Silicon Wadi:Schutz suchen

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Viele Start-ups in Israel beschäftigen sich mit Cybersicherheit. Im vergangenen Jahr investierten Geldgeber hier mehr als eine Milliarde US-Dollar. Nach den USA ist das kleine Land in diesem Bereich weltweit führend.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Was werden sie wohl vorhaben? Welche Angriffe sind als nächstes geplant? Welche Werkzeuge und Methoden werden angewandt? Solche Fragen treiben Maya Horowitz jeden Tag um. Die 33-Jährige leitet die "Threat Intelligence Group" mit 80 Mitarbeitern von Check Point, einem führenden Unternehmen im Bereich Cybersicherheit in Tel Aviv. Aufgabe ihres Teams ist es, Bedrohungen auf Produkte und Netzwerke vorauszusehen und mögliche Angriffe zu verhindern. Horowitz spricht von "Herausforderungen" und "der anderen Seite", wenn sie über die Angreifer im Netz spricht.

Check Point zählt rund 100 000 Organisationen, Unternehmen und auch einzelne Staaten zu seinen Kunden. Das Unternehmen, das für seine Firewall- und VPN-Produkte bekannt ist und auch den Bereich Sicherheitstechnik von Nokia übernommen hat, wurde 1993 in Israel gegründet und hat heute mehr als 3400 Mitarbeiter. Check Point zählt nicht nur in Israel, sondern weltweit zu den Branchengrößen.

Der Bereich Cybersicherheit gehört zu den am stärksten wachsenden Sektoren in der israelischen Start-up-Szene. Laut Daten, die die Organisation Start-up Nation Central für ihren Branchenbericht zusammengetragen hat, sind 450 Unternehmen in Israel in diesem Sektor aktiv. Von den Start-ups, die 2018 gegründet wurden, beschäftigten sich allein 60 mit Sicherheitsfragen, vor allem jenen, die mit der zunehmenden Vernetzung verbunden sind.

Bemerkenswert ist, dass immer mehr internationale Konzerne Ableger in Israel ansiedeln, die sich um diese sensiblen Sicherheitsfragen kümmern. Die meisten Unternehmen haben sich mit israelischen Start-ups zusammengetan und erarbeiten Lösungen, die ihnen mehr Schutz für ihre Daten oder Produkte bieten.

Es ist kein Zufall, dass just dieser Sektor in Israel eine so große Rolle spielt. Wie wichtig das Thema Sicherheit in diesem Land ist, fällt jedem Touristen auf, der das Land besucht: Die Präsenz von Polizei und Armee ist allgegenwärtig. Dass Israel als selbst ernannte Start-up-Nation eine führende Rolle im Bereich Cybersicherheit einnimmt, überrascht deshalb wenig, zumal es auch eine sehr enge Verbindung zwischen Militär, Wissenschaft und Wirtschaft gibt. Die meisten der erfolgreichen Start-up-Gründer haben in der berühmten 8200er-Einheit der israelischen Streitkräfte gedient, die sich mit sicherheitsrelevanten Informationen beschäftigt und unter anderem den Auftrag hat, Cyberangriffe auf das Militär abzuwehren.

Auch Maya Horowitz war zehn Jahre in dieser Eliteeinheit und hat dort im jugendlichen Alter von 25 Jahren bereits die Leitung eines Teams übernommen. Sie sieht nur wenige Unterschiede zwischen der Arbeit in der Armee und jener in einem Unternehmen: "Es geht in beiden Bereichen um größtmöglichen Schutz: Für das Land, für das Unternehmen."

Dass Cybersicherheit ein Wachstumsbereich ist, zeigt sich am Kapital, das im vergangenen Jahr in israelische Start-ups geflossen ist. Zum ersten Mal übersprang die Summe die Milliarden-Dollar-Grenze: Die Gesamtsumme von 1,19 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018 stellt einen neuen Rekord dar - die Vorjahresinvestitionen wurden um satte 47 Prozent übertroffen. Binnen fünf Jahren hat sich das jährlich zur Verfügung gestellte Kapital in diesem Bereich verfünffacht.

Das kleine Land Israel mit seinen acht Millionen Einwohnern nimmt damit den zweiten Platz hinter den USA ein, rund ein Fünftel der weltweiten Investitionen in Cybersicherheit fließen in das Land am Mittelmeer. Bei Finanzierungsrunden werden durchschnittlich sechs Millionen US-Dollar eingenommen, der Betrag hat sich binnen eines Jahres fast verdoppelt und zeigt das gestiegene Vertrauen von Investoren, von denen rund zwei Drittel aus dem Ausland kommen. Etwa ein Fünftel sind Venture-Capital-Fonds.

Die meisten Start-ups in Israel beschäftigen sich mit Datenschutz und Verschlüsselung, gefolgt von den Herausforderungen, die durch das Internet der Dinge entstehen. Der drittwichtigste Sektor ist jener, der sich mit Netzwerksicherheit auseinandersetzt.

Nach Einschätzungen von Maya Horowitz haben 95 Prozent aller Cyberangriffe einen kriminellen Hintergrund mit dem Ziel, finanziell profitieren zu können. Es gehe Angreifern schlicht darum, an Geld zu kommen, indem sie sich etwa Zugriff auf Bankkonten verschaffen oder private Daten ausspionieren und diese für Erpressungen einsetzen. Was dagegen stark abgenommen habe, seien Angriffe auf Webseiten mit dem Ziel, digitale Währungen zu schürfen, das sogenannte Cryptomining. Weil der Wert von Bitcoins stark gesunken ist, gebe es auch weniger Attacken, sagt Horowitz. Vor einem Jahr habe man in manchen Monaten bei einem Drittel aller Kunden Angriffe von Cryptominern registriert. "Cryptomining-Attacken werden nicht ganz verschwinden, aber noch weniger werden", prophezeit sie.

Es gebe zwar jeden Tag etwas Neues, aber vieles sei altbekannt und nur neu aufbereitet. Malware, also schädliche Software, werde häufig wiederverwendet, der Code leicht angepasst - also recycled. Rund ein Viertel der Angriffe nutzen Sicherheitslücken aus, die seit zehn Jahren bekannt waren. Häufiger als früher gibt es Angriffe über die Cloud. Überraschenderweise funktioniert auch Phishing, also das Versenden von gefälschten Mails, immer noch sehr gut, um an Daten zu gelangen. Dabei erweist sich die Faulheit vieler Nutzer, jeweils ein eigenes Passwort für einen Service zu vergeben, als vorteilhaft für Angreifer. Im kleinen kann also jeder Nutzer etwas tun, um Cyberangriffe abzuwehren.

© SZ vom 27.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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