Sinkender Umsatz bei Apple:Angefressen

Der Konzern hat lange die technologischen Trends bestimmt. Nun bricht erstmals seit 2001 der Jahresumsatz ein, die Abhängigkeit vom iPhone ist beängstigend. Ist es das Ende einer Erfolgsgeschichte?

Von Helmut Martin-Jung

Apple-Chef Tim Cook gehört nicht zu der Sorte Manager, die wie sein Vorgänger Steve Jobs schon mal patzig werden, wenn ihn Analysten oder Journalisten mit einer Frage nerven. Als ein Analyst am Dienstag von Cook wissen wollte, ob das Unternehmen denn einen Plan für die kommenden Jahre habe, blieb Cook gelassen, auch wenn die Antwort ein bisschen kühl rüberkam: Na klar habe Apple eine Vorstellung davon, wo die Reise hingehe.

Nun hat Apple noch nie über kommende Produkte geplaudert, hat Mitarbeitern wie Zulieferern ganz im Gegenteil härteste Verschwiegenheitsklauseln diktiert. Doch allmählich werden die Anleger schon ein wenig nervös. Nicht nur, dass Apple den ersten Rückgang des Jahresumsatzes seit 15 Jahren vermelden musste. Es ist auch nach wie vor kein Produkt in Sicht, das einen ähnlichen Boom auslösen könnte wie vor knapp zehn Jahren das iPhone. Zwar wiederholt Cook gebetsmühlenartig seinen Spruch, man habe großartige Produkte in der Pipeline. Doch das macht er nun schon seit Jahren. Die einzige neue Hardware-Kategorie, die seit dem iPad 2010 vorgestellt wurde, Apples Computer-Uhr, hat die hochgeschraubten Erwartungen bei Weitem nicht erfüllen können.

Der Umsatz in China ist im jüngsten Quartal um 30 Prozent eingebrochen

So bleibt Apple bis dato der iPhone-Konzern: Zwei Drittel des Umsatzes erwirtschaftet das Unternehmen mit seinen Smartphones. Doch sogar in diesem wichtigsten Geschäftsbereich sind die Zeiten des ständigen Wachstums erst einmal vorbei. Im vergangenen Quartal verkaufte Apple weltweit fünf Prozent weniger iPhones als im Vorjahr. Noch schlimmer sieht es in China aus: Dort brach der Umsatz mit iPhones im selben Zeitraum sogar um knapp 30 Prozent ein, von 12,5 Milliarden auf knapp 8,8 Milliarden Dollar, wie das Marktforschungsunternehmen Counterpoint ermittelt hat.

Apple Annual developers conference

Das Apfel-Symbol stand für eine besonders hübsche Verquickung von Technik und Design. Auch in der Frage kann die Konkurrenz jetzt mithalten.

(Foto: Gabrielle Lurie/AFP)

Chinesische Hersteller haben beim Design wie bei der Technik aufgeholt und sprechen auch Käufer hochwertiger Geräte an. Sie haben auch mehr Läden und haben den Service verbessert. In den Industrieländern dagegen ist der Markt gesättigt, und die Kunden kaufen sich auch nicht immer sofort ein neues Handy, da die Fortschritte von Generation zu Generation kleiner sind als früher.

Immerhin: Für das Weihnachtsquartal rechnet Apple mit einem deutlichen Absatzplus beim iPhone. Die jüngste Version, das iPhone 7, kam erst vor etwa zwei Wochen auf den Markt - und dürfte außerdem vom Versagen seines bedeutendsten Konkurrenten Samsung profitieren. Der musste sein Spitzenmodell Galaxy Note 7 wegen brennender Akkus komplett vom Markt nehmen - ein bisher beispielloser Vorgang in der Branche.

Apple ist erfolgsverwöhnt. Die vergangenen 15 Jahre waren für den Konzern, als gäbe es keine Grenzen des Wachstums. Der Nettogewinn des Jahres 2015 lag sensationelle 33-mal höher als der von 2002. Das Unternehmen ist gemessen am Börsenwert das wertvollste der Welt, hat unglaubliche 237,6 Milliarden Dollar an Barreserven. Und der Gewinn aus dem vergangenen Quartal - neun Milliarden Dollar - wäre für die meisten Manager anderer Unternehmen eine Sensation.

