Söldner im Irak:Für 10.000 Dollar in die Hölle

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Private Militärfirmen profitieren von Kriegen und Krisen im Mittleren Osten — und finden immer neue Rekruten unter den Arbeitslosen Amerikas. Denn wo der Tod lauert, können Söldner viel Geld machen.

Von Andreas Oldag

Kevin Snider wäre ein würdiger Nachfolger für den Terminator, der seine Filmkarriere an den Nagel gehängt hat und Gouverneur von Kalifornien geworden ist. "Leinwand-Helden wie Arnold Schwarzenegger sind nicht meine Sache. Bei mir geht's realer zu", sagt Zwei-Meter-Mann Snider.

US-Zivilverwalter Paul Bremer (Mitte hinten) wird von einem Söldner geschützt. (Foto: Foto: AP)

Der Bilderbuch-Söldner

Seine kantigen Gesichtszüge zucken ein wenig. Die Haare sind stoppelkurz geschnitten. Unter seinem T-Shirt verbergen sich ansehnliche Muskelpakete. Der 37-Jährige spricht einen breiten Südstaatenakzent. Doch seine Heimat im US-Bundesstaat Alabama hat er schon lange verlassen. Mehr als zehn Jahre diente Snider bei der US-Army.

Stationierung in Fort Stewart und Fort Benning, Ausbildung als Elitekämpfer, Einsatz im ersten Golfkrieg 1990. Für Snider war das Militär eine zweite Heimat, eine Art Familienersatz. Dann sei er allerdings eines Tages für seine Vorgesetzten zu alt gewesen - für diese "dekorierten Bürokraten aus der Vietnam-Kriegs-Zeit", wie sie Snider verächtlich nennt.

Nun hockt er in einem Pub am New Yorker Broadway und wartet auf einen neuen Job. Hastig kippt sich Snider ein Glas Bier in die Kehle. "Irak könnte mich reizen", sagt der Waffen-Fan. Snider will sich bei einer Militärfirma bewerben, um "so richtig Geld zu verdienen".

Der durchtrainierte Sportler ist der ideale Kandidat für eine Branche, die in den vergangenen Jahren traumhafte Wachstumsraten erzielte. Sie bietet krisensichere Jobs, weil sie von den Krisen profitiert: Private Militärfirmen schützen Politiker, spüren Terroristen auf, entschärfen Bomben und bewachen Kraftwerke und Flughäfen.

100 Milliarden Dollar Umsatz

Sie sind präsent an den "Hotspots" der Erde — vom Kosovo über Afghanistan und den Irak bis nach Haiti. Amerikanische Unternehmen trainieren in geheimer Mission befreundete ausländische Truppen und sind an Razzien gegen kolumbianische Drogenschmuggler beteiligt - ein wahrhaft globales Geschäft. Weltweit macht die Branche mit etwa 100 Unternehmen mehr als 100 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr. Die Großen am US-Markt heißen MPRI, Blackwater Security, Dyncorp International, ArmorGroup und Kroll Security International.

Der Irak-Krieg sorgt für Hochkonjunktur. Und das Angebot der Militärfirmen kommt für US-Präsident George W. Bush zur rechten Zeit: Täglich wird die Zahl der gefallenen US-Soldaten größer. Im Jahr zwei des Irak-Abenteuers macht sich unter den Amerikanern Kriegsmüdigkeit breit.

Bush muss um seine Wiederwahl im November zittern. Meinungsumfragen zufolge unterstützen nur noch 40 Prozent der Amerikaner den Kriegskurs ihres Präsidenten. Viele fühlen sich getäuscht, nachdem sich die Suche nach Massenvernichtungswaffen in der Wüste als Flop erwiesen hat. "Jeder tote Marine, der in einem Plastiksack zurück kommt, weckt böse Erinnerungen an den Vietnam-Krieg", sagt ein Diplomat in Washington.

Der Tod gehört dazu

Kein Zufall, dass das Pentagon verstärkt auf Militärdienstleister setzt. Sie arbeiten im Windschatten der Politik. Die Regierung muss sich in der Öffentlichkeit weit weniger rechtfertigen. Die Legionäre der Private Military Companies (PMC) wissen, dass der Tod zu ihrem Berufsrisiko gehört. Vier bewaffnete Angestellte der Firma Blackwater Security gerieten vor kurzem im irakischen Falludscha in einen Hinterhalt. Die verbrannten Leichen der Amerikaner hingen an den Eisenträgern einer Brücke. Ein johlender Mob tanzte durch die Straßen.

Blackwater Security mit Sitz im US-Bundesstaat North Carolina ist einer der größten Auftragnehmer der US-Regierung im Irak. Die Firma, die von dem ehemaligen Elitesoldaten der Navy-Seal-Truppe Gary Jackson gegründet wurde, stellt die Leibwächter von US-Zivilverwalter Paul Bremer ebenso wie Spezialisten für den Schutz von Lebensmittelkonvois und die Entschärfung von Sprengsätzen. Konkurrent Dyncorp mit Sitz im US-Bundesstaat Virginia übernahm die Ausbildung der irakischen Polizei. Britische Firmen wie Erinys und Control Risk bewachen Ölanlagen und sichern Geldtransporte.

