Süddeutsche Zeitung

Skihersteller:Wenn es am Berg rocken soll

Ein strenger Winter, starke Schneefälle, aufgerüstete Alpen: Die Skihersteller verzeichnen wieder bessere Geschäfte. Und es gibt einen Nachfolger für den Carver - den Rocker.

C. Busse und A. Mühlauer

Wenn es etwas gibt, das Michael Schineis zurzeit am liebsten hört, dann ist es der Wetterbericht. Da bekommt der Österreicher richtig gute Laune: "Herrlich, es schneit von Lyon bis Wien. Und wir hatten den besten Saisonstart seit 20 Jahren." Schineis ist beim finnischen Sportkonzern Amer für die Marken Atomic und Salomon verantwortlich. Das Geschäft laufe so gut, dass die Skifabriken in Altenmarkt im Salzburger Land und in Bulgarien zu Weihnachten Sonderschichten fahren müssen. Die Nachfrage des Handels sei ungebrochen hoch.

Auch der letzte große deutsche Skihersteller, Völkl aus Straubing, meldet gute Geschäfte. "Der Gesamtmarkt wird nach meiner Schätzung in diesem Jahr um zehn Prozent zulegen", sagt Völkl-Chef Christoph Bronder der Süddeutschen Zeitung. Zuletzt hat Völkl sogar 40 neue Mitarbeiter eingestellt, es wird nun im Drei-Schicht-Betrieb rund um die Uhr im Werk Straubing produziert.

Und trotzdem sind einige Produkte wie das Völkl-Klassikermodell Racetiger an manchen Orten schon ausverkauft, heißt es. Vor einigen Jahren stand die Produktion in Niederbayern fast vor dem Aus. Heute lässt Völkl Kinderski und Snowboards in China fertigen. Der Großteil der Produktion kommt aber aus Bayern, und darüber ist Bronder inzwischen auch froh. "Das hilft uns derzeit, weil wir einfach schneller auf die steigende Nachfrage reagieren können", sagt der 49-Jährige. Ähnlich dürfte es auch bei Atomic sein, die meisten Produkte werden in Österreich hergestellt.

Harte Jahre

Die Geschäfte laufen also, das war nicht immer so. Denn die Skiindustrie hat ziemlich harte Jahre hinter sich, viele kleine Hersteller mussten aufgeben. Das hat viele Gründe: Einige schneearme Winter wie der im Jahr 2006/07 waren besonders schlecht für das Geschäft, der Absatz ging zurück, die Lager füllten sich, die Durchschnittspreise gingen nach unten. Dazu kommt ein langfristiger Trend: Immer mehr Sportler leihen ihre Ski und kaufen nicht mehr. Der Absatz ging weltweit immer weiter zurück. Wurden Ende der achtziger Jahre mal bis zu acht Millionen Paar Ski im Jahr abgesetzt, waren es im vergangenen Jahr nur noch etwas mehr als drei Millionen Paar.

Dass es inzwischen wieder besser läuft, liegt natürlich am Schnee. "Krise hin oder her, in unserer Branche zählt vor allem das Wetter. Und das ist derzeit aus unserer Sicht gut. Es gibt viel Schnee - und zwar weltweit", freut sich auch Bronder. Dazu kommt: Viele Skigebiete haben in den vergangenen Jahren enorm aufgerüstet und trotz der Kritik von Umweltschützern massiv in Beschneiungsanlagen investiert. Damit sind viele Skigebiete schneesicherer und unabhängiger vom Wetter geworden, der Sport ist nun ab Weihnachten möglich, auch wenn es nicht so viel Schnee gegeben hat.

Bronder beobachtet zudem einen weltweiten Trend zum Bergsport. "Skifahren ist in, auch in der Krise. Gerade die städtische Jugend interessiert sich immer mehr für Natur und die Berge. Das gilt weltweit, übrigens bis auf Japan. Und das spüren wir", berichtet Bronder. Darauf reagieren die Hersteller: Sie bieten mehr und mehr bunte und breite Spaßski an, die den Snowboards Konkurrenz machen sollen.

