Der frühere SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel ist zweifelsohne ein ebenso erfahrener wie gut vernetzter Politiker. Was fehlt, ist allenfalls der Nachweis, dass er auch kriselnde Institutionen wieder zu Erfolg führen kann. Bei der SPD jedenfalls gelang ihm der "Turnaround" nicht wirklich, wie es im Managersprech heißt. Die traditionsreiche Volkspartei kämpft weiter gegen den Niedergang; auch unter seiner Führung hatte sich daran wenig geändert. Nun darf Gabriel sein Glück bei der Deutschen Bank versuchen, in deren Aufsichtsrat er eingezogen ist. Das Traditionshaus - 1870 nur sieben Jahre nach der SPD gegründet - befindet sich in der Dauerkrise, auch hier steht die Wende noch aus.
Inzwischen ist bekannt geworden, welchen Themen sich Gabriel im Kontrollgremium widmen will: Nach SZ-Informationen soll er Mitglied im geheimnisumwitterten Integritätsausschuss werden. Dieser siebenköpfige Ausschuss versucht seit 2013 zu überwachen, ob die Verantwortlichen der Bank die Gesetze und ethische Standards einhalten sowie den versprochenen Kulturwandel umsetzen. Das hat nicht immer funktioniert, weil nicht jeder Banker den Kulturwandel wirklich verinnerlicht hatte. Aber zumindest war und ist es das hehre Ziel.
Wohlwollend könnte man sagen: Der ehemalige SPD-Chef Gabriel ist die natürliche Wahl. In die Feinheiten des Bankgeschäfts und seiner Regulierung mag er sich noch einarbeiten müssen, mit Integrität und vor allem Intrigen kennt er sich aber aus. Schließlich gehört es quasi zur Geschäftsgrundlage der SPD, zerstritten zu sein und notfalls anderen Genossen oder Genossinnen mit einer feinen Durchstecherei das Leben zu erschweren.
Und ja, auch in der Deutschen Bank kennt man die innerbetrieblichen Scharmützel zur Genüge. Das größte deutsche Geldhaus gilt nicht von ungefähr als eines der kompliziertesten Unternehmen der Welt. Es gibt dort mehr Gefechtslinien als Geschäftssparten: angelsächsische Investmentbanker auf der einen Seite und brave Filialmitarbeiter auf der anderen Seite. Dazwischen die früheren Beamten der Postbank. Hinzu kommt vor allem: der Druck, Geschäfte zu machen.
Was fast in Vergessenheit geraten ist: Sogar der Integritätsausschuss selbst war Anfang 2016 Schauplatz einer waschechten Intrige. Der damalige Ausschussvorsitzende, der Rechtsanwalt Georg Thoma, hatte sich nach Wahrnehmung einiger seiner Kollegen zu sehr in die Aufklärung der Vergangenheit der Bank verbissen und damit den Neuanfang des Geldhauses blockiert. Das hatten ihm Betriebsratschef Alfred Herling und sein Aufsichtsratskollege Henning Kagermann, Ex-SAP-Chef, nach Anregung von Aufsichtsratschef Paul Achleitner vorgeworfen und sich damit sogar in der Zeitung zitieren lassen. Georg Thoma verließ daraufhin entnervt den Aufsichtsrat der Bank.
Wenn es gut läuft für Gabriel, dann wird er sich in dem Ausschuss langweilen. Die Deutsche Bank will die Zeit der Skandale schließlich längst abgeschüttelt haben. Drängt Gabriel dann an die Spitze des Gremiums? Wird er zu einer Gefahr für Aufsichtsratschef Achleitner? Das hält mancher in der Bank für durchaus möglich. Bei echten Machtmenschen weiß man ja nie.