Silicon Valley:Weltraum statt Pizza

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Die Amerikaner schossen einst den ersten Menschen auf den Mond. Heute braucht die Raumfahrtbehörde Nasa die Hilfe privater Tech-Firmen.

Von Alina Fichter

Ioana Cozmuta träumt vom Ende der Einsamkeit im All, und so könnte das aussehen: Raumschiffe privater Unternehmer bringen regelmäßig Lebensmittel zur Internationalen Raumstation, sie entlassen Satelliten in die Umlaufbahn oder befördern Touristen, wenn die mal wieder einen richtigen Abenteuerurlaub brauchen oder ein Selfie mit Saturn in ihrer Timeline posten möchten.

Der Arbeitsplatz von Ioana Cozmuta liegt in Mountain View, kaum zwei Kilometer entfernt von der Google-Zentrale im Silicon Valley. Sie arbeitet dort für die Nasa. Die amerikanische Raumfahrtbehörde hat es sich zum Ziel gesetzt, im Jahr 2017 wieder unabhängig zu werden von Russland. Das geht nur mit der Hilfe privater Tech-Unternehmen. Deshalb hofft Cozmuta, dass die Firmen, die überwiegend im Silicon Valley angesiedelt sind, rasch und dauerhaft ins All vorstoßen. Die Raumfahrtfirma Space-X des Tesla-Gründers und Paypal-Milliardärs Elon Musk scheint nun endlich auf einem gutem Weg zu sein: Am Wochenende schoss der Unternehmer eine Kapsel mit 2,5 Tonnen Fracht der Nasa an Bord von Florida aus in Richtung der Internationalen Raumstation ISS. Am heutigen Mittwoch soll sie dort andocken.

Cozmuta trägt bei der US-Raumfahrtbehörde den Titel "Innovationschefin Industrie". Sie fädelt Partnerschaften ein, wie die mit Space-X. Allerdings legt sie großen Wert darauf, dass sie als Privatperson spricht, nicht als Nasa-Angestellte. Sonst müsste die Behörde jedes ihrer Worte absegnen. So sensibel ist ihre Mission.

2011 ging das Spaceshuttle der Nasa in Rente, seitdem müssen für US-Astronauten Plätze in russischen Kapseln gekauft werden, wenn sie ins All sollen. Aber als die USA während der Ukraine-Krise Sanktionen erließen, spottete der russische Vizepräsident: Dann müssten amerikanische Astronauten künftig mit dem Trampolin zur ISS springen. US-Präsident Donald Trump dürfte kaum Stabilität in die All-Angelegenheiten bringen, er scheint bereits mit der Erde überfordert. Die Worte der Nasa-Spitze von 2011 haben also an Gewicht gewonnen: "Die USA sollten nicht abhängig von irgendeinem anderen Land sein, um in den Weltraum zu gelangen." Barack Obama kündigte etwa zur gleichen Zeit an, privaten US-Firmen bestimmte Raumfahrtmissionen anvertrauen zu wollen.

Und tatsächlich investierten reiche Privatunternehmer Milliarden, die sie größtenteils im Netz gemacht haben, während die Regierung über Jahre das Nasa-Budget eindampfte: Elon Musk mit Space-X, Amazon-Chef Jeff Bezos mit Blue Origin, Richard Branson mit Space Ship Two. Außerdem basteln unzählige kleinere Start-ups im Valley an Geschäftsmodellen für die Unendlichkeit. Erkundigt man sich bei den Beteiligten, weshalb sie sich für andere Sterne interessieren, verstehen sie die Frage nicht. Das sei nicht sonnenklar? Menschen besäßen doch den unbedingten Drang, die Ferne zu erkunden! So habe Kolumbus Amerika entdeckt, so hätte die Menschheit gelernt, dass die Erde rund sei, so habe sie das Fliegen gelernt. Und jetzt wolle man eben noch viel, viel höher hinaus! Der alte Traum vom Fliegen. Und vom großen Geld.

Elon Musk plant, den Mars zu bevölkern, wenn die Erde mal nicht mehr zum Leben taugt

Private Unternehmer wittern ein Milliardengeschäft, wenn sie Satelliten für die Telekommunikation ins All befördern. Zudem lässt sich Sonnenenergie im Weltraum effizienter gewinnen, auch Rohstoffe könnte man auf fremden Planeten fördern. Das Beratungsunternehmen Frost & Sullivan erwartet noch einen Megatrend: Touristen im Kosmos. Warum nicht Raketenreisen? Schon im kommenden Jahr will Amazon-Chef Bezos die ersten Privatleute ins All schießen. Und Space-X-Mann Musk plant, den Mars zu bevölkern, wenn die Erde mal nicht mehr zum Leben taugt.

So gesehen passt es perfekt zum Silicon Valley, nach den Sternen zu greifen, nachdem die Pizzabestell-App nun auch wirklich perfektioniert ist. Auf dem Landstrich in Nordkalifornien mischen sich kleine Jungsträume und ein Hang zur Utopie mit dem Zwang, Neues zu schaffen. Hinzu kommt die Gabe, völlig von sich überzeugt zu bleiben, auch wenn immer mal wieder eine Rakete explodiert (so wie jene von Space-X im Juni und September). Sobald Musk es schafft, seine Raketen verlässlich zu starten, dürfte Space-X viele Konkurrenten auf dem Markt wohl abhängen: Analysten sagen, die Preise des Unternehmens für Weltraummissionen würden dann günstiger als bei allen anderen sein, weil es schon so viel Erfahrung angesammelt habe.

Davon will auch die Nasa profitieren. Sie gründete vor über zehn Jahren das Space Portal Office in Mountain View. Es soll privaten Unternehmen "eine freundliche Eingangstür zum All" sein, so steht es auf der Website. Und: Die Nasa erkenne an, dass sie innovative Partnerschaften benötige, um neue Technologien für den Weltraum und die Erde zu entwickeln. Die einst so stolze Nasa bringt's alleine nicht mehr.

Cozmuta kümmert sich um die Großunternehmen und macht unter den vielen kleinen Start-ups die vielversprechendsten ausfindig. Denen hilft sie, die richtige Nische fürs Geschäft ausfindig zu machen und Investoren zu finden. Im Gegenzug bekommt die Nasa Informationen von ihnen. Die Rechnung lautet: Je mehr Missionen, desto günstiger werden sie mittelfristig, und desto mehr Forschungsdaten stehen zur Verfügung. Es ist eine öffentlich-private Partnerschaft, die so wohl in keinem anderen Land denkbar wäre. Denn nur in den USA trifft Forschung auf große Utopien und eine Menge privates Geld.

Die Nasa-Spitze nannte die Zusammenarbeit das "aufregendste und ambitionierteste Kapitel in der US-Raumfahrtgeschichte". Aufregender als der erste Mann auf dem Mond. Die Worte dürften auch an den russischen Vizepremier gerichtet gewesen sein: Soll der doch auf seinem Trampolin springen.

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