Slogans:Erst Parole, dann Verpackung

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Bei den Markenämtern gehen immer mehr Anträge für den Slogan "Black Lives Matter" ein.

Von Adrian Lobe, München

Nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd in den USA ging in sozialen Netzwerken der Hashtag #BlackLivesMatter durch die Decke. Auf der ganzen Welt solidarisierten sich Millionen Menschen mit der Protestbewegung. Das Rautezeichen, das es lange vor Twitter schon auf dem Telefon gab, ist zum Einwahlknopf für politische Debatten in sozialen Netzwerken geworden. In den vergangenen Jahren gab es eine ganze Reihe großer Aktionen: #MeToo, #PrayForParis oder #Occupy sind nur einige prominente Beispiele dieses Hashtag-Aktivismus.

Doch nicht nur Aktivisten, auch Firmen springen auf den Zug auf. So haben sich zahlreiche Unternehmen wie Levi's, H&M oder Gap das Motto "Black Lives Matter" als Zeichen der Solidarität angeeignet. Twitter selbst hat auf analogem Wege auf zahlreichen Reklametafeln in den USA für Diversität und Gendergerechtigkeit geworben und Auszüge der Solidaritätsbekundungen plakatiert. Aus #BlackLivesMatter ist eine breite Bewegung geworden.

Einige Unternehmen wittern darin eine Chance: Kaum war das Thema in den Medien, brachte ein kanadischer Eishersteller ein Schokochip-Minz-Eis unter dem Label "Black Lives Matter" auf den Markt. Nach heftigen Protesten wurde das Produkt zurückgezogen. Trotzdem versuchen Unternehmen mit allen Mitteln, von dem Hashtag zu profitieren.

Beim US-Patentamt sind im Juni mehrere Patentanträge für "Black Lives Matter" eingegangen - für Spiele, T-Shirts und Weine. So stellte ein Online-Weinhandel namens Strange Fruit Collection einen Antrag, einen Muskatwein unter dem Namen "BlackLivesMatter" zu patentieren. Zudem soll nach dem Willen des Händlers der Rotwein #SayHerName" als geschützte Marke eingetragen werden. Für den Hashtag "I can't breathe" sind in den USA und Großbritannien ebenfalls Markenanträge gestellt worden - unter anderem für T-Shirts und Atemschutzmasken. Auch beim Deutschen Patent- und Markenamt ist ausweislich der Datenbank eine Markenanmeldung mit dem Namen "Black lives matter" eingegangen - unter anderem für Farben, Lacke und Küchenrollen. Drei weitere Verfahren sind in Prüfung.

Die Frage ist, wem der Hashtag gehört

Die Verwertungsstufen sind im digitalen Kapitalismus beschleunigt: Kaum hat man auf einer Demonstration ein Banner in die Höhe gehalten, landet es auch schon irgendwo auf einer Verpackung. Doch wem gehört eigentlich ein Hashtag?

Grundsätzlich stellt ein Hashtag kein geistiges Eigentum dar. Das Zeichen ist gemeinfrei. Das heißt, jeder kann es nutzen. Seit 2013 können natürliche und juristische Personen bei der zuständigen US-Behörde United States Patent and Trademark Office (USPTO) jedoch Markenschutz für Hashtags beantragen. Dafür stellt sie relativ strenge Kriterien auf: "Eine Marke, die das Hash-Symbol oder den Begriff "hashtag" enthält, ist nur als geschützte Marke registrierbar, wenn sie als Bezeichnung der Quelle des Guts oder der Dienstleistung des Antragstellers fungieren". Generische Begriffe "Mode" oder "Skater" sind nicht vom Markenschutz umfasst. Zu den genehmigten Marken gehören etwa die Werbekampagnen #smilewithacoke von Coca-Cola, #McDstories von McDonald's sowie #makeitcount von Nike.

Der Hashtag ist zu einem wichtigen Instrument des Content Marketings geworden - einer Werbestrategie, bei der unterhaltende oder informierende Inhalte eingesetzt werden, um die Bekanntheit einer Marke zu steigern. So nutzt Nike das Zeichen gezielt, um neue Produktlinien auf Social-Media-Kanälen zu bewerben. Die Fast-Food-Kette Domino's rief vor einigen Jahren ihre Kunden dazu auf, ihre Tweets mit dem Hashtag #letsdolunch zu verschlagworten und versprach dafür Rabatte für Pizzen.

Der Journalist und Kulturwissenschaftler Andreas Bernard argumentiert in seinem Buch "Das Diktat des Hashtags" (2018), dass das Zeichen den Wörtern eine "Warenform" verleihe. Der Hashtag etikettiere das Gesagte und Geteilte und versehe es mit einem Label; das Werbliche sei schon in der Natur des Zeichens angelegt. Insofern verwundert es nicht, wenn Konzerne den Hashtag für PR-Kampagnen vereinnahmen.

Der Markenschutz kann dabei durchaus aggressive Formen annehmen. So hat das Olympische Komitee der USA vor den Sommerspielen in Rio 2016 Schreiben an Unternehmen herausgeschickt, in denen davor gewarnt wurde, offizielle Hashtags wie #TeamUSA oder #Rio2016 zu verwenden. Selbst Slogans wie "Let the Games begin" sind als Warenzeichen geschützt, was die Diskussion über Olympia in sozialen Netzwerken schwierig macht. Zumindest für Unternehmen, die nicht zu den Hauptsponsoren gehören. Der Hashtag, so Bernard in seinem Buch, habe die Grenzen zwischen Kommunikationsmittel und Warenform "spürbar verschoben". Wobei das Sprechen das eine, das Werben das andere ist.

Die Frage ist ja nicht nur, was auf juristischer Ebene einen Hashtag zum Warenzeichen qualifiziert, sondern auch, wie weit die Kommerzialisierung gehen kann. Darf man mit den letzten Worten eines Verstorbenen werben? Darf ein Unternehmen kulturelles Kapital von sozialen Bewegungen, etwa Bücher oder Symbole, anzapfen? Kann es sein, dass Aktivisten von #BlackLivesMatter irgendwann Lizenzgebühren für ihre eigenen Proteste zahlen müssen?

Das französische Patent- und Markenamt hat 2015 den Antrag auf Markenschutz der Solidaritätsbekundungen "Pray For Paris" und "Je suis Paris" abgelehnt, die nach den Anschlägen auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" verbreitet wurden. Zur Begründung hieß es, dass ein Register gegen die öffentliche Ordnung und guten Sitten verstoße. Die Slogans seien keine kommerziellen Marken. Auch wenn die Aussicht auf Profit verlockend ist - das Bestreben einiger Unternehmen, an Wörter ein Preisschild zu kleben, hat dann doch juristische Grenzen.

© SZ vom 17.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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