"Smart Home":Der Kampf um das intelligente Haus

Versicherer könnten ihren Kunden bald Rabatt gewähren, wenn diese ihr Heim mit Sensoren ausstatten. Doch was passiert mit den Daten?

Von Anna Gentrup, Köln

Die Deckenleuchten reagieren auf Zuruf, die Heizung regelt die Temperatur auf exakt 16 Grad, wenn niemand zu Hause ist. Eine Kamera meldet per App-Nachricht, wenn Einbrecher durch die Terrassentür einsteigen. Bei einem Brand alarmiert der Rauchmelder die Feuerwehr und fährt die Rollläden hoch, damit die Fluchtwege frei sind.

"Smart Home" (kluges Heim) wird diese Technik genannt, und sie gilt als Zukunftsmarkt. Sensoren, Kameras und Apps sollen das Wohnen komfortabler, billiger und sicherer machen und den Anbietern gute Geschäfte einbringen. Nicht nur Energielieferanten, Technik- und Telekommunikationsanbieter buhlen um die Kundschaft. Auch Versicherer wollen am intelligenten Heim mitverdienen. Schon länger setzen sie neben der reinen Risikoabsicherung auf Zusatzdienstleistungen.

Die Assekuranzen wollen zum Helfer im Alltag werden: Du hast einen Wasserrohrbruch? Dein Versicherer organisiert einen Klempner. Einbrecher waren im Haus? Die Gesellschaft schickt nicht nur den Schadenexperten, sondern organisiert auch den Glaser für das eingeschlagene Fenster.

Die Branche ist im Zugzwang. Längst schließen die Kunden Policen nicht mehr nur beim Vermittler oder beim Versicherer ab. Im Autohaus gibt es zum Neuwagen eine Kfz-Versicherung, bei der Reisebuchung im Internet wird dazu die Urlaubs-Police angeboten. Versicherer laufen Gefahr, den Kundenkontakt in ihrem Kerngeschäft zu verlieren. Sie müssen fürchten, bei den intelligenten Haushalten an den Rand gedrängt zu werden, weil andere Branchen vorpreschen. Das wollen die Versicherer unbedingt verhindern.

"Smart Home": Heizung und Licht in der Wohnung lassen sich schon durch eine App steuern - ein Trend, von dem auch Versicherer profitieren wollen.

Heizung und Licht in der Wohnung lassen sich schon durch eine App steuern - ein Trend, von dem auch Versicherer profitieren wollen.

(Foto: Philips)

Mehrere Versicherer wagen sich über Kooperationen in den Heimtechnik-Markt. Die Axa testet derzeit mit RWE ein System, das bei kleinsten Lecks in einem Wasserrohr die Zufuhr stoppt, den Hausbesitzer per App warnt und den Versicherer verständigt, der einen Handwerkertermin koordiniert. Die Allianz-Tochter Global Assistance bietet mit Panasonic ein Paket an, das Smart-Home-Technik mit den Assistance-Leistungen der Allianz verknüpft. Bei Brand, Wasserschaden oder Einbruch warnt das System die Bewohner und alarmiert den Allianz-Notfallservice. Eine vorherige Kooperation mit der Telekom beendete der Versicherer. "Die zwei getesteten Vertriebskanäle haben nicht die erwarteten Ergebnisse erzielt", so eine Sprecherin.

Obwohl nicht jeder Einstiegsversuch gelingt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Versicherer ihren Kunden Rabatte auf die Wohngebäude- und Hausratversicherung gewähren, wenn die ihr Zuhause mit Sicherheitssensoren ausstatten. Für Versicherte hätte die häusliche Nähe zum Versicherer jedoch nicht nur Vorteile. Zwar sorgt die kluge Messtechnik für mehr Sicherheit. Andererseits erhält der Versicherer über Kameras und Sensoren direkten Einblick in das Familienleben der Kunden. Die Systeme liefern rund um die Uhr sensible Daten.

Nest Learning Thermostat

Das "Nest Learning Thermostat" erkennt, wenn niemand zu Hause ist und schaltet sich selbst ab.

(Foto: AP/Ben Margot)

In den USA sind Versicherer schon weiter. Die zu Google gehörende Firma Nest, die Thermostate, Rauchmelder und Überwachungskameras vertreibt, kooperiert mit den US-Versicherern Liberty Mutual und American Family Insurance. Das Prinzip: Der Kunde erhält von seinem Versicherer kostenlos einen internetfähigen Rauchmelder von Nest im Wert von 99 Dollar und spart zusätzlich bis zu fünf Prozent Prämie bei der Wohngebäudeversicherung. Für den Versicherer lohnt sich das, denn Rauchmelder können Personen- und Sachschäden verhindern oder zumindest mildern.

Noch sind in Deutschland nur wenige Haushalte mit smarter Technik ausgestattet. Das dürfte sich bald ändern. Die Unternehmensberatung PwC geht davon aus, dass im Jahr 2030 rund jedes dritte neu gebaute oder renovierte Haus über ein solches System verfügen wird. Das wäre eine Verzehnfachung gegenüber 2015.

Abschreckend wirkt bisher oft der hohe Anschaffungspreis. Eine Systemlösung für ein Einfamilienhaus kostet je nach Umfang 5000 Euro bis 10 000 Euro - oder auch mehr, schreibt PwC. Üblich ist ein Richtwert für echte Smart-Home-Technik von 1000 Euro pro Zimmer. Allerdings bieten manche Anbieter Kampfpreise von unter 100 Euro für ein Anfangspaket, das dann an Abonnements gekoppelt wird. Bei Allianz und Panasonic kostet das größere Startpaket einmalig 49,90 Euro und monatlich 9,90 Euro bei einer Laufzeit von zwei Jahren. Das Set enthält allerdings nur drei Sensoren: für Fenster oder Tür, für Glasbruch und für Wasserschäden.

Ein Hindernis ist auch, dass die Technik oft noch nicht ausgereift ist. Anfang des Jahres ließen die Raumthermostate von Nest die Nutzer wegen eines Softwarefehlers in der Kälte sitzen. Der Hamburger Datenjournalist Marco Maas, der die Technik im Selbstversuch ausprobiert, twitterte kürzlich, seine smarte Küche verstehe die Sprachbefehle "cooking" und "kitchen" nicht - stattdessen höre sie auf den Zuruf "cocaine". Problematisch ist auch, dass nicht alle Angebote kombinierbar sind. Wer sich für ein System entscheidet, kann meist später nur Komponenten hinzufügen, die dasselbe Übertragungssystem nutzen. "Kompatibilität ist ein Riesenthema", sagt Norbert Verweyen, Geschäftsführer von RWE Effizienz. "Wir wollen nicht anfangen, selbst Leuchtmittel oder Waschmaschinen herzustellen, sondern existierende Geräte in unser System einbinden." Dafür sei die Offenlegung der technischen Schnittstellen notwendig. Derzeit sieht er in der Industrie allerdings einen starken Wandel hin zur Offenlegung. Doch unklar ist bislang, was mit der installierten Technik passiert, wenn der Kunde einmal seinen Versicherer wechselt.

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