Siemens und die IG Metall:Informiert, aber hilflos

Wieder einmal steht eine Gewerkschaft vor der Situation, dass sie sich über das Vorgehen eines Unternehmens wundern muss - und wenig tun kann.

Detlef Esslinger

Natürlich war der Auftritt des Vorstandschefs für den Gewerkschafter keine Überraschung mehr. Dass Siemens 17.000 Stellen abbauen würde, war bereits vor mehr als einer Woche durchgesickert; die Einzelheiten dürfte Werner Neugebauer, der Bezirksleiter der IG Metall in Bayern, spätestens seit Montagmittag gekannt haben. Denn da präsentierte der Vorstand den Arbeitnehmervertretern seine Pläne, und zwar im Wirtschaftsausschuss des Konzerns.

Dieses Gremium schreibt das Betriebsverfassungsgesetz allen Firmen vor, die mindestens 100 Mitarbeiter haben. Seine Mitglieder werden vom Betriebsrat bestimmt; ihnen muss die Firmenleitung regelmäßig Informationen über Produktions- und Absatzlage, Investitionen und Personalplanung geben. Was die 22 Arbeitnehmervertreter bei Siemens dort erfuhren, fasste ihr Anführer Neugebauer (der dem Gremium nicht angehört) am Dienstag so zusammen: "Weder nachvollziehbar und akzeptabel, und in diesem Umfang völlig überzogen."

Wieder einmal steht eine Gewerkschaft vor der Situation, dass sie sich über das Vorgehen eines Unternehmens wundern und über dessen Stil empören muss - zugleich ahnend, dass sie die Pläne nicht verhindern, sondern allenfalls zur Abmilderung ihrer Folgen beitragen kann.

Mehr Fragen als zuvor

"Pauschalkürzungen per Rasenmäher sind mit uns nicht zu machen" und "Sollte es nötig werden, sind unterschiedliche Formen des Protests und des Widerstands möglich" - solche Erklärungen gab Neugebauer am Dienstag ab; was man halt so sagt, wenn man etwas sagen muss, in Wahrheit aber seine eigenen Optionen noch nicht kennt.

Elf Stunden waren die Arbeitnehmervertreter allein am Montag informiert worden. Sie erhielten eine "Fülle von Daten", wie auch Neugebauer konzediert, aber im Grunde hatten sie danach mehr Fragen als zuvor: Warum baut ein Unternehmen Stellen ab, obwohl doch die Auftragsbücher voll sind? Warum strebt es mehr Kundennähe an, baut dann aber seinen Service ab?

Denn eines erkennt jeder sofort, der Siemens auch nur ein bisschen kennt: Wenn dieses Unternehmen Niederlassungen schließt oder ausdünnt, die nur ein paar Dutzend Mitarbeiter haben, dann kann es sich dabei im Grunde nur um Service-Niederlassungen handeln.

In der Öffentlichkeit hatte Siemens-Chef Peter Löscher in den vergangenen Tagen stets den Eindruck erweckt, er wolle die Stellen vor allem im Management streichen. Im Wirtschaftsausschuss aber gab es dann andere Informationen, sagt der Gewerkschafter Neugebauer. Die Pläne beträfen zu 75 Prozent Beschäftigte, die unter den Tarifvertrag der IG Metall fallen - beispielsweise Service-Techniker und Mitarbeiter der Verwaltung.

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