Software für Sportler:Heute schon 'nen Blauwal gestemmt?

Fitnessstudio

Nicht nur kurz nach Neujahr mal pumpen gehen, sondern das ganze Jahr durchhalten: Neue Technik macht’s möglich.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Die neuen Trends bei Fitnessgeräten sollen Nutzer spielerisch zu langfristigem Training motivieren. Deren Daten sind auch für Versicherer interessant.

Von Katharina Prechtl

Mit den besten Vorsätzen melden sich im Januar viele Neumitglieder in Fitnessstudios an. Wenige Wochen später sind die Stammgäste an Hantelbank und Stepper wieder unter sich. Wie nur lässt sich dieser Zyklus durchbrechen, und wie kann man Menschen, die ja eigentlich Sport machen wollen, langfristig motivieren? Optimale Nutzung von Daten, digital vernetzte Geräte und Gamification, also spielerische Elemente in der Trainingssteuerung, das sind die aktuellen Hoffnungsträger von Studio-Inhabern und Geräteherstellern.

Statt einfach Übung für Übung abzuarbeiten, können Sportler im Studio wie bei einem Computerspiel auf die Jagd nach Plaketten in ihrer App gehen. Das Konzept dahinter, Gamification, erinnert an das Levelsystem von Computer-Spielen. Jeder kann sich damit eine eigene Trophäen-Sammlung aufbauen. Das bisher im Training gestemmte Gewicht wird dann etwa als Blauwal dargestellt. Auch der Vergleich mit anderen soll anspornen. Jeden Monat können Mitglieder in Ranglisten ihrer Studios wetteifern. Sogar weltweit kann man sich in seiner Altersklasse vergleichen. Vor allem für Männer zwischen 30 und 40 ein wichtiger Anreiz, sagt Simon Heinz, der beim Gerätehersteller Milon für die Softwareentwicklung verantwortlich ist.

Der zweite Aspekt von Gamification sind spielerische Elemente auf den Bildschirmen der Fitnessgeräte. Statt "Rücken gerade", "gleichmäßig ziehen" und "halten", heißt es bei Milon nur noch: "Fang den Ball!" Mit einem weißen Ring, der die Bewegung des eigenen Körpers abbildet, soll der Trainierende möglichst genau auf einem blauen Punkt bleiben, der die optimale Bewegung darstellt. Wird die Übung sauber ausgeführt, sprüht der blaue Punkt zur Belohnung glitzernde Punkte. Beim zweiten großen deutschen Hersteller für digitale Fitnessgeräte, dem Münchner Start-up Egym, sammeln Trainierende Punkte ein, wenn sie sich im richtigen Bewegungsbereich und mit der korrekten Geschwindigkeit bewegen.

Beide Hersteller haben jeweils ein Cloud-System entwickelt, das Trainingsdaten der Mitglieder von verschiedenen Geräten verwaltet. Wer etwa eine Wanderung unternimmt, kann die zusätzliche Bewegung über ein Fitnessarmband ebenfalls zu seinem Trainingsfortschritt hinzufügen. Im Studio stellen die digitalisierten Geräte Widerstände und Höhen automatisch für den Trainierenden ein. Ein Komfort, den Studiomitglieder gerne nutzen, das digitale Fitnessstudio kommt gut an. In den Studios von Melanie und Michael Niedermeier im Raum Ulm haben die Kunden die Wahl: Entweder sie trainieren im Basiszirkel zu einem günstigeren Tarif oder im digital vernetzen Zirkel mit App - für einen Aufpreis. "Die allermeisten wollen schon lieber an den digitalen Geräten trainieren", sagen die beiden Studio-Betreiber.

Die Entwickler sehen in den Daten noch mehr Potenzial für die Zukunft. Simon Heinz hält eine Zusammenarbeit mit Krankenkassen für möglich. Diese könnten ihren Mitgliedern die Nutzung eines Fitnessstudios mitfinanzieren und sich anhand der Daten belegen lassen, dass das Mitglied dort auch tatsächlich trainiert. Es wäre eine riesige Finanzspritze für die Fitnessbranche. Die derzeitige rechtliche Lage verbietet allerdings, dass gesetzliche Krankenkassen Mitgliedsbeiträge direkt übernehmen. Auch extra Fitness-Tarife, die günstigere Konditionen gegen ein individuelles Gesundheitsmonitoring bieten, sind nach Aussage des Verbands der Privaten Krankenversicherungen (PKV) nicht möglich. Allerdings sind in vielen Tarifen von Privaten Krankenkassen bereits Beitragsrückerstattungsprogramme als Anreiz für gesundheitsbewusstes Verhalten enthalten. Seit 2016 bietet die Generali, die nicht Mitglied des PKV ist, einen Vitality Tarif in Verbindung mit einer Berufs-/Erwerbsunfähigkeitsversicherung, Schwere-Krankheiten-Versicherung oder Risikolebensversicherung an. Für im Alltag gesammelte Aktivitätspunkte erhalten Versicherte dort Beitragsvergünstigungen und Rabatte bei Partnern, darunter auch eine Fitnessstudio-Kette.

Mittlerweile Standard in den meisten Studios ist ein personalisierter Trainingsplan für jedes Mitglied. Der nächste Schritt für die Entwickler heißt daher nun: "weg vom starren Trainingsplan", so Simon Heinz. In Studios mit vernetzten Geräten fließen die Daten sämtlicher verfügbarer Fitnessgadgets in die Trainingspläne ein. Alle verfügbaren Daten sollen nun genutzt werden, um die Tagesform der Nutzer zu bestimmen. Was ein geschulter und einfühlsamer persönlicher Trainer möglichst aus dem Small Talk vor dem Training heraushören kann, soll nun durch Daten kostengünstig für alle möglich gemacht werden. Zeigen die Körperdaten, dass der Sportler keine gute Tagesform hat, passen die Geräte das Training an. So sollen Fehl- und Überbelastungen reduziert werden.

Wer fleißig ist und jeden Tag an fünf verschiedenen Geräten durchschnittlich 40 Kilo mit zehn Wiederholungen stemmt, kann dann schon nach zehn Wochen von sich behaupten, das Gewicht eines Blauwals bewegt zu haben.

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