Süddeutsche Zeitung

Siemens und die ICE-Züge:"Das ist eine Mega-Peinlichkeit"

Seit Jahren wartet die Deutsche Bahn auf neue ICE-Züge. Die Verzögerung hat bereits zum vorzeitigen Ausscheiden von Ex-Siemensvorstand Peter Löscher beigetragen. Nun will sich Nachfolger Joe Kaeser an dieses Problem wagen.

Von Caspar Busse

Es war eines seiner ersten Projekte nach dem Amtsantritt im August. Der neue Siemens-Chef Joe Kaeser meldete sich bei seinem Kollegen Rüdiger Grube von der Deutschen Bahn und machte einen ungewöhnlichen Vorschlag: Er wolle als Gast in die Vorstandssitzung des Verkehrsunternehmens kommen, den Bahn-Kollegen Rede und Antwort stehen. Der Termin kam schnell zustande. Kaesers Werben um Vertrauen bei der Bahn war nötig, denn das Verhältnis der beiden Großunternehmen ist nicht das Beste: Die Lieferung neuer ICE-Züge von Siemens verzögert sich seit zwei Jahren, sorgt für stetigen Ärger, wachsende Kosten und beschädigte den Ruf des Weltkonzerns.

"Es gibt jede Menge Erklärungen, warum wir das nicht hingekriegt haben, aber keine Begründung. Wir haben einfach nicht gut gearbeitet", räumte Kaeser nun bei einem Auftritt vor Studenten im überfüllten Audimax der Technischen Universität München schonungslos ein. Offen fügte er an: "Das ist eine Mega-Peinlichkeit." Kaeser sagt nun, die Auslieferung der Hochgeschwindigkeitszüge werde "so schnell wie möglich" erfolgen. Aus Branchenkreisen verlautet, es könnte noch in diesem Jahr soweit sein, also bis Ende Dezember, dass die ersten Züge bei der Bahn eintreffen. Damit hätte der Siemens-Chef ein großes Probleme vom Tisch, das schon zum vorzeitigen Ausscheiden seines Vorgängers Peter Löscher beigetragen hatte.

Intensive Verhandlungen mit Eisenbahn-Bundesamt

Derzeit testet die Deutsche Bahn zwei Züge und macht Probefahrten; Fahrzeugführer werden bereits auf den neuen Triebköpfen geschult, bestätigt ein Sprecher der Deutschen Bahn. Die beiden Fahrzeuge wären dann wohl auch die ersten, die für den Passagierverkehr freigeben werden. Siemens steht derzeit offenbar in intensiven Verhandlungen mit dem Eisenbahn-Bundesamt, das die Zulassung erteilen muss. Die Behörde hatte die Auslieferung der Zügen wiederholt verzögert, immer wieder gab es neue Anforderungen, und Siemens musste nachbessern. Nach peinlich langer Wartezeit der Bahn flüchtet sich Kaeser bereits in Sprüche wie: "Das ist wie bei Warten auf Godot." Das Gute sei aber: "Die Züge kommen."

Nun geht offenbar etwas voran. "Wir stehen bereit, zügig zu prüfen, was der Hersteller einreicht", sagte eine Sprecherin des Eisenbahn-Bundesamtes am Dienstag. Der Kontakt zwischen Siemens und dem Bundesamt sei eng. Es geht um insgesamt 17 neue ICE-Züge, die einzeln für den Verkehr zugelassen werden müssen. Immer wieder gab es Probleme mit der Steuerungssoftware. Die Züge, die schon längst kreuz und quer durch Deutschland fahren sollten, haben einen Wert von 530 Millionen Euro.

Verspätungen, Zugausfälle und verärgerte Fahrgäste

Die Deutsche Bahn könnte die neuen Fahrzeuge gut gebrauchen, immer wieder leidet der Verkehr unter Engpässen. Es gibt manchmal - das gilt besonders in den Wintermonaten - keine ausreichende Zug-Reserve. Die Folge sind Verspätungen, Zugausfälle und Verärgerung bei den Fahrgästen. Am 15. Dezember wird der Fahrplan der Deutschen Bahn umgestellt, die neuen Züge seien darin aber noch nicht berücksichtigt, sagt ein Bahn-Sprecher. Nach den schlechten Erfahrungen will der Staatskonzern nun erst abwarten, ob es endgültig grünes Licht gibt. In Russland, Spanien und nun auch in der Türkei verkehren die Siemens-Hochgeschwindigkeitszüge bereits.

Damit es nicht neue Probleme bei der Neuentwicklung der nächsten Zug-Generation gibt, haben Kaeser und Grube nun eine gemeinsame Arbeitsgruppe unter ihrer Führung eingerichtet. Die soll alle Probleme und Verzögerungen bei den ICX genannten Zügen unverzüglich melden. Alleine bei der Bahn sind daran 80 Mitarbeiter beteiligt. Die Auslieferung des ICX ist für 2017 oder 2018 geplant.

Insgesamt gebe es in Deutschland trotz allem nur ganz wenige Großprojekte, bei denen es nicht so gut laufe, betonte Kaeser. Er rate zu mehr Gelassenheit. Das gelte auch für das Desaster am neuen Flughafen Berlin-Brandenburg, dessen Eröffnung zuletzt mehrmals verschoben wurden und an dessen Bau auch Siemens beteiligt ist. "Das ist kein Problem, den braucht im Augenblick eh keiner", sagte Kaeser dazu vor den Studenten. Es reiche durchaus, wenn der Airport erst in fünf bis zehn Jahren aufmachen würde.

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Quelle:
SZ vom 04.12.2013/schä/dmo
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