Touchscreens haben einen schlechten Ruf - besonders in Zeiten der Coronakrise. Sogar die Techniker Krankenkasse (TK) warnt vor dem Handy als "Bakterienschleuder". In einem kürzlich veröffentlichten Artikel zum Thema digitale Gesundheit heißt es: "Durchschnittlich tippen wir 2 500 Mal pro Tag auf unser Smartphone." Dabei würden jedes Mal Keime, Bakterien und Erreger auf die Oberflächen der Geräte übertragen.
Das Thema ist nicht neu: 2011 berichteten britische Forscher, dass jedes sechste Handy mit Kotresten kontaminiert sei. 2013 schrieb der Digitalverband Bitkom, dass nur jeder Vierte sein Mobiltelefon regelmäßig säubere. Handys könnten Keime übertragen, hieß es weiter. Und der TÜV Rheinland warnte 2015 vor Keimen, Pilzen und Bakterien, die sich zum Teil sogar mehrere Monate bei Raumtemperatur auf dem Display hielten. Der TÜV empfiehlt, die Geräte mit speziellen Hygienereinigern zu säubern.
Angesichts der Coronakrise gibt es zahlreiche Tipps, die sich auf ebensolche Studien berufen und empfehlen, die Smartphones und Tablets nicht nur regelmäßig zu reinigen, sondern auch zu desinfizieren. iPhone-Hersteller Apple hat sogar seine Reinigungsanleitungen dahingehend aktualisiert.
Tatsächlich aber sind solche Empfehlungen zumindest fragwürdig, sagen Hygiene-Experten. "Handys sind viel weniger kontaminiert, als man das denkt", sagt etwa der Mikrobiologe Markus Egert von der Hochschule Furtwangen, der zu Hygiene im Alltag forscht. In einer 2015 veröffentlichten Studie fand er heraus, dass sich auf einem Quadratzentimeter Touchscreen durchschnittlich nur eine Bakterie findet. Viren auf Handys habe er zwar nicht untersucht, "aber auch da ist davon auszugehen, dass das keine Virenschleudern sind", sagt Egert.
Er sähe aktuell "keinen Bedarf" das Smartphone zu desinfizieren, sagt auch der Ärztliche Direktor des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene (BZH), Ernst Tabori. Handys seien in der Regel ein sehr persönlicher Gegenstand und würden nicht weitergereicht. "Das Handy ist das Spiegelbild der eigenen Sauberkeit beziehungsweise Keime." Wichtiger sei daher, die Hände regelmäßig und gründlich zu waschen, sagt Tabori.
Feucht abwischen reicht in den meisten Fällen aus
Eine "gute Händehygiene" empfiehlt auch das Robert Koch-Institut (RKI) in der Antwort auf die Frage, ob die Gefahr bestehe, sich über Oberflächen oder Gegenstände mit dem Coronavirus anzustecken. Die Übertragungsmöglichkeiten über Oberflächen würden von vielen verschiedenen Faktoren abhängen.
Das Bundesinstitut für Riskobewertung (BfR) schreibt dazu in seinem Fragekatalog: Es gebe derzeit keine nachgewiesenen Fälle, in denen sich Menschen durch Kontakt mit kontaminierten Gegenständen mit dem neuartigen Coronavirus oder anderen Coronaviren infiziert hätten. Übertragungen über Oberflächen, die kurz zuvor mit Viren kontaminiert wurden, seien prinzipiell aber "durch Schmierinfektionen denkbar". Die Viren könnten zwei bis drei Tage auf trockenen Oberflächen aus Edelstahl oder Plastik überleben und infektiös bleiben. Trotzdem sieht das BfR "keine Notwendigkeit für gesunde Menschen, im Alltag Desinfektionsmittel anzuwenden".
Mikrobiologe Egert hält es unabhängig von der Corona-Pandemie für sinnvoll, das Smartphone oder Handy hin und wieder zu reinigen. "Es reicht aber völlig aus, das Gerät mit einem dezent feuchten Tuch oder Brillenputztuch abzuwischen", sagt er. Dadurch würden die meisten Fettreste und Mikroorganismen vom Touchscreen entfernt. Auch das "unbewusste, mechanische Abwischen" an der Hose oder am T-Shirt helfe im alltäglichen Gebrauch, das Handy sauber zu halten. Nur wer in einem klinischen Umfeld arbeite und sein Gerät dorthin mitnehme, müsse sein Smartphone oder Tablet darüber hinaus reinigen und desinfizieren.
Das iPhone - so wie Apple es empfiehlt - mit einem von Desinfektionsmittel befeuchteten Tuch abzuwischen, könne man, um das Gewissen zu beruhigen. Es sei aber absolut nicht nötig, sagen sowohl BZH-Chef Tabori als auch Egert. Er ergänzt: "Es tut dem Handy nicht gut und zeigt allenfalls, wie robust Apple-Geräte sind." Ansonsten gelte beim Umgang mit Smartphones und Tablets wie auch in vielen anderen Lebensbereichen während der Coronakrise: Händewaschen, Händewaschen, Händewaschen.
Anmerkung: Das RKI hat seine "Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus" nach Veröffentlichung des Artikels am 18.3. geändert. Darin heißt es jetzt nicht mehr, dass eine Übertragung über unbelebte Oberflächen bisher undokumentiert sei. Wir haben den Text entsprechend angepasst.