Süddeutsche Zeitung

Smoothies:Teuer gewinnt

Bunt, fruchtig - und nicht billig: Der junge Smoothies-Produzent True Fruits schlägt die etablierten Safthersteller dennoch aus dem Feld.

Von Felicitas Wilke

"Bitte nicht erschrecken, das ist keine Kotze, sondern Bananenmus", scherzt Nicolas Lecloux, als er an den Fässern mit dem dunkelgelben Brei vorbeigeht. Ein Lastwagen liefert gerade eine Ladung Äpfel an, in der Abfüllanlage mischen die Maschinen Saft und fruchtige Matschepampe zusammen. Ein paar Schritte weiter rollt der Verkaufsschlager bereits über das Band - knallig pink und verpackt in ein Glasgefäß, das aussieht wie ein Babyfläschchen. Hier in der Nähe von Backnang in der schwäbischen Provinz lässt die Firma True Fruits aus Bonn ihre Smoothies herstellen. 2005 entdeckten Inga Koster und Marco Knauf, zwei BWL-Studenten aus Bonn und Kommilitonen von Lecloux, das Fruchtmischgetränk während ihres Auslandssemesters in Schottland, kurze Zeit später gründeten die drei Studienfreunde True Fruits.

Heute sind sie in Deutschland Marktführer - während manche Wettbewerber ausgestiegen sind.

Sie haben einiges richtig gemacht, die jungen Gründer. Vor allem hatten sie den richtigen Riecher. Smoothies, in den USA und Großbritannien schon seit den 1990er-Jahren Kult, in Deutschland aber damals kaum verbreitet, passen zur mobilen Gesellschaft, in der Menschen wenig Zeit haben und trotzdem nicht nur Fast Food zu sich nehmen wollen. Das Getränk habe es geschafft, Säfte aus der "Mutter-Kind-Ecke" zu holen, findet Lecloux, der bei True Fruits für das Marketing zuständig ist. "Wir zeigen, dass gesunde Ernährung auch cool sein kann", sagt der bärtige Mittdreißiger, der eine Kappe im Hip-Hop-Stil auf dem Kopf trägt. Darauf steht "wiggle", das englische Wort für wackeln. Rapper verwenden den Begriff, um Frauen zum Bewegen ihres Hinterteils zu motivieren. Lecloux schüttelt gerne seine Smoothies.

Als True Fruits 2006 in den Regalen einiger Supermärkte auftauchte, reagierte die Konkurrenz schnell: Chiquita, Valensina, Granini folgten mit eigenen Produkten, ebenso wie die britische Firma Innocent, das Vorbild von True Fruits und heute mit Abstand Marktführer in Europa. Aber auch bis dahin getränkeunerfahrene Unternehmen wollten den Hype nutzen. So brachte Knorr "Vie" auf den Markt, Schwartau lancierte "PurPur" und "Fruit2day".

Einige versuchten es mit günstigen Konzentraten. Das kam nicht gut an

Nicht immer aber ging es dabei ganz so natürlich zu, wie die Firmen es gerne darstellten. Einige Hersteller nutzten anstatt von Direktsäften günstigere Konzentrate, andere reicherten das Getränk mit zusätzlichem Zucker oder Aromen an. Das war womöglich ein Fehler, vermutet Achim Spiller, der an der Universität Göttingen Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte lehrt. "Die Zielgruppe für Smoothies hat sich als anspruchsvoll herausgestellt", sagt Spiller. "Sie hat ein klares Bedürfnis nach transparenten Inhaltsstoffen."

