Siemens-Zahlen und Hauptversammlung:Einiges schiefgelaufen

Aktionäre zweifeln am Aufsichtsratschef, Aktivisten demonstrieren gegen einen Staudamm mit Siemens-Beteiligung und dann sind da noch die hohen Kosten für den Umbau: Auf der Hauptversammlung des Münchner Elektronikkonzerns spürt die Spitze "keinen Rückenwind". Immerhin gibt es Brezen.

Von Björn Finke

Wasserkraft in Brasilien interessiert die meisten Besucher eher wenig. Sie beachten die Aktivisten nicht, die vor der Münchner Olympiahalle Banner hochhalten und Flugblätter verteilen. Lieber schnell rein ins Warme, in die Halle, wo nach der obligatorischen Sicherheitskontrolle Kaffee, Brezen und Würstchen warten sowie ein Tag voller Reden, voller Fragen und Antworten. 8100 Aktionäre kamen zur Siemens-Hauptversammlung, auf der an diesem Mittwoch Vorstand und Aufsichtsrat ihre Leistung im vergangenen Jahr verteidigten und einen Ausblick auf das laufende Jahr gaben. Ein umstrittener Staudamm im Amazonasgebiet, für dessen Wasserkraftwerk Siemens - sehr zum Unwillen der Protestler - Turbinen und Transformatoren liefert, ist den meisten Anteilseignern da egal. Insgesamt waren 34,67 Prozent des stimmberechtigen Kapitals vertreten. 80.000 Aktionäre stimmten aus der Ferne per Brief oder über einen Bevollmächtigten mit ab.

Aufsichtsratschef Gerhard Cromme und Vorstandsvorsitzender Peter Löscher räumten in ihren Reden ein, dass im vorigen Jahr einiges schiefgelaufen ist, verwiesen aber darauf, dass am Ende trotzdem ein hoher Gewinn und mehr Umsatz standen. "2012 war ein gutes, aber kein komplett zufriedenstellendes Jahr für uns", sagte Löscher. Nicht zufriedenstellend war etwa, dass Siemens der Deutschen Bahn die versprochenen ICE-Züge nicht liefern und Windparks in der Nordsee nicht rechtzeitig ans Stromnetz anschließen konnte. Diese Probleme belasteten das Unternehmen auch im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres, in den Monaten Oktober bis Dezember. Vor der Hauptversammlung legte der Konzern die Zahlen für dieses Jahresviertel vor Der Umsatz stieg leicht auf 18,1 Milliarden Euro, der Gewinn nach Steuern sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um zwölf Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Der Wert neuer Aufträge fiel um drei Prozent, eine Folge des weltweiten Konjunkturabschwungs, heißt es. Trotzdem übertraf der Münchner Dax-Konzern die Erwartungen der Analysten sogar ein wenig.

Der Rückgang beim Gewinn lag auch an Sonderbelastungen, die sich auf 212 Millionen Euro summierten. Mehr als die Hälfte davon, 116 Millionen Euro, verursachten die Verspätungen bei der ICE-Lieferung, die Probleme bei den Windparks schlugen mit Lasten von 28 Millionen Euro zu Buche. Finanzvorstand Joe Kaeser sagte, auch in den kommenden Monaten werde es immer wieder kleinere Belastungen wegen der Offshore-Anbindung geben. 50 Millionen Euro kostete das im November verkündete Sparprogramm. Vorstandschef Löscher will die Kosten bis 2014 um sechs Milliarden Euro senken - dafür verlagert das Unternehmen unter anderem die Fertigung an günstigere Standorte, kappt Stellen und verkauft Geschäftsbereiche. Dieser Umbau soll im gesamten Geschäftsjahr, das im September endet, Belastungen von einer Milliarde Euro zur Folge haben - der Großteil der Anstrengungen kommt also erst noch.

Diskussionen über Crommes Wiederwahl

Diese eine Milliarde verteilt sich unterschiedlich auf die vier Sektoren des Konzerns: Im Industriegeschäft kostet das Sparprogramm 400 Millionen Euro, im Energiesektor 300 Millionen Euro, im Bereich Infrastruktur & Städte 240 Millionen Euro und in der Medizintechnik 80 Millionen Euro. Im Industriegeschäft wird also am meisten umgebaut - der Bereich liefert etwa Ausrüstung für Fabriken und spürt den derzeitigen Abschwung deshalb besonders stark. Im Infrastrukturbereich wird nach Worten von Finanzvorstand Kaeser vor allem bei der Zugtechnik gespart, wo Siemens im Herbst einen britischen Wettbewerber gekauft hat und nun Doppelfunktionen abbaut, sowie bei Produkten zur Stromverteilung.

Für das laufende Jahr erwartet Löscher "von der Weltwirtschaft keinen Rückenwind". Nach dem "soliden" ersten Quartal hält der Österreicher aber an den Zielen für das Gesamtjahr fest: Der Umsatz soll in etwa das Vorjahresniveau erreichen, der Gewinn mindestens 4,5 Milliarden Euro betragen.

Auf der Hauptversammlung geht es aber nicht nur um Geschäftszahlen und technische Pannen. Das Siemens-Management will auch die Abspaltung und den Börsengang der Licht-Tochter Osram von den Aktionären durchwinken lassen. Außerdem werden die Vertreter der Anteilseigner im Aufsichtsrat neu gewählt. Diskussionen werden insbesondere über die Wiederwahl von Gerhard Cromme erwartet, dem Chef des Kontrollgremiums. Der ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender beim Krisenkonzern Thyssen-Krupp, weswegen manche Aktionäre daran zweifeln, dass er sich Siemens ausführlich genug widmen kann. Keinen Zweifel gibt es aber daran, dass er am Ende trotzdem wieder in das Gremium gewählt wird.

Die Staudamm-Kritiker beantragen auf der Hauptversammlung, dass die Aktionäre Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung verweigern, weil die Manager für die Beteiligung des Konzerns an dem Projekt in Brasilien verantwortlich sind. Der Antrag wird abgeschmettert werden - auch daran gibt es keinen Zweifel.

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