Siemens und die AUB:"Betriebsratswahlen unzulässig beeinflusst"

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth klagt an: Die Siemens AG hat mit der verdeckten Finanzierung der Arbeitnehmer-Organisation AUB gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen. Ex-Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer und den langjährigen AUB-Chef Wilhelm Schelsky sollen sich vor der Justiz verantworten.

Klaus Ott und Uwe Ritzer

Klotzen statt kleckern, so lautete das Motto der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) bei den Wahlkämpfen um Betriebsratsmandate im Industriekonzern Siemens. Auf großen Plakaten wurde Stimmung gegen Konkurrenten von der IG Metall gemacht, hinzu kamen aufwendig gedruckte Werbezettel, Serienbriefe und Prospekte. Einmal verteilte die AUB, um sich bei der Belegschaft beliebt zu machen, sogar Schokoladen-Osterhasen. Geld war, trotz der wenigen Mitglieder, stets mehr als genug da. Die AUB wurde, wie man heute weiß, heimlich von der Siemens AG gesponsert - mit vielen Millionen Euro.

Das soll nun ein Nachspiel vor Gericht haben. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat jetzt Anklage gegen den früheren AUB-Bundesvorsitzenden Wilhelm Schelsky und den ehemaligen Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer erhoben. Ihnen werden verschiedene Finanzdelikte zur Last gelegt. Der brisanteste Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet indes, die Zahlungen von Siemens an Schelsky stellten einen Verstoß gegen Paragraf 119 Betriebsverfassungsgesetz dar. Darin wird die Beeinflussung von Betriebsratswahlen, beispielsweise durch die "Gewährung von Vorteilen", für strafbar erklärt. Die Staatsanwaltschaft kommt zu dem Ergebnis, in der AUB-Affäre liege eine "unzulässige Beeinflussung von Betriebsratswahlen" vor. Diesen Verdacht hatte die IG Metall bereits im vergangenen Jahr in einer Strafanzeige geäußert.

Untreue und Steuerhinterziehung

Dass Betriebsratswahlen manipuliert worden sein sollen, ist freilich kein eigener strafrechtlicher Vorwurf in der 228-seitigen Anklage gegen Feldmayer und Schelsky. Die Staatsanwaltschaft leitet daraus vielmehr andere Delikte ab, die der langjährige AUB-Chef und der Ex-Siemens-Vorstand begangen haben sollen. Auf der Basis eines von Feldmayer unterschriebenen Beratervertrags habe Schelsky von 2001 bis 2006 insgesamt 30,3 Millionen Euro an Honoraren erhalten, die vor allem für die Finanzierung der AUB vorgesehen gewesen seien.

Die damit verbundene Erwartung, Vertreter der AUB würden sich nach ihrer Wahl in den entsprechenden Gremien "arbeitgeberfreundlich" verhalten, könne aber nicht als "wirtschaftlich messbarer Vermögensvorteil" angesehen werden. Zudem seien durch die Unterstützung der AUB "elementare Grundsätze des Mitbestimmungsrechts verletzt worden", rügt die Staatsanwaltschaft. Siemens sei ein Vermögensschaden in Höhe der 30,3 Millionen Euro entstanden. Feldmayer habe sich der Veruntreuung von Konzernvermögen schuldig gemacht, Schelsky der Beihilfe hierzu.

Außerdem sind nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Steuern hinterzogen worden. Siemens hätte die an Schelsky ausgereichten Millionen nicht beim Fiskus geltend machen dürfen, weil mit diesen Zahlungen gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen worden sei. Aus dem gleichen Grund habe auch Schelsky die Finanzbehörden hintergangen. Der hauptberufliche Unternehmensberater und ehrenamtliche AUB-Chef hat nach Erkenntnissen der Ermittler bei seinen privaten Firmen von ihm für die AUB ausgegebene (Siemens)Mittel als Betriebsausgaben geltend gemacht. Die AUB-Förderung sei aber eine unzulässige Beeinflussung von Betriebsratswahlen gewesen. Folglich sei es unzulässig gewesen, diese Mittel als Betriebsausgaben von der Steuer abzusetzen. Allein bei der Einkommens- und Gewerbesteuer seien bei Schelsky, auch im Rahmen eines von ihm betriebenen Sportsponsorings, von 2000 bis 2004 knapp 8,9 Millionen Euro hinterzogen worden.

Millionen für den Sport

Laut Ermittlungsergebnissen soll Schelsky nahezu alle Beschäftigten der AUB-Bundesgeschäftsstelle in Nürnberg und eine Vielzahl von Mitarbeitern der AUB-Landesgeschäftsstellen selbst bezahlt haben, als Arbeitnehmer einer seiner Privatfirmen. Auch diese Gehälter habe Schelsky - zu Unrecht - als Betriebsausgaben beim Fiskus geltend gemacht. Und noch einen Vorwurf erhebt die Staatsanwaltschaft gegen den langjährigen AUB-Chef und einstigen Siemens-Betriebsrat. Schelsky habe Siemens spätestens seit Anfang 2006 "über die tatsächliche Verwendung der abgerechneten Gelder getäuscht". Er habe bei zusätzlichen Rechnungen über 3,2 Millionen Euro an Siemens einen Zusatzaufwand für die AUB vorgespiegelt. Tatsächlich soll Schelsky aber fast 3,1 Millionen Euro für sein Sportsponsoring sowie für private Zwecke und eigene Unternehmen ausgegeben haben.

In der Anklageschrift sind die Details aufgelistet. Mit dem Geld von Siemens habe Schelsky die Spielergehälter nahezu der gesamten Damen-Handballmannschaft des 1. FC Nürnberg bestritten, eines national wie international sehr erfolgreichen Teams. Mit Siemens-Mitteln seien bei den Club-Damen auch die Leasingkosten für Autos finanziert worden, sowie die Spielergehälter der Herren-Handballer des VfB Forchheim und der Fußballer des GSV 04 Greifswald.

Die Staatsanwaltschaft wirft Schelsky deshalb auch vor, Siemens in vier Fällen betrogen zu haben. Heftige Anschuldigungen also, über die nun das Landgericht Nürnberg-Fürth berät. Die zuständige Wirtschaftsstrafkammer muss entscheiden, ob die Anklage zugelassen wird. Wäre das der Fall, dann könnte irgendwann im Herbst der Prozess beginnen. Zuvor ist aber noch das Oberlandesgericht gefordert. Es befindet darüber, ob Schelsky, der seit Februar 2007 in Untersuchungshaft sitzt, im Gefängnis bleibt.

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