Neue Smartphones:So wollen sich Samsung und Co. von der Masse abheben

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Ein Samsung-Smartphone (Foto: REUTERS)

Um sich im harten Wettbewerb zu profilieren, setzen Handy-Hersteller auf besondere Fähigkeiten wie Laser und hochwertige Kameras. Die haben aber ihren Preis.

Von Helmut Martin-Jung

Ein Smartphone? Hat doch heute jeder. Wer keins hat, dem ist es nicht zu teuer, der will keins. Weil man - wie manche Ältere - damit nicht zurechtkommt. Oder weil man sich nicht zum Sklaven des Bildschirms machen lassen will. Für die Hersteller heißt das: Mit normalen 08/15-Geräten lässt sich kaum noch etwas verdienen, da muss es dann schon die Masse machen. Der bessere Weg ist also, sich von der Masse abzuheben - mit Dingen, die andere nicht oder wenigstens nicht so gut können. Ein Überblick mit einigen Beispielen.

Kamera

Eine der meistgenutzten Fähigkeiten von Smartphones ist die Kamera. Aber was heißt hier "die Kamera". Schlautelefone, die etwas auf sich halten, haben schon lange nicht mehr nur eine hinten, eine vorn. Sie haben ganze Batterien davon. Doch wofür sind die eigentlich gut? Das Nokia 9 Pure View führt das Feld an. Es verfügt auf der Rückseite über fünf kreisförmig angeordnete Kameras, dazu kommt noch ein sogenannter Time-of-flight-Sensor (ToF). Der misst, wie lange ein Lichtstrahl von und zur Kamera braucht, und kann so eine Tiefenkarte anlegen.

Die fünf Kameras haben alle dieselbe Brennweite, entsprechend einem starken Weitwinkel-Objektiv auf einer herkömmlichen Kamera. Drei davon sind schwarz-weiß, zwei zeichnen in Farbe auf. Wozu das wieder gut ist? Nun, Kamerasensoren vertragen keine so großen Hell-dunkel-Unterschiede wie das menschliche Auge. Daher nehmen die Kameras mit unterschiedlichen Einstellungen auf. Die Informationen aller Kameras werden dann pro Bild zusammengerechnet. So erhält man Bilder, die einen höheren Kontrastumfang abbilden können. Und der ToF-Sensor ermöglicht es, Bereiche nachträglich scharf oder unscharf zu stellen.

Auch das neue Spitzenmodell von Huawei, das P30 pro, kommt mit besonderer Kameratechnik. Die Ingenieure haben in das gewohnt flache Smartphone-Gehäuse neben drei normalen Kameras auch ein Tele-Zoom eingebaut, und zwar ohne dass dieses unschön und unpraktisch aus dem Gehäuse ragt. Wie sie das gemacht haben? Das Objektiv wurde quasi liegend eingebaut, das Bild wird über einen Spiegel umgelenkt, ganz schön smart, dieses Phone. Auch das P30 pro hat einen ToF-Sensor für die Tiefenmessung, außerdem wirbt der Hersteller noch mit den besonderen Nachtsicht-Fähigkeiten des Handys. Die sind in der Tat ungewöhnlich gut und im Bereich Handy zurzeit unerreicht.

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Auch Samsung hat seine neuen Spitzengeräte der Galaxy-S-10-Reihe mit sehr guten Kameras ausgestattet - die Kamera ist eben derzeit der wichtigste Grund, sich für eines der teuren Spitzenmodelle zu entscheiden. Wegen des schnelleren Prozessors oder des um einen Tick schärferen Bildschirms müsste man das nicht unbedingt. Das zeigt beispielsweise Samsungs Mittelklasse-Smartphone A50. Es kann im Prinzip alles, was man heute von einem guten Smartphone erwartet, nur die Kamera ist eben nicht von höchster Qualität. Was man im Übrigen immer dann besonders merkt, wenn das Licht weniger wird.

