Süddeutsche Zeitung

Social Media:Twitter-Chef Dick Costolo tritt zurück

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Von Johannes Kuhn, San Francisco

Als Twitter-Chef Dick Costolo der Belegschaft seinen Rückzug eröffnet hatte, gab es stehende Ovationen. An den Mitarbeitern, die seine offene Art auch in den vergangenen Monaten schätzten, ist der Twitter-Chef nicht gescheitert.

Wen Costolo zuletzt immer weniger überzeugte, waren die Aktionäre und Investoren. Nun wurde der Druck zu groß, am 1. Juli muss der ehemalige Comedian den Chefsessel nach fünf Jahren räumen und in den Aufsichtsrat abgeschoben. "Ich freue mich darauf, Twitter weiter zu unterstützen, wie auch immer ich kann", wird Costolo in einer Erklärung zitiert.

Costolos Nachfolger ist ein alter Bekannter, der bereits beim Abschied an seiner Seite saß: Mitgründer Jack Dorsey wird kommissarisch die Geschäfte unternehmen. Dorsey führt auch das Bezahl-Start-Up Square, das nur einen Steinwurf von der Twitter-Zentrale residiert.

Costolo hatte Twitter nach seiner Übernahme 2010 professionalisiert und das werbefinanzierte Geschäftsmodell vorangetrieben. Im Herbst 2013 folgte der Börsengang.

Strategische Unklarheiten, viele Wechsel

Doch obwohl Twitter inzwischen 300 Millionen aktive Nutzer zählt und medial sehr präsent ist, konnte es bislang nicht den Mainstream-Status erreichen, den der Konkurrent Facebook hat. Die Zahl der Karteileichen ist groß, das Wachstum flach, die Umsatzprognose musste im April auf 2,17 bis 2,27 Milliarden Dollar für 2015 nach unten prognostiziert werden. Die Hauptkritik: Außerhalb der Kern-Nutzerschaft versteht niemand den Sinn, Twitter zu nutzen.

Mit der strategischen Unklarheit gingen zahlreiche Wechsel im Management einher, zeitweise wurden namhafte Umbesetzungen fast im Zwei-Wochen-Takt verkündet. Zuletzt hatten Investoren immer deutlicher Kritik geäußert, Frühphasen-Kapitalgeber Chris Sacca hatte jüngst in einem Blogeintrag eigene Strategie-Vorschläge gemacht und damit für Aufsehen gesorgt.

Jack Dorsey, dessen erste Amtszeit als Twitter-CEO von 2007 bis 2008 als chaotisch galt und der am Sturz seines Nachfolgers Ev Williams maßgeblich beteiligt war, wird das Unternehmen nur für eine Zwischenphase führen. "Wir suchen jemanden, der das Produkt bedingungslos liebt und nutzt", erklärte er ein einer Telefonkonferenz mit Journalisten.

In der jüngeren Vergangenheit war Twitter Interesse am Start-Up Flipboard nachgesagt worden. Dessen Chef Mike McCue gilt als kluger Stratege und erfahrener Macher digitaler Produkte. Von 2010 bis 2012 saß er bereits im Twitter-Aufsichtsrat. Umsatz-Manager Adam Bein, Medien-Zarin Katie Jacobs Stanton und Produkt-Chef Kevin Weil wären interne Kandidaten.

Die Twitter-Aktie legte nach der Ankündigung nachbörslich zwischenzeitlich um sieben Prozent zu.

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