Debatte um Verkehrswende:Niedersachsens Ministerpräsident gegen Ausstiegstermin für Verbrenner

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Beim Automobilzulieferer MDC Power werden Benzinmotoren für Mercedes montiert. Wie viel Zukunft bleibt der Technologie? (Foto: dpa)

Der Widerstand gegen diesel- und benzinbetriebene Autos wächst - sogar in der CSU. Doch nicht alle wollen sich wie Markus Söder ein Beispiel an Kalifornien nehmen.

Von Michael Bauchmüller und Nico Fried, Berlin

Erst kam Kalifornien, dann Markus Söder. Beim virtuellen Parteitag der CSU hat sich am Samstag auch deren Parteichef Söder vorsichtig von Benzin und Diesel distanziert. Für einen Abschied scheine ihm 2035 "ein sehr gutes Datum zu sein", sagte er - jenes Jahr, von dem an Kalifornien neue Autos mit Verbrennungsmotor nicht mehr zulassen will. So könne man zeigen, "wann das fossile Zeitalter bei uns zu Ende geht", warb Söder.

So nimmt die Debatte um eine Mobilität jenseits des Erdöls weiter Fahrt auf. Am Sonntag meldete sich auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) zu Wort. "Was wir jetzt brauchen, sind attraktive Alternativen für Autos mit Verbrennungsmotoren", sagte Schulze der Süddeutschen Zeitung. Schon deshalb habe die Bundesregierung mit dem Konjunkturpaket den Umstieg vom Verbrenner auf die Elektromobilität noch einmal stark unterstützt. Eine Unterstützung für Verbrenner aus Steuermitteln sei dagegen "nicht der richtige Weg". Zu konkreten Daten, an denen der letzte Verbrenner in Deutschland zugelassen wird, sagte die Ministerin allerdings nichts.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hält offenbar wenig von fixen Abschiedsterminen. Schon jetzt stehe fest, dass das laufende Jahrzehnt den Durchbruch für die Elektromobilität bringen werde, sagte er der SZ. "Wie schnell in den Folgejahren ein Ausstieg aus den Verbrennungsmotoren möglich ist, hängt aber von den Rahmenbedingungen ab." Dazu zähle auch die Verfügbarkeit erneuerbaren Stroms, denn "auf Kohle-Basis nützt das schönste Elektro-Auto nichts". Obendrein blieben die Batteriezellen der "derzeit größte Engpass". Nötig sei deshalb ein "Ausbauplan für die Elektromobilität", als Alternative zum Verbrenner. "Je besser ein solcher Plan ist, desto schneller kann auch der Abschied von Benzin und Diesel erfolgen", sagte Weil, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt.

Vorige Woche hatte Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom verkündet, dass in dem US-Bundesstaat von 2035 an keine neuen Verbrenner-Autos mehr zugelassen werden dürfen. Dies sei "der wirkungsvollste Schritt, den unser Bundesstaat im Kampf gegen den Klimawandel gehen kann", sagte er. Der Schritt sorgte weltweit für Aufsehen, der bevölkerungsreichste Bundesstaat gilt als wichtiger Markt für die Autoindustrie.

Auch Söder bezog sich in seiner Parteitagsrede auf den Vorstoß Kaliforniens, allerdings ließ er eine Hintertür offen. Wohl nicht von ungefähr sprach er von "fossilen Verbrennern" und würdigte ausdrücklich die Rolle von Biokraftstoffen. In dieser Logik könnten auch nach 2035 noch Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden - nur dürften sie dann keine fossilen Kraftstoffe mehr tanken. Technologisch würden sie sich vom gängigen Verbrenner aber kaum unterscheiden.

Der größere Druck auf die deutschen Hersteller dürfte aus Brüssel kommen

Dennoch begrüßten die Grünen überschwänglich den "erfreulichen Sinneswandel" Söders. "Das ist ein Erkenntnisgewinn, den wir kaum mehr erwartet hätten", sagte Fraktionsvize Oliver Krischer. "Hoffentlich ist das nicht nur eine seiner Shownummern." Schließlich sei es "absurd, das Ende des Verbrennungsmotors, aber gleichzeitig noch Kaufprämien für neue zu fordern".

Der größere Druck auf die deutschen Hersteller dürfte aber aus Brüssel kommen. Denn wenn Europas Klimaziel für 2030 tatsächlich angehoben wird - von bislang 40 Prozent Treibhausgasminderung gegenüber 1990 auf "mindestens" 55 Prozent - dann dürfte das auch die Autohersteller betreffen. Ihre Neuwagenflotten müssen Durchschnittswerte an CO₂ einhalten; andernfalls drohen empfindliche Strafen. Zwischen 2021 und 2030 hatten die Grenzwerte ursprünglich noch einmal um 37,5 Prozent strenger werden sollen. Doch neue Vorschläge der EU-Kommission sehen nun eine Halbierung vor. Das lässt sich nur erreichen, wenn immer mehr Elektroautos die Verbrenner ersetzen. Man komme da, sagt Umweltministerin Schulze, "wirklich mit Riesenschritten voran". Und das nicht zuletzt wegen jener EU-Standards, "die wir möglicherweise noch einmal anschärfen werden".

© SZ vom 28.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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