Siemens vor Neuanfang:Ein Duo räumt auf

Endlich einen Schlussstrich ziehen: Mit der Hauptversammlung wollen Gerhard Cromme und Peter Löscher die Korruptionsaffäre bei Siemens hinter sich lassen. Probleme gibt es genügend.

T. Fromm u. M. Hesse

Die Mitteilung vom Montag war kurz und trocken, doch die Botschaft dahinter dürfte Konzernchef Peter Löscher und seinem Chefkontrolleur Gerhard Cromme sehr am Herzen gelegen haben. "Die Siemens AG hat heute, wie angekündigt, gegen die zwei ehemaligen Vorstände Thomas Ganswindt und Heinz-Joachim Neubürger Schadensersatzklage am Landgericht München eingereicht."

Siemens vor Neuanfang: Siemens-Chef Peter Löscher (links) und der Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Cromme: Kürzungen hier und da, ohne das Ganze Sparprogramm zu nennen.

Siemens-Chef Peter Löscher (links) und der Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Cromme: Kürzungen hier und da, ohne das Ganze Sparprogramm zu nennen.

(Foto: Foto: AP)

Es ist die Nachricht, die einen Schlusstrich ziehen soll unter eine seit über drei Jahren andauernde Schmiergeldaffäre, die den Konzern Milliarden gekostet hat. Mit neun ehemaligen Vorständen und Aufsichträte hatte man sich auf außergerichtliche Vergleiche geeinigt, auch mit Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer.

Nur Neubürger, Ex-Finanzchef, und Ganswindt, früher für Telekommunikationsprodukte bei Siemens zuständig, ließen es darauf ankommen - sie wurden jetzt auf jeweils 15 bzw. fünf Millionen Euro Schadenersatz verklagt.

Treiber der Aufklärung

Es wird eine der Kernbotschaften bei der Hauptversammlung der Aktionäre am Dienstag sein: Ein dunkles Kapitel abgeschlossen, Siemens wieder fit für die Zukunft. So wird sie vermutlich laufen, die Geschichte.

Beide werden an diesem Dienstag über Erfolge reden wollen. Der eine, Aufsichtsratschef Cromme, über die Korruptionsaffäre, die er für abgeschlossen erklären wird. Man wird ihm die Erleichterung darüber ansehen.

Der Mann, der seit 2003 im Aufsichtsrat von Siemens sitzt und seit 2005 auch Vorsitzender des Prüfungsausschusses war, wurde selbst zwar häufig wegen der Affäre kritisiert. In die Schusslinie geriet er aber nicht. Als die Korruptionsaffäre Ende 2006 ans Tageslicht kam und eskalierte, wurde er zum Treiber der Aufklärung - um dann im Frühjahr 2007 selbst zum Aufsichtsratsvorsitzenden aufzusteigen.

Der Mann des Neuanfangs

Der Oldenburger holte bald darauf den Österreicher Löscher an die Spitze des Konzerns und startete eine gigantische Aufklärungsaktion quer über den Konzern hinweg. Am Ende wurde aus dem langjährigen Aufsichtsrat Cromme der Mann des Neuanfangs bei Siemens.

"In den vergangenen zwei Jahren hat er konsequent mit der Vergangenheit aufgeräumt", sagt ein Aktionärsvertreter. Zwar sei immer eine Restunsicherheit geblieben, ob nicht auch Cromme, der seit 2003 im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt, etwas hätte wissen müssen über die Schmiergeldzahlungen bei Siemens. Doch vor allem im Ausland werde die Aufklärung zu einem großen Teil ihm angerechnet.

Spricht man mit Aktionären, die bei der Hauptversammlung am Dienstag über die Vergleiche abstimmen sollen, überwiegt der Eindruck, dass sie das Thema Korruptionsaffäre satt haben. "Es ist das beste, wenn Ruhe einkehrt", sagte ein Vertreter der Belegschaftsaktionäre der SZ. "Dazu trägt der Vergleich bei."

Ein andere Anteilseigner argumentiert, zwar hätte man über Klagen vielleicht etwas mehr aus den ehemaligen Vorständen herausholen können. "Doch ob jahrelange Prozesse im Interesse des Unternehmens sind, ist fraglich." Auch weil bei vielen Ex-Managern, so ein Insider, "nicht mehr viel zu holen" sei.

Wunsch nach Rückkehr zu Alltagsproblemen

Laut einer Umfrage des Aktionärsforums, einer Internetplattform für Anteilseigner, waren kurz vor der Hauptversammlung die meisten Siemensaktionäre noch unentschieden, wie sie über die Vergleiche abstimmen würden. Es auch ein Zeichen dafür sein, dass viele dem Thema mittlerweile gleichgültig gegenüberstehen.

Ähnlich die Stimmung bei den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat: "Wichtig ist uns, dass das Thema abgeschlossen ist und wir uns wieder um das eigentliche Geschäft kümmern", heißt es dort. Die Rückkehr zum eigentlichen Geschäft - das ist auch die Rückkehr zu den Alltagsproblemen von Konzernchef Löscher.

Der 52-Jährige wird auf ein paar wirtschaftliche Erfolge der vergangenen Tage und Wochen verweisen. Dass Siemens nach Worten von Bahnchef Rüdiger Grube als "bevorzugter Bieter" für den größten Fahrzeug-Investitionsauftrag in der Geschichte der DB ausgewählt ist. Immerhin geht es um 300 Züge bei der Erneuerung der Intercity-Flotte. Das alles sind gute Nachrichten, aber sie werden nicht verdecken können, dass der Konzern vor einem harten Jahr steht.

Zuletzt machte Siemens noch 76,7 Milliarden Euro Umsatz und einen Gewinn nach Steuern von 2,5 Milliarden Euro. Was nicht heißt, dass Siemens gut durch die Krise kommt - im Gegenteil: Im langfristigen Geschäft des Konzerns machen sich die Einbrüche nur später bemerkbar als bei anderen Unternehmen. "In den kommenden Quartalen schlagen die rückläufigen Aufträge bei Siemens durch", sagt auch Theo Kitz, Analyst beim Bankhaus Merck Finck.

Kommt wirklich kein neues Sparprogramm?

Vor allem im Industriegeschäft läuft es nicht rund; hier bekommen die Münchner die Krise voll zu spüren. Und so bleiben viele Fragen offen: Bleibt es bei dem, was Löscher immer wieder gesagt hat - kommt wirklich kein neues großes Sparprogramm?

Bislang verfolgt das Unternehmen eine Art Salami-Taktik; kürzt hier und da, baut geräuschlos Tausende von Jobs ab, ohne das Ganze Sparprogramm zu nennen. Möglich, dass Löscher, von dem Arbeitnehmervertreter sagen, dass sie gut mit ihm zusammenarbeiten, doch noch einmal die ganz große Keule auspackt, um gegen die Krise anzusparen.

Auch deshalb sind Betriebsräte in diesen Tagen zögerlich. Vor allem, wenn es nun bei der Hauptversammlung darum geht, über Vergütungssystem für die Topmanager abzustimmen. Das Modell richte sich zu einseitig an kurzfristigen Renditen aus, kritisierte die IG Metall am Montag in München. "Wir sind dafür, dass bei den Vergütungsvereinbarungen klare Ziele definiert werden", sagt ein Arbeitnehmervertreter.

"Zum Beispiel zu der Frage, ob und wie Beschäftigung in Deutschland gesichert wird." Auch über Löschers Gehalt wird wohl heftig diskutiert werden. Zuletzt verdiente er über sieben Millionen Euro.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: