auch Experten streiten sich oft darum, wann ein Programm einen "technischen Beitrag" hat - und wie man den "Technik"-Begriff in Worte fassen kann.

Also bleibt die Frage den Gerichten überlassen. Die entscheiden allerdings nicht in allen Staaten einheitlich. Darum gewährt zum Beispiel das Europäische Patentamt ein Patent eher als das britische.

Das störte den europäischen Unternehmens-Verband UNICE, den deutschen IT-Branchenverband Bitkom und die Business Software Alliance (BSA), in der sich große Software-Unternehmen wie IBM, Microsoft und Apple zusammengeschlossen haben.

Darum schlug die Europäische Kommission im Februar eine Richtlinie vor, mit der sie nach eigenen Angaben die Rechtslage vereinheitlichen wollte. Sie schrieb: "[Ein] ,technischer Beitrag' ist ein Beitrag zum Stand der Technik auf einem Gebiet der Technik, der für eine fachkundige Person nicht nahe liegend ist."

Die Linux-Gemeinde schrie auf. Viele kleine Unternehmen ebenfalls.

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