Smartes Heim:Das große Geschäft 

Überwachungskameras am Kieler Landtag

Sicherheit im Blick: Überwachungskameras in Kiel.

(Foto: Carsten Rehder/dpa)

Die Digitalisierung des Lebensraums ist einer der Megatrends der kommenden Jahre. Daran wollen auch die Versicherer verdienen. Die Allianz tut sich mit Panasonic zusammen, um Sicherheitssysteme zu verkaufen.

Von Herbert Fromme, Berlin

Das vernetzte Haus macht das Licht aus, wenn die Bewohner ausgehen, regelt die Heizung nach unten, wenn niemand da ist, und überwacht Türen, Fenster und Wasserleitungen. Der Kühlschrank bestellt Lebensmittel, das Musiksystem stimmt sich mit der Anlage im PKW ab.

Die Digitalisierung des Wohnraums ist einer der Megatrends der kommenden Jahrzehnte, ähnlich wie der hin zu automatischen und halbautomatischen Autos und der digitalen Revolution im Gesundheitswesen. Google, Apple, die Energiewirtschaft, Telefonhersteller - alle arbeiten an Systemen und Standards für das Smart Home, das kluge Heim, wie es im Marketingjargon heißt.

Verdienen an digitaler Wohnung und Haus wollen auch die Versicherer. Und sie wollen bei der Entwicklung dabei sein. Denn die Gefahr besteht, dass Unternehmen wie Google ihre Erfahrungen aus den digitalen Häusern nutzen und irgendwann selbst Versicherungsschutz anbieten, der dann möglicherweise deutlich billiger ist als der von Allianz und Co. - wenn die Versicherer keinen Zugriff auf die Erfahrungen mit digitalen Wohnungen und Häusern haben und ihre Preise nicht risikogerecht anpassen können.

Die Allianz hat sich daher mit dem japanischen Elektrokonzern Panasonic zusammengetan. Kurz vor der Internationalen Funkausstellung in Berlin besiegelten sie die Zusammenarbeit für ein Sicherheitspaket. Für den Kampfpreis von knapp 50 Euro erwirbt der Kunde eine Reihe von Sensoren für Wasser, Glasbruch, Türen oder Fenster, komplett mit einer Zentrale und einer Sirene. Außerdem muss er zwei Jahre monatlich 9,90 Euro an die Allianz zahlen.

Allerdings gibt es für das Geld keine Versicherung, die bleibt - jedenfalls in der ersten Stufe - völlig außen vor. Das Geld kassiert der Dienstleister Allianz Assist. Er betreibt das Sicherheitssystem hinter den Sensoren. Denn wenn einer anschlägt, weil eine Scheibe zerbirst oder sich Wasser auf dem Badezimmerboden sammelt, und wenn der Bewohner nicht reagiert, benachrichtigt Allianz Assist eine Vertrauensperson. Ist die nicht erreichbar, kann ein Sicherheitsdienst mit der Außenkontrolle beauftragt werden. Der Kunde kann den Zustand seines Heims permanent per App überwachen. Demnächst kann er auch Kameras anschließen.

Zu den Dienstleistungen der Versicherer-Tochter gehören auch die Beauftragung von Handwerkern, wenn es doch zu einem Schaden kommt, und der Schlüsseldienst im Notfall. Höchstens 1500 Euro pro Jahr zahlt das Unternehmen dafür.

Ob das System, das Panasonic als einfach zu installieren anpreist, wirklich eine echte Konkurrenz für Alarmanlagen sein wird, muss sich im Praxistest zeigen. Allerdings zielen die beiden Anbieter gar nicht auf die wohlhabenden Villenbesitzer mit Heimtresor für Schmuck und Uhren, sondern auf junge Leute, die ihre Wohnung schützen wollen, auch wenn keine teuren Wertsachen dort verborgen sind.

Konzernchef Bäte will sich vielversprechende Chancen nicht entgehen lassen

"Es gibt vertrauenswürdige Studien, nach denen um 2018 oder 2020 rund eine Million Haushalte in Deutschland ein solches System im Einsatz haben", sagt Laurent Abadie, Chef von Panasonic Europa. "Wir wollen einen zweistelligen Marktanteil erreichen."

Deutschland ist der erste Markt, in dem die beiden die Vermarktung gemeinsam angehen, erläutert Jacques Richier, Chef von Allianz Worldwide Partners (AWP) und gleichzeitig Chef der Allianz Frankreich. Das Angebot werde zunächst ausschließlich online über eine eigens eingerichtete Webseite verkauft "Wir wollen gerade die Erstkäufer solcher Systeme erreichen, das ist über den Online-Vertrieb am besten möglich", sagt Richier.

In der in Frankreich ansässigen und weltweit aktiven AWP bündelt die Allianz Spezialangebote wie die Zusammenarbeit mit Autokonzernen, die Krankenversicherung für Mitarbeiter im Auslandseinsatz, Assistance-Leistungen und einige technologiegetriebene Entwicklungen.

Die Allianz Deutschland, die ebenfalls alle möglichen digitalen Klimmzüge unternimmt, spielt bei dem Angebot für das sichere Heim keine Rolle. Wo Haus oder Wohnung versichert sind, ist ebenfalls nicht wichtig. "Möglicherweise werden in einer späteren Phase die Dienstleistungen auch über den Außendienst der Allianz angeboten", sagt Richier großzügig.

Das passt zu der Politik von Allianz-Konzernchef Oliver Bäte. Er lässt gerne einzelne Konzernteile vorpreschen, wenn sie vielversprechende Entwicklungen gerade in Richtung Digitalisierung und Kundenfokus zeigen können. Da laufen auch manchmal Töchter direkt gegeneinander.

Die Allianz ist nicht allein beim digitalen Haus. Auch die deutsche Tochter des Versicherers Axa bemüht sich um das Geschäft. Das Unternehmen hat gerade mit dem Energiekonzern RWE eine Vereinbarung geschlossen. Axa und RWE wollen eine Kombination aus Gerätesteuerung und Wohngebäudeversicherung anbieten, die bei Wasserschäden einspringt und Hilfe im Schadenfall verspricht.

Der Energiekonzern bietet ein Steuergerät für Privathaushalte an, das bei Rohrbruch und Leitungs-Undichtigkeit die Wasserzufuhr abriegelt. Das Gerät meldet den Schaden dem Nutzer und gleichzeitig dem Versicherer. Die Axa kümmert sich in Absprache mit dem Kunden um einen Handwerkertermin, um den Schaden schnell zu beseitigen. Leitungswasserschäden gehören zu den größten Problemen der deutschen Versicherer. Mit dem neuen System werden die Schäden zwar nicht ganz vermieden, aber sie werden - wenn sie früh entdeckt werden - sehr viel billiger.

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