Tech-Konzerne:Wenn das Geschäftsmodell das Problem ist

House Committees Confront Tech CEOs Over Online Spread Of False Info

Nur digital: Facebook-Gründer und -Chef Mark Zuckerberg musste sich am Donnerstag den Frage von Abgeordneten stellen.

(Foto: Daniel Acker/Bloomberg)

Die Chefs von Twitter, Facebook und Google müssen vor dem US-Kongress erscheinen - die Kritik an ihrem Geschäftsgebaren ist scharf.

Von Jannis Brühl, München

Es ist mal wieder ganz große Konferenz. Per Video wurden im US-Kongress die Chefs der großen Social-Media-Konzerne zugeschaltet, Mark Zuckerberg (Facebook) ist allein seit Juli zum vierten Mal vorgeladen, Sundar Pichai (Youtube/Google) und Jack Dorsey (Twitter) zum dritten. Donnerstagabend fand die Anhörung im Energie- und Handelsministerium des Repräsentantenhauses statt, in der die Manager sich dafür rechtfertigen sollen, warum Amerika verrückt spielt. Die US-Abgeordneten haben die drei Firmenchefs scharf für deren Umgang mit Extremismus und Falschinformationen auf ihren Plattformen kritisiert. Beim ersten Auftritt der Vorstandschefs seit dem Sturm auf das Kapitol Anfang Januar sagte der Demokrat Mike Doyle: "Dieser Angriff und die Bewegung, der ihn motiviert hat, begann und wurde von Euren Plattformen genährt." Sein Parteikollege Frank Pallone, der dem die Anhörung organisierenden Energie- und Handelsausschuss vorsteht, warnte: "Eurer Geschäftsmodell ist zum Problem geworden. Die Zeit der Selbstregulierung ist vorbei." Die Unternehmen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Der Streit über Desinformation berührt jedoch ein tieferliegendes Problem, ja das Fundament des Internets, wie es heute ist. Es geht um Section 230, eine Gesetzespassage von 1996. Sie befreit Online-Plattformen von rechtlicher Verantwortung für die Beiträge ihrer Nutzer. Eine Art Immunität, die Webseiten mit Redakteuren nicht genießen. Dass die Unternehmen heute globale Durchlauferhitzer für, sagen wir mal, Fotos feststeckender Schiffe im Suez-Kanal oder Witze über die gekippte "Osterruhe" sind, ist vor allem dieser Regel geschuldet. Aber was ist mit illegalen Inhalten und allem, was eine Gesellschaft sonst noch verwerflich findet? Weil die Plattformen mit dem Löschen nicht hinterherkommen, will US-Präsident Joe Biden Section 230 abschaffen.

Das Interessanteste an der Anhörung ist dabei die Vorab-Stellungnahme Zuckerbergs: "Statt Immunität zu bekommen, sollten Plattformen demonstrieren müssen, dass sie Systeme installiert haben, um illegale Inhalte zu identifizieren und zu entfernen." Derart explizit hat der Herr über die großen Netzwerke Facebook und Instagram das Ende der Section 230 noch nie gefordert. Die beiden anderen Geladenen wollen Section 230 behalten. Pichai argumentiert, Unternehmen müssten Nutzern nur klarer kommunizieren, was sie warum löschen und wie diese Einspruch einlegen können. Dorsey setzt auf aufgeklärte Twitter-Nutzer, die im Schwarm Lügen mit Warnhinweisen versehen. Nur Zuckerberg scheint also die Verantwortung übernehmen zu wollen. Der Witz dabei: Facebook gehört zu den ganz wenigen Unternehmen, die Kontrollsysteme, wie er sie fordert, bauen und betreiben können. Was es braucht, um ein hochskaliertes Netzwerk mit Milliarden Interaktionen am Tag zu überwachen, schildert er in derselben Stellungnahme: 35 000 Menschen arbeiten demnach an Facebooks "Sicherheit", moderne - und teure - Software filtert Unerwünschtes heraus. Auf die konkrete Kritik der Abgeordneten ging Zuckerberg nicht direkt ein, sondern wich aus.

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