Siemens:Spuren quer durch Europa

Behörden in sieben Ländern ermitteln wegen des Verdachts von Schmiergeldzahlungen gegen den Konzern. Ein Überblick

Hans Leyendecker und Klaus Ott

Die Rechtsabteilung von Siemens hat derzeit mehr Arbeit, als dem Konzern lieb sein kann. In sieben Staaten wird wegen mutmaßlicher Schmiergeldzahlungen ermittelt.

Schwarze Kassen bei Siemens

Der Weg des Geldes: Nach bisherigen Ermittlungen flossen hohe Beträge in zahlreiche Länder.

(Foto: Grafik: SZ)

Deutschland:

Die Staatsanwaltschaft Wuppertal ermittelt seit Jahren gegen fünf Siemens-Mitarbeiter und zehn weitere Beschuldigte wegen Verdachts der Bestechung bei einem Geschäft in Serbien.

Siemens und der Duisburger Anlagenbauer Lurgi Lentjes Services hatten als Konsortium von der EU-Agentur für den Aufbau des Balkans den Zuschlag für die mindestens 49,8 Millionen Euro teure Modernisierung des Kraftwerkblocks Nikola Tesla A3 bei Belgrad bekommen. Angeblich wurden etwa zweieinhalb Prozent des Gesamtumsatzes (1,3 Millionen Euro) als Schmiergeld an einen früheren britischen EU-Bediensteten gezahlt.

Die Ermittlungen sollen im nächsten Jahr abgeschlossen werden. Falls sich der Korruptionsverdacht bestätigen sollte, könnte die EU einen Teil der Summe zurückfordern und die in den Fall verstrickten Firmen, darunter Siemens, von künftigen Ausschreibungen ausschließen. Siemens erklärte, es handele sich um ein laufendes Verfahren: "Wann und ob es zu einer Anklage kommt, wissen wir nicht."

Die Staatsanwaltschaft München ermittelt wegen der schwarzen Kassen in Österreich und der Schweiz. Dieses Verfahren beruht auf einem Rechtshilfeersuchen aus der Schweiz.

Schweiz:

Die Bundesanwaltschaft in Bern ermittelt seit Sommer 2005 gegen Siemens-Manager wegen des Verdachts der Geldwäsche. Die Strafverfolger waren von dem Geldwäschebeauftragten einer Dresdner-Bank-Tochter in Zürich alarmiert worden. Den Geldmanagern war aufgefallen, dass ein Siemens-Beauftragter eine zweistellige Millionensumme an einen zweifelhaften Empfänger transferieren wollte. Im Zuge der Ermittlungen stellten die Eidgenossen fest, dass auch Kuriere größere Geldbeträge über die Grenze gebracht hatten.

Italien:

Seit Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Bozen gegen den früheren italienischen Top-Manager Giuseppe Parella und weitere Landsleute wegen Verdachts der Bestechung und Geldwäsche. Siemens-Manager sollen angeblich Parella bestochen haben, um den Zuschlag für einen Kauf der Tochter des staatlichen Telekomunternehmens Stet zu bekommen.

Parella behauptete, er habe für seine angebliche Vermittlertätigkeit fünf Millionen Euro Provision von Siemens erhalten. Die Bozener Staatsanwaltschaft folgte der Spur des Geldes: Zunächst waren die fünf Millionen Euro auf einem Konto in London gebunkert worden, dann wurden sie auf ein Konto der Offshore-Insel Guernsey im Ärmelkanal transferiert.

Das Geld war von einem Konto der Raiffeisenlandesbank Tirol AG in Innsbruck gekommen. Auf diesem Konto, das von den Strafverfolgern Siemens zugerechnet wird, rekonstruierten die Ermittler Geldflüsse in Höhe von insgesamt rund 70 Millionen Mark in den neunziger Jahren.

In Salzburg gab es ein weiteres Schwarzgeld-Konto, über das pro Jahr 75 bis 100 Millionen Mark geflossen sein sollen. Einer der Beschuldigten im Münchner Verfahren soll das Konto jahrelang verwaltet haben. Aus Sicht der Bozener war der 56 Jahre-alte Siemens-Manager nur "ausführendes Organ".

In einem weiteren Verfahren haben die Staatsanwaltschaft Mailand und die Eingreifreserve des Hessischen Generalstaatsanwalts in knapp zwei Jahre dauernden Ermittlungen die Hintergründe eines Geschäfts zwischen der Siemens-Sparte Power Generation und dem italienischen Energiekonzern Enel aufgerollt.

