Skandal im EU-Parlament:Lärmschutzverordnung mit Porsche-Sound

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Wie laut dürfen Nutzfahrzeuge sein? Ein tschechischer EU-Parlamentarier schlug industriefreundliche Grenzwerte vor. Blöd für ihn: Sein Text basiert auf einem Dokument, das ausgerechnet ein Experte des Sportwagenherstellers Porsche verfasst hat. Umweltorganisationen sind entsetzt.

Javier Cáceres, Brüssel

Die Tücken moderner Kommunikationsmittel sind wohlbekannt, die Gegenwartsgeschichte der Menschheit ist längst voll verdrießlicher Situationen, die auf unabsichtlich weitergeleiteten E-Mails oder irrtümlichen Anrufen beruhen. Aktuell ist es ein tschechischer Europaparlamentarier namens Miroslav Ouzky, der betreten zu Boden blickt. Er ist Berichterstatter im Umweltausschuss. Seine Beschlussvorlage zur Lärmschutzverordnung von Nutzfahrzeugen, die industriefreundliche Grenzwerte zieht, fußt auf einem Dokument, das ausgerechnet jemand erstellt hatte, dem der Sound eines Autos besonders am Herzen liegt: Hans-Martin Gerhard, seines Zeichens Akustik-Experte beim Sportwagenhersteller Porsche.

Das Dokument ist so offensichtlich an Gerhards Rechner entstanden, dass Ouzky nun sogar den Bezug zu Porsche offen eingestanden hat. Er habe in der Tat ein Porsche-Powerpoint-Dokument genutzt, sagte er. Aber eben "nur als Mustervorlage", der Vorschlag an sich sei sein eigener. Und überhaupt: Die Lärmschutzwerte, die er vorschlage, seien von Porsches Ideal weit entfernt.

Protest von Umweltorganisationen

Das war dann eher kleinlaut, zumindest im Vergleich zum Protest von Umweltorganisationen. Das Parlament lasse sich "ungebührlich beeinflussen", wetterte Transparency and Environment, die Deutsche Umwelthilfe sprach von "anmaßenden Manipulationsversuchen". Kompletter Unsinn, heißt es dazu in der Porsche-Zentrale. Gerhard sei "völlig unabhängig von seiner Tätigkeit im Porsche-Entwicklungszentrum" auch als Lärm-Experte für die OICA tätig, den Weltverband der Autobauer. Es sei nicht ausgeschlossen, dass er dafür auch einen Porsche-Rechner nutze. Aber: "Das ist kein Porsche-Papier." Gleichwohl hat die bemerkenswerte Spur in die schwäbische Idylle Folgen. Die für Mittwoch vorgesehene Abstimmung über Ouzkys Papier wurde verschoben, bis die Urheberschaft der Beschlussvorlage eindeutig geklärt sei.

Die letzte veritable Lobby-Affäre ist noch in bester Erinnerung

Unter Parlamentariern löst der Fall Unbehagen aus, denn die letzte veritable Lobby-Affäre ist noch in bester Erinnerung. Anfang 2011 hatten vier Europaparlamentarier von britischen Undercover-Journalisten das Angebot erhalten, gegen Geld in einem bestimmten Sinne gesetzgeberisch tätig zu werden. Er habe überhaupt keine Anhaltspunkte, um Ouzky auch nur annähernd Vergleichbares vorzuwerfen, sagt Carl Schlyter, der für die schwedischen Grünen im Umweltausschuss sitzt. Er wolle auch nicht vorschnell den Stab über seinen Kollegen brechen. Aber es räche sich, dass bei der Verschärfung des Verhaltenscodes sein Vorschlag unbeachtet blieb, Lobby-Papiere offiziell registrieren zu lassen. Expertenmeinungen seien willkommen und nötig - aber die Bürger sollten schon erfahren, wer was und aus welchem Interesse in ein Gesetzgebungsverfahren einbringt. "Erinnern Sie sich an die Chemikalienverordnung Reach, sie ging zur Hälfte auf Eingaben der Chemieindustrie zurück", sagt Schlyter.

Die Dezibelwerte, die Ouzky als Obergrenzen vorschlage, hält Schlyter im Übrigen für zu industriefreundlich. Die Fixierung auf den Sound eines Autos sei von einem überholten Verständnis von Männlichkeit geprägt. Ouzky dürfte dem freilich widersprechen: Er ist Fahrer eines Porsche-Panamera.

© SZ vom 15.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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