Neue Konkurrenz in Autobranche:Siemens baut mit Volvo ein Elektroauto

Klein und schnittig soll es sein: Siemens entwickelt mit dem schwedischen Autobauer Volvo ein Elektroauto. Die Münchner, bisher bekannt für Kraftwerke, Züge und Schaltschränke, gehen die Kooperation selbstbewusst an: Es gehe um "einen Meilenstein" und "industrielle Führerschaft". Vor vier Jahren hatte sich der Konzern noch von seiner Elektroauto-Tochter getrennt.

Karl-Heinz Büschemann

Man gibt sich selbstbewusst: Es geht um einen Meilenstein, heißt es, um industrielle Führerschaft, darum, Wegbereiter zu sein. In seiner Rede lässt Siemens-Vorstand Siegfried Russwurm keinen Zweifel daran aufkommen, dass diese Kooperation seiner Meinung nach etwas ganz Besonderes ist. Und tatsächlich kommt es ja nicht jeden Tag vor, dass ein Unternehmen in ein ganz neues Geschäftsfeld vordringt.

Siemens entwickelt mit Volvo E-Autos

So soll es aussehen: Siemens soll für den Volvo C30 die Antriebstechnik, die Leistungselektronik sowie die Ladetechnik für Batterien herstellen.

(Foto: dpa)

Siemens ist bisher bekannt für Kraftwerke, Züge oder Schaltschränke. Dieses Produktportfolio wird nun erweitert: Die Münchner entwickeln jetzt auch Autos, genauer: Elektroautos.

Mit dem Fahrzeughersteller Volvo, der seit vergangenem Jahr dem chinesischen Konkurrenten Geely gehört, hat der Dax-Konzern eine strategische Kooperation vereinbart. Die Münchner steuern zu den neuen Volvo-Elektroautos die Antriebstechnik, Leistungselektronik sowie die Ladetechnik für Batterien bei. Die ersten Autos vom Typ Volvo C30 sollen Ende 2011 Tests auf der Straße absolvieren. Der C30 ist ein kleines Modell der Schweden.

Siemens und Volvo reagieren damit auf einen Trend in der Autoindustrie. Die anspruchsvolle Entwicklung von Elektrofahrzeugen zwingt die klassischen Automobilhersteller dazu, verstärkt mit Elektronik- und Elektrokonzernen zusammenzuarbeiten. Die Kernkompetenzen der Autobauer liegen im Motorenbau, bei den Getrieben und dem Antriebsstrang.

Doch bei elektrischen Antrieben und der Entwicklung von Akkus - dem Herzen der neuen Fahrzeuge - haben die Autohersteller erhebliche Defizite. So kam es in der Branche zu ungewöhnlichen Allianzen. Der Daimler-Konzern etwa arbeitet mit Bosch bei elektrischen Autos zusammen. Bislang galt zwischen den beiden dagegen eine klare Rangordnung: Bosch war immer der Juniorpartner.

Der Hannoveraner Zulieferer Continental wiederum entwickelt inzwischen mit Renault Technologien für Elektroautos. Und Volkswagen hat eine Zusammenarbeit mit dem chinesischen Auto- und Batteriehersteller Build Your Dreams beschlossen. Siemens-Chef Peter Löscher hatte schon vor einiger Zeit das Elektroauto zur neuen Chefsache erklärt. "Das wird ein Milliardenmarkt", prophezeite der Manager.

Weder Siemens-Vorstand Russwurm noch Volvo-Chef Stefan Jacoby, der das Geschäft zusammen mit dem Deutschen am Mittwoch vorstellte, wollten sich dazu äußern, ob die Zusammenarbeit über den bisher geplanten Zeitraum bis 2012 hinausgeht. "Ich könnte mir vorstellen, dass es schon vor Ablauf dieser Zeit zu neuen Absprachen kommt", sagte Russwurm lediglich.

Mit der Kooperation wolle der Konzern "seine industrielle Führung bei der elektrischen Antriebstechnik auf den Automobilmarkt ausdehnen". Die beiden Unternehmen ergänzten sich ideal. Jacoby, der vor seiner Zeit in Schweden bei VW arbeitete, erklärte, er schließe nicht aus, dass die Kooperation später vertieft werden könnte.

"Erhebliches Investment"

Russwurm bestritt, dass Siemens bei dem Thema spät dran sei. Siemens war mit dem VW-Konzern, dem größten Autobauer Europas, nicht ins Geschäft gekommen, weil der seine Elektromotoren selbst bauen wollte. Das sei kein Problem für Siemens, sagte der Manager. Das Unternehmen sei mit Volkswagen weiterhin über verschiedene Themen im Gespräch, aber auch mit anderen Autoherstellern wie Daimler. Umgekehrt erklärte der Volvo-Chef, dass auch er mit anderen Anbietern der Elektronik-Industrie über Partnerschaften rede.

Zu den Kosten der Zusammenarbeit mit Volvo sagte Russwurm nichts. Es handele sich aber "um ein erhebliches Investment". Er betonte, dass der Weg in die Autoindustrie keine Kehrtwende des Siemens-Konzerns darstelle. Siemens bedauere nicht, 2007 die Autoelektronik-Tochter VDO an den Konkurrenten Continental verkauft zu haben. Continental ist heute bei der Elektromobilität einer der stärksten Konkurrenten von Siemens. Der Verkauf von VDO war eine der ersten Entscheidungen des damals neuen Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher.

Was das geplante Elektromodell angeht, wollen Volvo und Siemens eher konventionelle Wege gehen. Die Schweden wollen keine völlig neuen Autos mit Elektroantrieb entwickeln. Andere Hersteller sehen das anders. So glauben die Strategen von BMW, dass das Elektroauto der Zukunft eine völlig Neuentwicklung sein muss, die viel weniger wiegt. Der Volvo-Chef sagte dagegen, es sei kostengünstiger, die vorhandenen Automodelle mit einem elektrischen Antrieb zu versehen.

Der Trend hin zum Elektroauto ist für die Fahrzeughersteller gefährlich: Wo der Verbrennungsmotor auf dem Rückmarsch ist, gewinnen automatisch die Elektronik-Konzerne an Bedeutung, also die Zulieferer. In den Vereinigten Staaten ist schon manchmal die Frage zu hören, ob die Amerikaner nicht eines Tages Autos von Unternehmen wie dem Siemens-Konkurrenten General Electric kaufen werden statt von General Motors. Und vielleicht verkauft in Deutschland Bosch eines Tages mehr Autos als BMW?

Schon warnt ein Automanager seine Kollegen: "Wenn sich die großen Autounternehmen nicht zusammenschließen, übernehmen die Zulieferer das Geschäft." Siemens-Mann Russwurm sagte aber am Mittwoch, der Münchner Konzern wolle sich aus dem klassischen Fahrzeuggeschäft heraushalten: "Wir wollen keine eigenen Autos bauen". Das brächte auch zu viel Ärger mit wichtigen Kunden.

Allerdings fertigt Siemens gemeinsam mit der kleinen Autoschmiede Ruf aus dem Allgäu Elektroautos, wenn auch nur für Entwicklungszwecke. Die Siemens-Ruf-Autos werden sogar auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt zu sehen sein. Und schon 1905 brachte Siemens ein Auto auf die Straße, das von einer großen Batterie angetrieben wurde. Das Vehikel, das den damals üblichen Autos mit freigestellten Rädern und den darüber laufenden Kotflügeln sehr ähnlich sah, hieß "Elektrische Viktoria". Fast 50 dieser Fahrzeuge baute Siemens in einem Werk in Berlin.

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