Die Koalition des Geldverdienens

"Im Irak sitzt eine internationale Koalition des Geldverdienens", sagt Militärforscher Peter Singer von der Brookings Institution in Washington — in Anspielung auf Bushs Worte von der "Koalition der Willigen". So werden wohl auch schreckliche Ereignisse wie die Lynchmorde von Falludscha den Boom der Branche kaum stoppen. Die hohen Gehälter locken. Schwer bewaffnete Personenschützer verdienen im Irak zwischen 10.000 und 15.000 Dollar monatlich.

Angeworben werden vor allem ehemalige Elitekämpfer der US-Rangers Green Berets und Special Forces. Aber auch Ghurkas aus Nepal, Südafrikaner, Russen und Ukrainer verdingen sich als moderne Söldner. In den Chefetagen der Militärfirmen befehlen ehemalige Offiziere über die "Schatten-Soldaten", wie sie die New York Times nannte. Mittlerweile sind die privaten Schutzleute mit 20.000 Mann im Irak zur zweitgrößten Besatzungstruppe, noch vor den Briten, aufgestiegen.

Die US-Armee hat 130.000 Soldaten im Land zwischen Euphrat und Tigris stationiert. Für Washington sei es billiger, private Firmen statt der Armee für bestimmte Aufgaben anzuheuern, erklärt Lawrence Korb, früherer Berater im Verteidigungsministerium. "Am Ende der Mission beenden die Zivilisten ihren Vertrag und das ist alles", sagt Korb. Begriffe aus der modernen Unternehmensführung wie "Outsourcing" und "Lean Management" haben Einzug gehalten in den bürokratischen Apparat des Pentagons. Die Armee solle nur noch das machen, was sie am besten kann. Nämlich kämpfen, postulierte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.

Kampf in der Grauzone

Doch nicht immer verhalten sich die Militärfirmen so, wie es sich die Politiker wünschen. Schon häufiger waren die Söldner in Machenschaften der Geheimdienste verwickelt. In den neunziger Jahren bildete MPRI im jugoslawischen Bürgerkrieg die kroatische Armee aus, die serbische Zivilisten vertrieb oder tötete.

Juristisch gesehen agieren die Privat-Kämpfer in einer Grauzone. Sie sollen zwar nach dem Willen der amerikanischen Regierung nicht an Kriegshandlungen teilnehmen. Doch meistens ist es, wie die bürgerkriegsähnliche Situation im Irak zeigt, kaum möglich, zwischen Kampfzonen und friedlichen Gebieten zu unterscheiden.

Werden Mitarbeiter der Militärfirmen aber in Kämpfe verwickelt, so fallen sie nicht unter die Schutz-Vorschriften der Genfer Konvention, zum Beispiel bei Gefangennahme. "Die Delegierung von Aufgaben der Armee an private Vertragsnehmer gibt zu ernsthaften Fragen Anlass", schrieb der demokratische US-Senator Jack Reed und Vorsitzende des Streitkräfteausschusses in einem Brief an Verteidigungsminister Rumsfeld.

Cowboy-Image unerwünscht

Kein Wunder, dass die Branche bemüht ist, ihr Cowboy-Image abzustreifen. Mit romantischen Kriegsabenteuern habe das Geschäft nichts zu tun, versichert Christoph Beese, Direktor der ArmorGroup, die im Irak 800 Mitarbeiter hat. "Unsere Leute wollen weder Medaillen noch glorreiche Siege einheimsen", meint der Manager. Es gehe schlicht um einen anspruchsvollen Job. Kandidaten, die bei ihm anheuerten, durchliefen nicht umsonst ein strenges Auswahlverfahren.

Blackwater Security hat ein mehrere Hektar großes Trainingsgelände in North Carolina. Dort gibt es Schießstände und Attrappen von Dörfern, wo die Legionäre in spe im Häuserkampf ausgebildet werden. Um Kritiker abzuwehren, investieren die privaten Militärfirmen erhebliche Summen in politisches Lobbying.

Intensive Lobbyarbeit

Sie pflegen enge Beziehungen zu Politikern, unterstützen Wahlkampfkampagnen und finanzieren Public-Relations-Aktionen. Nach Presseberichten haben die zehn größten US-Militärfirmen im vergangenen Jahr zusammen mehr als 30 Millionen Dollar für politische Werbekampagnen locker gemacht.

Für Kevin Snider sind die politischen Verwicklungen in Washington nicht wichtig. "Im Irak müssen die USA für Frieden sorgen. Wenn das die Armee nicht allein schafft, müssen private Firmen einspringen", meint er. Zwar seien ihm beim Anblick der Bilder von Falludscha Zweifel gekommen. Und auch Snider sagt: "Ich möchte nicht als verbrannte Leiche an einer Brücke hängen", ehe er hastig noch ein Glas Bier trinkt. "Aber ich habe noch weniger Lust, als Türsteher für eine Diskothek in New York zu arbeiten.", sagt er. Da bringt ihm seine Körperkraft im Irak schließlich mehr Geld ein.

© SZ vom 24.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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