Sinkender Umsatz bei Apple: SZ-Grafik; Quelle: Apple

SZ-Grafik; Quelle: Apple

Dass der Konzern dem Niedergang zustrebt wie einst Nokia, steht daher nicht zu befürchten. Wahrscheinlicher sind zwei andere Szenarien: Entweder Apple bleibt abhängig vom iPhone. Bis jetzt sieht es so aus, als verwende das Unternehmen viel Energie darauf, das nächste iPhone mit einer Reihe außergewöhnlicher Merkmale auszustatten. Das iPhone des Jubiläumsjahres 2017 soll außerdem auch mal wieder anders aussehen.

Oder aber es gelingt dem Unternehmen, mit einem unerwartet erfolgreichen Produkt, einer gänzlich neuen Kategorie, einen neuen Markt zu erobern. Als gesichert darf trotz aller Geheimhaltung gelten, dass Apple mit Hochdruck an Software für Autos arbeitet. Noch ist unklar, ob es um ein ganzes Betriebssystem für selbstfahrende Autos geht oder nur darum, das bisherige Universum aus iPhone, Watch und dergleichen mit dem Fahrzeug zu verknüpfen.

Das Forschungsbudget hat Apple jedenfalls deutlich erhöht. Berichten zufolge hat der Konzern auch ein Team in Kanada aufgebaut, in dem Experten für Autosoftware arbeiten, die Apple von der Blackberry-Tochter QNX abgeworben hat. Das könnte darauf hindeuten, dass Apple zumindest tiefer in Auto-Betriebssysteme eindringen will. Doch viele Autohersteller mögen sich nicht an ein einziges System binden und integrieren daher auch Googles System Android.

Nur fühlen kann es noch nicht

"Alexa", "Hey Siri", "Cortana", "Okay Google": Es ist für viele noch gewöhnungsbedürftig, die drei Minuten Ziehzeit für den Morgentee mithilfe eines kurzen Sprachbefehls auf dem Smartphone einzustellen statt mit der guten alten Eieruhr. Erstaunlich ist aber, wie gut das mittlerweile funktioniert. Und nicht nur das. Je mehr man den Geräten an Informationen gibt, desto genauer versuchen sie, ihren Besitzern hilfreich zur Seite zu stehen. Dahinter stehen riesige Datensammlungen in Rechenzentren und Algorithmen, die mit künstlicher Intelligenz versuchen, aus all den Daten zu extrahieren, was dem Nutzer helfen könnte. Das hat Unternehmen auf die Idee gebracht, diese Funktionen in eigenen Geräten unterzubringen, in vernetzten Lautsprechern, die man zu Hause aufstellt. Diese Geräte erfüllen nicht bloß den Wunsch vieler Konsumenten nach Musikspielern, die Songs und Sender aus dem Internet abrufen können. Sie sollen auch als digitaler Assistent unentbehrlich werden, wenn es nach den Herstellern geht. Die Geräte informieren etwa darüber, ob es auf dem Weg zur Arbeit Stau gibt oder lesen Nachrichten aus wählbaren Quellen vor. Sie lassen sich aber auch mit Geräten aus dem Internet der Dinge verbinden, zum Beispiel mit fernsteuerbaren Leuchten, Thermostaten oder Jalousien.

Das erhöht den Druck auf die Anbieter von Systemen fürs smarte Heim, diese so zu entwickeln, dass sie mit den Geräten zusammenarbeiten können. Erster auf dem Markt ist Amazon, dessen Gerät Echo nun auch in Deutschland zu haben ist. Google hat ein ähnliches Produkt angekündigt - der Nächste könnte Apple sein. Helmut Martin-Jung

Daher liegt es eher nahe, dass eines der nächsten Produkte etwas sein wird, das Konkurrent Amazon bereits verkauft und Google immerhin angekündigt hat: Einen sprachgesteuerten Lautsprecher fürs vernetzte Heim. Ob ein solcher digitaler Assistent, eine Virtual-Reality-Brille oder die zunehmend erfolgreichen Dienste wie iCloud und Apple Music die Welt so verändern würden, wie es das iPhone geschafft hat, ist nicht absehbar.

Daher ist eher zu erwarten, dass Apple zu einem Unternehmen wie andere wird: Eines, das neben gewaltigen Höhen auch mal Tiefen erlebt.

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