Motorola versucht mit dem Motorola One Vision einen Spagat: Obwohl das Gerät für 300 Euro Listenpreis verkauft wird, kommt es mit Doppelkamera und 48-Megapixel-Sensor. Die vielen Bildpunkte werden genutzt, um die Lichtausbeute zu steigern, die fertigen Bilder haben moderate zwölf Megapixel. Die zweite Kamera dient dazu, Tiefeninformationen zu sammeln. Damit lassen sich dann künstliche Schärfe-Unschärfe-Effekte erzeugen. Hier wie auch ganz allgemein erreicht das Vision nicht die Bildqualität der Spitzenmodelle, die aber auch das Dreifache kosten. Ansonsten allerdings gibt's wenig zu meckern, das schicke 21:9-Format gefällt. Dass der Fingerabdruck-Sensor nicht wie bei Huawei oder Samsung ins Display eingebaut wurde, ist der Tribut an den Preis. Weil Motorola am Android-One-Programm teilnimmt, bekommt das Handy drei Jahre lang Sicherheitsupdates und zwei Jahre lang Updates fürs Betriebssystem - für ein 300-Euro-Handy ist das keineswegs selbstverständlich.

Biometrie

Wenn es ums bequeme und doch sichere Anmelden geht, hat Apple die Nase vorn. Die Gesichtserkennung der X-Modelle ist ausgefeilt und funktioniert auch im Dunkeln. Die Konkurrenz bietet Gesichtserkennung zwar auch an, weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die nicht so sicher ist wie etwa der Fingerabdruck oder ein Passcode. Daher ist es gut, dass es bei ihnen auch die Möglichkeit gibt, das Handy mit einem Fingerabdruck zu entsperren. Bei den teuren Modellen sitzt der Sensor inzwischen im Display und funktioniert per Ultraschall - auch eine gute Möglichkeit.

Blockchain

Zahlen mit dem Handy? Dank NFC-Chip kein Problem mehr, wenn man bei der richtigen Bank ist. Aber Krypto-Geld verwalten? Das geht zum Beispiel mit dem Exodus One von HTC, das die Möglichkeit bietet, auf dem Handy unabhängig vom Betriebssystem eine Blockchain zu betreiben, mit der die Transaktionen abgesichert werden. Und wenn das Handy kaputt geht? Dann gibt es die Möglichkeit der social recovery. Fünf Freunde haben jeder einen Teil des Entsperrschlüssels. Drei davon müssen etwa zur gleichen Zeit einen Knopf drücken, dann ist das Konto wieder zugänglich. Wohl dem, der Freunde hat, die ihn nicht betrügen. Das Modell war immerhin so erfolgreich, dass HTC demnächst ein neues herausbringen will; auch Samsung hat schon etwas Ähnliches im Portfolio.

Senioren-Handys

Der österreichische Anbieter Emporia gehört zu den Marktführern bei Handys für Nutzer, die von der Vielfalt normaler Smartphones überfordert sind. Einsamkeit und Sicherheit, das sind die großen Themen bei Senioren. Sind Kinder und Enkel über Whatsapp am besten zu erreichen, wollen sie das auch, brauchen dabei aber Hilfe. Emporia bietet eine App, die sich sozusagen über das ganze Smartphone ausbreitet und eine einfache Oberfläche mit nur wenigen Wahlmöglichkeiten anzeigt. Für 25 Euro liefert Emporia auch ein Buch mit, das alle Funktionen erklärt. Auch im Programm: Eine Schutzhülle für das Samsung Smartphone A6, die auch einen Stift enthält, für 50 Euro. Tastentelefone dagegen sind immer weniger gefragt.

Wärmebild, Laser

Entfernungsmessung mit einem Laser, Wärmebilder direkt aus der Smartphone-Kamera - der Normalanwender braucht dergleichen nicht, bei Baufachleuten sieht das schon anders aus. Dass das Handy von Caterpillar, das das alles kann, auch noch sehr robust ist, versteht sich bei der Zielgruppe fast von selbst. Der verbaute Hauptchip ist nicht gerade ein besonderer Renner, aber das spielt hier keine wichtige Rolle, schnell genug ist es jedenfalls.

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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