Schlampiger Fahren mit dem "Rocker"

Für dieses Jahr hat sich die Industrie etwas Neues ausgedacht: Sogenannte Rocker sollen den Verkauf ankurbeln. Die Bretter sind stark tailliert und stärker gebogen, so dass ein Stück des Ski leicht vom Boden abgehoben ist. Damit, so die Hoffnung, geht der Ski leichter in die Kurve, ist einfacher zu kontrollieren und in weichem Schnee bleibt der Ski besser oben. "Mit dem Rocker kann man schlampiger fahren als mit Carving-Skiern", sagt Atomic-Chef Schineis, "der Rocker verzeiht mehr Fehler." Bei Atomic machen Rocker-Ski dieses Jahr ein Drittel des Umsatzes im oberen Preissegment aus. Auch Völkl und die Schwestermarke K2 setzen auf das neue Produkt. Händler wie der Verband Intersport erwarten, dass sich dadurch ein zusätzlicher Schub ergibt.

Die letzte große Innovation, die der Ski-Branche neues Geschäft brachte, war die Einführung des Carving-Ski vor mehr als zehn Jahren. Marktführer in Europa ist nach wie vor Atomic. Um den zweiten Platz rangeln sich gleich mehrere Hersteller: Völkl, Head und Rossignol. Die Deutschen haben zuletzt nach eigenen Angaben Marktanteile gewonnen. Rossignol, lange der Marktführer, hatte dagegen zuletzt arge Probleme.

Völkl, seit 1923 in der Skiproduktion, und der Hersteller von Skibindungen aus dem oberbayerischen Penzberg, Marker, gehören seit 2004 zum amerikanischen Mischkonzern Jarden, der auch bei K2 das Sagen hat. Zum Verhältnis zwischen Völkl und K2 sagt Bronder: "Wir marschieren getrennt am Markt." K2 ist vor allem in den USA stark, hat nun aber auch in Europa Marktanteile gewonnen und hofft besonders auf den Rocker.

Der Trend geht zum Leihski

Jaden hatte sich vor zwei Jahren auch an Rossignol beteiligt, die Mehrheit gehört einem Finanzinvestor. Auf der anderen Seite steht die Amer-Gruppe mit den Marken Atomic und Salomon. Die französische Marke gehörte lange zu Adidas, dann haben die Franken aber vor fünf Jahren ihren Ausflug in den Wintersport beendet und Salomon verkauft. Sehr aktiv ist auch das italienische Familienunternehmen Tecnica mit den Marken Blizzard (Ski), Nordica (Skischuhe) und Nitro (Snowboard).

Wegen der Wirtschaftskrise waren die Händler noch im Frühjahr sehr zaghaft mit Bestellungen. Das hat sich seit Beginn des Aufschwungs geändert. "Im November und Dezember bekamen wir so viele Nachaufträge wie noch nie", sagt Schineis. Kein Wunder, dass die Mitarbeiter in der Produktion auf ihre drei Wochen Weihnachtsurlaub verzichten müssen. Jetzt heißt es: Vollschicht. Etwa 40.000 Paar Ski will Schineis zusätzlich herstellen, Ende des Jahres soll die Marke von einer Million überschritten sein. Völkl setzt etwas mehr als 400.000 Paar ab.

Noch mehr als Ski verkauft Atomic Skischuhe; etwa 1,3 Millionen Paar sollen es dieses Jahr werden. Warum das so ist? "Ganz einfach", sagt Schineis, "der Trend geht zum Leihski." Auf die eigenen Skischuhe wollen allerdings viele nicht verzichten, was wohl auch mit der Hygiene zu tun hat. Außerdem sind Schuhe leichter zu transportieren als die langen Bretter. Im Durchschnitt kaufen Verbraucher alle sechs bis acht Jahre ein neues Paar Ski. Firmen, welche die Ski verleihen, müssen ihr Sortiment häufiger auswechseln. "Jedes Jahr muss ein Verleiher ein Drittel seines Bestands erneuern", sagt Schineis, "sonst laufen ihm die Kunden weg, denn die wollen natürlich die neuesten Skier ausprobieren." Wenn das Geschäftsjahr am 31. Dezember endet, will Schineis einen zweistelligen Umsatzzuwachs erreicht haben.

Auf der Sportartikelmesse Ispo im kommenden Februarwollen die Hersteller in München nun neuen Optimismus zur Schau stellen. Und zeitgleich soll im nahen Garmisch-Partenkirchen die Ski-Weltmeisterschaft stattfinden. Auch davon erwartet sich die Branche weltweite Aufmerksamkeit und dann auch noch bessere Geschäfte.

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Quelle:
SZ vom 24.12.2010/pak
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