Nach Feststellungen der Strafverfolger sollen ein ehemaliges Vorstandsmitglied und ein ehemaliger Manager der deutschen Anlagenbau-Firma an zwei italienische Manager rund sechs Millionen Euro gezahlt haben, um den Zuschlag für die Lieferungen von Industrieanlagen (Gasturbinen und Zubehör) zu gewinnen.

Das Schmiergeld soll über die Konten verschiedener Firmen und Stiftungen in Liechtenstein, Dubai und Abu Dhabi auf Konten in Monaco und Lugano geflossen sein. Den beiden früheren Siemens-Managern soll nach dem derzeitigen Stand der Dinge im nächsten Jahr in Darmstadt der Prozess wegen Verdachts der Bestechung und der Untreue gemacht werden. Siemens teilte auf Anfrage mit, die Staatsanwaltschaft habe im März 2006 Anklage erhoben.

Im zweiten Teil: Die Ermittlungen in Liechtenstein, Ungarn, Griechenland und Norwegen.

Spuren quer durch Europa

Liechtenstein:

Die dortige Staatsanwaltschaft ermittelt seit 2004 gegen Siemens-Mitarbeiter wegen des Verdachts auf Untreue, Geldwäsche und Bestechung. Die Ermittler des Fürstentums haben den Verdacht, dass über Siemens-Konten in Liechtenstein rund 7,6 Millionen Euro im Zusammenhang mit Geschäften des Konzerns nach Asien und Afrika transferiert worden sind.

Die Siemens AG teilte der Behörde in Vaduz mit, der Konzern sei nicht geschädigt worden. Dennoch haben die liechtensteinischen Behörden das Verfahren nicht eingestellt. Ein Treuhänder mit Sitz am Luganer See in der Schweiz soll das Netzwerk betreut haben.

Griechenland:

Die Athener Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht nach, dass Siemens im Rahmen der Olympischen Spiele 2004 geschmiert hat. Der Münchner Weltkonzern hatte unter anderem für die Sommerspiele eine riesige Sicherheitszentrale geliefert und für die Überwachung der Sportstätten insgesamt 60 000 einzelne Geräte installiert.

Auch baute der deutsche Weltkonzern das griechische Telefonnetz und das U-Bahn-Netz aus. Ob und in welchen Bereichen geschmiert wurde, ist unklar. Auf verdächtigen Konten in der Schweiz, die karibischen Briefkastenfirmen zugeordnet werden und auf die ein griechischer Siemens-Manager, der Chef der Sparte Telekommunikation (Com) in Athen war, Zugriff hatte, sollen zeitweise 41 Millionen Euro gelagert haben.

Etwa zehn Millionen Euro flossen ab, davon mindestens sechs Millionen Euro nach Griechenland. Gegen den in diesem Frühjahr bei Siemens ausgeschiedenen Manager hat die Staatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Ungarn:

Die Budapester Staatsanwaltschaft hat vor einigen Wochen gegen einen früheren leitenden Siemens-Angestellten in Ungarn Anklage wegen des Verdachts auf Bestechung erhoben. In dem seit 2004 laufenden Verfahren sind auch zwei Mitarbeiter des ungarischen Verteidigungsministeriums ins Visier der Ermittler geraten.

Die beiden Ungarn, die ebenfalls angeklagt wurden, sollen dem Siemens-Manager vertrauliche Informationen über ein geplantes Programm zur Modernisierung von Kasernen zugespielt haben. Daraufhin erhielt Siemens den Zuschlag. Die beiden Beamten sollen als Gegenleistung für ihre Handreichungen Bargeld, Mobiltelefone und Haushaltsgeräte bekommen haben.

In der vergangenen Woche behauptete außerdem ein Budapester Fernseh-Unternehmer, die ungarische Siemens-Tochter habe von ihm als Gegenleistung für das Sponsoring seines Fernsehkanals Geld verlangt. Dieser Vorwurf wurde von der Siemens AG scharf zurückgewiesen.

Norwegen:

Die Siemens-IT-Tochter SBS soll das norwegische Militär um viele Millionen Kronen geprellt haben, indem sie für EDV-Ausrüstung mehr berechnete als laut Vertrag erlaubt gewesen sei. Die Polizei ermittelt wegen Korruptionsverdacht. Das Militär hat Medienberichten zufolge bereits einige Mitarbeiter entlassen, weil sie von SBS Reisen und Geschenke angenommen haben sollen.

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