Silicon Valley:Die Welt verbessern

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An dieser Stelle schreiben jeden Mittwoch Alina Fichter und Ulrich Schäfer im Wechsel. Illustration: SZ (Foto: N/A)

Hauptsache ,,Impact": Viele missverstehen die Sprache, die im Valley gesprochen wird - und damit die Mentalität dort. Ein paar Kniffe können helfen.

Von Alina Fichter

Es gibt Sätze, die das Silicon Valley ebenso ausmachen wie das kostenfreie Kantinenessen in den Start-ups und die Jeans-und-T-Shirt-Uniform, die dort überall getragen wird. Diese Sprüche, von denen oft unklar ist, wer sie erfunden hat, werden genauso häufig zitiert wie missinterpretiert. Aber nur wer ihre wahre Bedeutung kennt, versteht, wie die Gründer im Tal zwischen San Francisco und Santa Clara ticken, warum dort mehr als anderswo Neues hervorgebracht wird und weshalb Firmen in Nordkalifornien zu den wertvollsten der Welt zählen.

Zu diesen Sätzen gehören: "Beweg Dich schnell und mach dabei Dinge kaputt", "Unsere Firma will ,impact' (also eine Wirkung) auf möglichst viele Menschen haben" und zuletzt, häufig belächelt: "Wir machen die Welt mit unseren Produkten zu einem besseren Ort. Der Ursprung von allem, was im Silicon Valley geschaffen wird, sind die Wagniskapitalgeber. Sie entscheiden darüber, welcher Gründer für seine Unternehmensidee Millionen bekommt - und wer leer ausgeht.

Warum diese drei Sätze so wichtig sind, kann niemand besser erklären als Robert Siegel. Der 49-Jährige ist Professor für einen der begehrtesten Kurse an der Eliteuniversität Stanford, "formation of new ventures", also "Unternehmensgründung". Und er ist Partner beim Wagniskapitalgeber XSeed. Wer die Sprüche verstehen will, die das Valley antreiben, muss die Anreize ihrer Geldgeber verstehen, sagt Siegel. Er nimmt sich eine Stunde Zeit, sie zu erklären, in seinem Büro, das verkehrsgünstig am Highway 280 liegt, der den Norden mit dem Süden des Tals verbindet.

Es beginnt damit, dass sehr reiche Menschen Siegel ihr Geld anvertrauen, damit er es für sie vermehrt. Siegel weiß aus Erfahrung: Wenn er es in zehn Start-ups investiert, werden durchschnittlich sechs von ihnen untergehen. Drei entwickeln sich bloß mittelmäßig. Das zehnte Unternehmen muss also die restlichen rausreißen, alle Verluste ausgleichen und eine Menge Geld machen. 20x heißen sie deshalb: Sie sollen das Zwanzigfache des Investierten abwerfen. Sonst vermehrt Siegel das ihm anvertraute Geld nicht und verliert seinen Ruf und seinen Job. Der Investor muss sich also auf die Jagd nach jemandem machen, der eine Milliardenidee hat. "Alles, was ich tue, dreht sich darum, diesen einen Gründer zu finden", sagt er.

Dazu muss man wissen: Wagniskapitalgeber halten nur einen kleinen Anteil an so einem Wunder-Start-up. Nur wenn es wie wild wächst und an Wert gewinnt, wirft es schnell genug das nötige Geld ab. Das ist der Grund dafür, dass alles in dem Tal auf unbedingtes Wachstum von Neugründungen gepolt ist. Und wie wächst ein typisches Valley-Unternehmen? Indem möglichst viele Nutzer sein Produkt rasch völlig unentbehrlich finden. Das meinen die Tech-Unternehmer, wenn sie sagen, sie wollten "impact" auf möglichst viele Menschen haben: Sie müssen schlicht richtig viele Leute erreichen. So war es zum Beispiel bei Uber, dem Fahrdienst, der das Smartphone zu einer Art Fernbedienung für Transport machte. Fast jeder in Kalifornien nutzt die App, bei Verabredungen heißt es oft "Let´s uber to the bar". Der Unternehmensname hat es zum Verb gebracht. Der Firmenwert liegt bei 70 Milliarden Dollar. Von genau so einer Art Wachstum träumen Männer wie Siegel.

Deshalb geben sie den Druck, den sie von ihren Geldgebern bekommen, direkt an die Gründer weiter, in denen der nächste Travis Kalanick stecken könnte, der den Fahrdienst Uber erfand. Und diejenigen, die als Chef des nächsten Uber gehandelt werden, wissen natürlich, dass es der Vermarktung ihrer Idee besser tut, wenn sie pathetisch vom "impact" ihrer Idee sprechen - auch wenn sie in Wahrheit verzweifelt Kunden anwerben. Aber das klänge eben eher nach Rattenfänger von Hameln.

Es dreht sich alles um die 20x, die Verzwanzigfachung des Einsatzes der Investoren

Der zweite Satz ist ebenso wichtig wie der erste. "Bewege Dich schnell und mach dabei Dinge kaputt". Das war lange Zeit das berühmte Mantra von Facebook, es hing auf Postern in den Büros und tauchte sogar in den Papieren zum Börsengang 2012 auf. Bis heute prägt der Spruch die Gemüter der Gründer im Valley. Siegel erklärt, warum er so wichtig ist, auch wenn Facebook-Chef Marc Zuckerberg inzwischen längst neue Mantras ausgegeben hat. Für Siegel dreht sich wieder alles um die 20x, die Verzwanzigfachung seiner Investition; die ist nur möglich, wenn Gründer mit etwas noch nie da gewesenem auf den Markt kommen: Vor Facebook wussten wir nicht, dass uns telefonieren und Kaffee trinken einmal nicht mehr ausreichen würden, um Freundschaften zu pflegen. Vor Google dachten wir nicht, dass erst eine Suchmaschine das ganze Wissen des Internets verfügbar machen würde.

Etwas ganz Neues heißt auch: Der Gründer muss ein wenig Wahrsager spielen. Sich überlegen, was Menschen brauchen, wenn sie in ein paar Jahren mit fliegenden Autos zum Arbeitsplatz gelangen können. Eine fliegende Tankstelle vielleicht? Übersetzt lautet der Facebook-Satz also: Sei der Erste mit dem, was du machst, auch wenn dein Produkt noch nicht perfekt ist; verbessern kannst du es, sobald du Investoren und Nutzer überzeugt hast, dass sie ohne das Produkt nicht leben können.

Der dritte Satz wird häufig missverstanden: "Wir machen die Welt mit unseren Produkten zu einem besseren Ort". Für viele Ohren klingt es lächerlich, wenn selbst Menschen, die eine Pizzaservice-App bauen, damit für sich werben. Aber es sind Ingenieure, die den Geist des Valley prägen, und Ingenieure wollen Probleme lösen. Wenn ein paar Start-up-Mitarbeiter tief nachts an einem Projekt arbeiten und der Kühlschrank wieder leer ist, löst die Pizza-App das akute Problem der Nichtverfügbarkeit von Nahrung. Damit macht sie die nächtliche Welt der Techies für einen Moment zu einer besseren.

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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