Feuerwerk:Wenn's nicht knallt, dann kracht's

Menschen feiern Silvester mit Feuerwerk

Ein Bild aus alten Zeiten: Böllern ist zwar dieses Jahr erlaubt. Aber auf belebten Straßen und Plätzen dürfen die Städte Pyrotechnik untersagen.

(Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Die Politik empfiehlt, dieses Silvester aufs Böllern zu verzichten. Hersteller wie Weco atmen zwar auf: immerhin kein generelles Verbot. Doch die Kritik an der Branche zeigt Wirkung.

Von Benedikt Müller-Arnold, Köln

Auf diese Jahreszeit hat Thomas Schreiber hingearbeitet. Kommende Woche will seine Firma Weco, Deutschlands größter Feuerwerkshersteller, erste Ware an Händler liefern. "Unsere Branche arbeitet mit einem Jahr Vorlauf", sagt der Geschäftsführer. Monatelang produziert das Familienunternehmen Millionen Raketen in Deutschland, zudem importiert es Knallkörper aus China. Fast alles für einen Tag: "Normalerweise macht Silvester etwa 90 Prozent unseres Umsatzes aus", sagt Schreiber.

Doch 2020 ist nichts normal.

Schon die restlichen zehn Prozent seien weggefallen, konstatiert der Weco-Chef: Feuerwerk für Jahrmärkte oder Partys war in der Corona-Krise kaum gefragt, mangels großer Feiern. Und auch die Böllerei an Silvester sollte ausfallen, fordern Umweltschützer und Ärzteverbände, um Krankenhäuser während der Pandemie nicht noch mit Feuerwerksverletzungen zu belasten. Bund und Länder haben nun einen Kompromiss beschlossen: Auf belebten Straßen und Plätzen sollen Städte Pyrotechnik untersagen können. Es soll aber kein generelles Verkaufsverbot geben.

Den Weco-Chef lässt das aufatmen - trotz aller Appelle, freiwillig auf Feuerwerke zu verzichten. "Meine Hoffnung ist zurück, dass es viele Menschen am Ende dieses entbehrungsreichen Jahres noch mal knallen lassen werden", sagt Schreiber. Freilich sollte das in diesem Jahr im kleinen Kreis geschehen. "Dass es keine Menschenansammlungen an großen Plätzen geben sollte, können wir nachvollziehen."

Ohne Silvester würde Weco mit etwa 400 Beschäftigten die Insolvenz drohen, warnt Schreiber. Zwar sei der Marktführer aus Eitorf bei Bonn mit einer Eigenkapitalquote von 40 Prozent gut aufgestellt. "Trotzdem könnten wir einen Komplettausfall ohne fremde Hilfe nicht überstehen", sagt der Unternehmer. "Die Verluste würden unser Eigenkapital aufzehren."

Feinstaub, Abfall, Verletzungen: Die Pyrotechnikbranche steht seit Jahren in der Kritik

Insgesamt beschäftigt die pyrotechnische Industrie in Deutschland etwa 3000 Menschen - und stand schon vor der Pandemie in der Kritik: Brot für die Welt ruft seit Jahren zu Spenden auf, statt Geld für Böller auszugeben. Feuerwerk schreckt Menschen und Tiere, hinterlässt viel Abfall und auch mal Schäden an Gebäuden.

Der CO₂-Ausstoß von Feuerwerken ist insgesamt zwar überschaubar. Doch Pyrotechnik emittiert viel Feinstaub. "Der 1. Januar ist Jahr für Jahr der Tag mit der höchsten Feinstaubkonzentration in Deutschland", mahnt das Umweltbundesamt. Solche Spitzen seien insbesondere für Menschen mit Vorerkrankungen gefährlich, etwa Asthmatiker. Und ohnehin sei Feinstaub für alle schädlich, die ihn lange Zeit einatmen.

Hinzu kommen nun Sorgen etwa der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie: "In der Silvesternacht herrscht bei uns gewöhnlich Hochbetrieb", sagt Verbandspräsident Michael Raschke, der in der Uniklinik Münster arbeitet. Zwar bereite man sich darauf stets mit viel Personal vor. "Dennoch ist jede mögliche Entlastung sehr wünschenswert - vor allem in Zeiten von Corona", sagt der Mediziner.

Manche Händler wie Obi oder Hornbach wollen in diesem Jahr kein Feuerwerk verkaufen

Weco-Chef Schreiber spricht lieber von kleineren Verbrennungen, wenn Menschen Feuerwerk nicht ordnungsgemäß gebrauchen oder illegale Pyrotechnik zünden. "Das sind aber in aller Regel keine Fälle für Intensivstationen." Nur in seltenen Fällen kämen Menschen an Silvester infolge von legalem Feuerwerk ins Krankenhaus, sagt auch Klaus Gotzen, Geschäftsführer des Verbands der pyrotechnischen Industrie (VPI). Das passiere eher wegen überbordendem Alkoholkonsum. "Dennoch käme niemand auf die Idee, ein Alkoholverbot an Silvester zu fordern."

Nichtsdestotrotz fragt sich die Branche: Welche Verbote werden Städte nun verhängen? Wie ernst werden Verbraucher und Händler den Appell der Politik nehmen? Ketten wie Obi oder Hornbach haben bereits angekündigt, dass sie in diesem Jahr keine Pyrotechnik verkaufen werden.

Allerdings hätten Baumärkte schon in Vorjahren kaum Feuerwerk abgesetzt, sagt Weco-Chef Schreiber. "Unser Geschäft läuft vor allem über große Supermärkte und Discounter. Wenn es erlaubt ist, gehen wir davon aus, dass diese Händler Silvesterfeuerwerk verkaufen werden." Selbstverständlich sei in dieser Krise verantwortliches Handeln gefragt. Doch Schreiber ergänzt: "Ein bisschen Eigenverantwortung sollte man den Menschen auch zugestehen."

Erste Anbieter von Großfeuerwerken sind insolvent oder stehen vor der Pleite, warnt der Branchenverband

Das bedeutet dann freilich auch, dass Kunden mit den Füßen abstimmen können. Hier zeigt sich, dass der Umsatz der pyrotechnischen Industrie in Deutschland schon in den vergangenen zwei Jahren zurückgegangen ist. Zuletzt betrug er etwa 130 Millionen Euro. Für 2020 lasse sich das zwar noch nicht prognostizieren, sagt VPI-Chef Gotzen. "Ich gehe aber davon aus, dass wir das Niveau von 2019 wahrscheinlich nicht erreichen werden."

Und das liegt nicht nur an der Kritik an Silvester: Auch Anbieter von Groß- und Bühnenfeuerwerken haben seit Frühjahr so gut wie keine Aufträge mehr. "Ein Unternehmen aus dem Bereich ist bereits wegen Insolvenz aus unserem Verband ausgeschieden", sagt Gotzen. "Einige weitere stehen leider vor der Insolvenz." Ob es 2021 wieder mehr Aufträge gebe, sei nicht absehbar. Die Feuerwerksindustrie, so scheint es, dürfte hierzulande weiter schrumpfen.

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