Wer zwar günstig war, aber dieses Bedürfnis nicht befriedigen konnte, verlor seine Marktposition. Wie Zahlen des Marktforschungsinstituts A.C. Nielsen zeigen, büßte beispielsweise Schwartau im Lauf der Jahre massiv an Marktanteil ein, fiel von anfangs knapp 25 Prozent auf zuletzt drei Prozent. Im vergangenen Jahr gab der Konfitürenhersteller sein Smoothie-Geschäft auf, um sich "auf die Kernbereiche" zu fokussieren, wie eine Sprecherin mitteilt. Auch Knorr, Granini und Valensina stellen heute keine Smoothies mehr her. Nicht immer aber waren es die Inhaltsstoffe, die für Einbußen sorgten. Die Smoothies von Chiquita, die bei einem Abfüller in Bayern als Lizenzprodukt hergestellt werden, versuchten nach einigen Strategiewechseln und einer missglückten Zusammenarbeit mit Danone die Flucht nach vorn und stellten auf Biofrüchte um. Die Folge war ein deutlich höherer Verkaufspreis. Von den einst mehr als 50 Prozent Marktanteil für Chiquita sind heute nur noch sechs Prozent übrig. "Preisschwankungen sorgen dafür, dass Kunden das Produkt nicht mehr richtig einzuschätzen wissen", erklärt Spiller. Neben den Eigenmarken der Supermärkte und Discounter gibt es heute noch zwei große Player auf dem Markt: Innocent, das inzwischen zu 90 Prozent zum Coca-Cola-Konzern gehört, und True Fruits, das Bonner Start-up.

Die bunten Smoothies in der Glasflasche waren schon immer die teuersten im Regal, der Literpreis bewegt sich seit Jahren bei rund acht Euro. "True Fruits hat am konsequentesten auf die Premiumstrategie gesetzt", stellt Marketingexperte Spiller fest. Oder, wie Gründer Lecloux sagt: "Wir sind nicht billig, aber wir haben ein geiles Produkt." Den hohen Preis rechtfertigt er damit, qualitativ hochwertige Fruchtsorten auszuwählen und auch teures und ausgefallenes Obst zu verwenden, wie Guanábana oder die pinke Drachenfrucht im gleichfarbigen Smoothie.

Für 2015 rechnet das Unternehmen mit einem Umsatz von 30 Millionen Euro, das wäre mehr als zweieinhalbmal so viel wie im vergangenen Jahr. Es spielt der Bonner Firma in die Karten, schnell auf neue Trends reagiert zu haben. Als vor gut einem Jahr die Grünkohl-Welle aus den USA nach Deutschland schwappte, brachte True Fruits kurzerhand seinen ersten grünen Smoothie auf den Markt: eine eigenwillige Komposition aus Grünkohl, Spinat, Matcha und Früchten. Im Februar schob das Unternehmen die zweite Sorte hinterher, für 2016 ist eine dritte geplant.

"True Fruits hat die Zielgruppe am besten verstanden", findet Spiller. Die scheint auf Offenheit Wert zu legen, nicht nur was die Inhaltsstoffe angeht. Kritischen Fragen nimmt Lecloux den Wind aus den Segeln, indem er ihre Berechtigung gar nicht erst bestreitet. Machen Smoothies nicht dick? "Natürlich enthalten sie Fruchtzucker, aber eben auch Vitamine. Man sollte halt nicht zehn Stück am Tag trinken." Sind selbst gemachte Smoothies nicht noch leckerer? "Klar, aber dafür haben die meisten Menschen nicht jeden Tag Zeit."

True Fruits macht keine Fernsehwerbung und betreibt kein Sponsoring, beim Marketing setzt das Unternehmen auf Mund-zu-Mund-Propaganda, Social-Media-Kanäle und die Verpackung. Die Flaschentexte auf der Glasrückseite textet Lecloux selbst mit und vergleicht den weißen Smoothie wegen der nicht so schicken Optik dort schon mal mit "Frittenfett". Selbstironie - das passt zum starken Selbstbewusstsein der Gründer.

Dazu gehört auch, dass Lecloux zugibt, nicht alle seine Produkte zu lieben. "Den pinken Smoothie kann ich nicht trinken, er schmeckt mir einfach nicht", sagt er. An den eigenwilligen Geschmack der grünen Sorten würde man sich aber schnell gewöhnen. "Das ist so, wie wenn man zum ersten Mal Bier probiert. Am Anfang schmeckt's nicht, aber dann wird's immer besser." Na dann, wohl bekomm's.

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Quelle:
SZ vom 21.10.2015
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