Simbabwe:Allein im Land der Nullen

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Die Inflation beträgt 100.000 Prozent, die Wirtschaft liegt danieder, am Samstag wird gewählt: Wie ein weißer Textilunternehmer versucht, in Simbabwe zu überleben.

Arne Perras

David Lasker erinnert sich noch an die guten Zeiten, an all die Jahre, in denen der Betrieb der Familie aufblühte und gutes Geld abwarf. "Vor dem Jahr 2000 war es großartig", sagt er. Archer Clothing ist ein afrikanisches Unternehmen mit Sitz in Bulawayo, Simbabwe. Vergangenes Jahr feierte die Firma ihr 50-jähriges Jubiläum, Onkel und Vater hatten den Betrieb aufgebaut, heute führt ihn der Sohn. Doch man muss schon ein Überlebenskünstler wie David Lasker sein, um in der ruinierten Wirtschaft Simbabwes überhaupt noch zu bestehen.

Der kleine Straßenhandel funktioniert noch in Simbabwe. Der große Textilhandel ist eingebrochen. Waren "made in Simbabwe" werden geächtet - Präsident Mugabe sei dank. (Foto: Foto: dpa)

100.000 Prozent Inflation herrschen im Reich von Robert Mugabe, das ist Weltrekord. Der greise Präsident hat das Land mit seiner brachialen Politik an den Abgrund getrieben. Und nur ganz wenige Unternehmer im Land besitzen noch die Kraft auszuhalten.

Neue Absatzmärkte sichern das Überleben

Archer Clothing näht Freizeitkleidung: Cargohosen, Safarihemden, Shorts, Jacken, Westen. 550 Nähmaschinen der Marke Dürkopp-Adler surren in den Produktionshallen im Industrieviertel Bulawayos. Einst war auch das deutsche Versandhaus Quelle ein guter Kunde. Aber seitdem der Staat Simbabwe in die Krise gestürzt ist und Europa Präsident Mugabe geächtet hat, sei der Markt im Norden fast komplett weggebrochen, erzählt Lasker. Zwar gibt es keine Wirtschaftssanktionen gegen das Land, doch der Unternehmer musste erfahren, dass europäische und nordamerikanische Händler nicht mehr gerne Waren "made in Zimbabwe" kaufen - wegen des schlechten Rufs. "Tut uns leid, in Simbabwe werden die Menschenrechte missachtet und es gibt keine Demokratie", mit solchen Sätzen haben sich schon mehrere Kunden von Laskers getrennt.

Das ist bitter für den 47-jährigen Geschäftsmann, dessen Betrieb heute noch Arbeit für 1600 Männer und Frauen bietet - in einem Land, in dem acht von zehn Menschen keinen Job haben. Warum sollen nun seine Arbeiter und er für die Exzesse des Regimes büßen müssen? Lasker kann das nicht nachvollziehen, aber anstatt zu verzweifeln, hat er weitergemacht und inzwischen andere Märkte erschlossen. Während er vor zehn Jahren noch fast alles in die nördliche Hemisphäre exportierte, verkauft er heute 90 Prozent ins Nachbarland Südafrika und die übrigen zehn Prozent im eigenen Land Simbabwe. 2007 produzierte er immerhin noch 1,4 Millionen Kleidungsstücke, trotz der Krise und der Probleme mit den Kunden im Norden.

Lasker zählt zu den ganz wenigen weißen Unternehmern, die noch im Reich Mugabe ausharren, gegen alle Widerstände. Wie er seinen Betrieb am Leben erhält, ist ihm selbst ein Rätsel. Durch die galoppierende Inflation haben sich schon so viele Nullen im System angesammelt, dass Lasker seine Computer gar nicht mehr programmieren kann. Für Rechnungen muss er jetzt extrabreite Exel-Tabellen anlegen. Und es ist immer noch schwierig, alles unterzubringen.

Zwangsumtausch in Simbabwe-Dollar

Das aber sind nur die kleinen Hürden des Alltags, die großen lauern in der Zentralbank in Harare, wo die Firmen ihre Exporterlöse lagern müssen. 35 Prozent davon müssen in die einheimische Währung, den Simbabwe-Dollar, getauscht werden, was angesichts der Inflation einem fast kompletten Verlust dieser Einnahmen gleichkommt. Der offizielle Kurs beträgt für die Unternehmen 525.000 Simbabwe-Dollar zu einem US-Dollar, auf dem Schwarzmarkt ist die US-Währung aber schon weit über 30 Millionen wert. Mit den restlichen 65 Prozent seiner Einnahmen darf Lasker zwar Rohstoffimporte in US-Dollar bezahlen, aber abheben darf er seine verdienten Devisen nicht.

"Ich weiß momentan gar nicht, ob wir Gewinne oder Verluste machen", sagt er, so unübersichtlich und kompliziert sei die Lage. "Für mich gibt es derzeit nur ein Ziel: weiterproduzieren und Investitionen sichern." Doch es wird immer schwieriger für Lasker, die Arbeiter im Betrieb zu halten. "Früher hatten sie alle ein ganz gutes Leben bei uns", sagt er. Da haben sie umgerechnet 80 bis 100 US-Dollar im Monat verdient, nicht viel im europäischen Vergleich, aber in Afrika genug, um eine Familie zu ernähren und noch ein wenig zu sparen. Heute ist das längst nicht mehr so, denn so oft Lasker die Löhne nach oben korrigiert, sie hinken der Inflation immer hinterher.

Und so kommt es, dass seine Arbeiter das Land in Scharen verlassen, sie fliehen, weil sie keine Zukunft mehr sehen. "Ich habe viele meiner Leute in Südafrika wieder getroffen", erzählt Lasker. Innerhalb eines Jahres wechselt nun 90 Prozent der Belegschaft, ständig muss er neue Arbeiter trainieren, um die Produktion weiterlaufen zu lassen. Laker beißt sich durch. Doch wenn sich nicht bald etwas ändere, dann könne er nicht mehr lange durchhalten. "Vielleicht zwei Monate noch, dann sieht es schlecht aus."

Die letzte Hoffnung

Am Samstag wird in Simbabwe gewählt. Präsident Mugabe, der den Niedergang zu verantworten hat, will zwar weiterregieren. Doch der 84-Jährige hat zwei ernstzunehmende Rivalen, den Gewerkschafter Morgan Tsvangirai und den früheren Finanzminister Simba Makoni, der aus den Reihen der Regierungspartei kommt und nun überraschend gegen seinen ehemaligen Mentor Mugabe antritt. Sollte einer von beiden den greisen Autokraten besiegen und rasche Reformen einleiten, dann sind die letzten Wirtschaftsbetriebe in Simbabwe vielleicht noch zu retten. Und vielleicht wird David Lasker dann auch irgendwann seine alten Kunden zurückgewinnen, in Europa und Nordamerika. "Wir sind eine Erfolgsgeschichte in Afrika", sagt er beschwörend. Und hofft auf Wandel in letzter Minute.

© SZ vom 28.3.2008/sme/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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