Siemens:Siemens-Chef Kaeser kontert Schulz-Vorwürfe

  • Der SPD-Chef nennt den geplanten Stellenabbau des Unternehmens "asozial".
  • Der Konzernlenker wehrt sich in einem offenen Brief und erinnert Schulz an seine politische Verantwortung.
  • Unterdessen erwägen die Betriebsräte Streiks.

Von Thomas Fromm

Zwischen den Siemens-Chef und die Kanzlerin passt meistens kein Stück Papier. Wenn Angela Merkel zu Delegationsreisen aufbricht, dann ist auch Joe Kaeser oft nicht weit. China, Indien, USA, Ägypten, Südamerika - wo die Münchner Geschäfte machen können, schließen sie sich gerne dem politischen Tross an. "Wir haben eine sehr erfahrene Bundeskanzlerin", dies sei "gut für Deutschland, das ist gut für die deutsche Wirtschaft", lobte der Manager die Kanzlerin erst im Sommer. Anders ist es dagegen mit SPD-Chef Martin Schulz. Spätestens seit dieser Woche ist das Verhältnis zwischen dem Politiker und Kaeser: angespannt bis zerrüttet.

Chronik eines Schlagabtauschs: Am Wochenende sagte Schulz zu den Kürzungsplänen des Konzerns: Es sei "inakzeptabel, dass ein internationaler Konzern, der über Jahrzehnte direkt und indirekt vom deutschen Staat profitiert hat, jetzt die Mitarbeiter für Managementfehler bluten lassen will". Die Pläne, nach denen an die 7000 Stellen in der Kraftwerks- und Antriebssparte gestrichen werden sollen? "Manchester-Kapitalismus". Am Donnerstag legte er nach und kritisierte bei einer Demonstration vor dem Tagungshotel der jährlichen Siemens-Betriebsräteversammlung in Berlin-Neukölln die Vorgehensweise des Konzerns als "asozial".

Es muss lange gebrodelt haben in Kaeser - am Donnerstagnachmittag dann reagierte er mit einem dreiseitigen Brief an Martin Schulz. 20 Milliarden Euro Steuern und andere Abgaben habe Siemens allein in den vergangenen fünf Jahren überwiesen. Zwischen den Zeilen also die Frage: Wer profitiert hier eigentlich von wem? Es folgen Ausführungen zur Lage im Kraftwerksgeschäft und Zahlen zur Beschäftigung, im Ton sachlich, aber hart und fordernd.

Den härtesten Schlag spart sich der Manager fürs Ende auf. "Sie werfen uns 'verantwortungsloses Management' vor. Aber vielleicht sollten Sie sich dabei auch überlegen, wer wirklich verantwortungslos handelt: Diejenigen, die absehbare Strukturprobleme proaktiv angehen und nach langfristigen Lösungen suchen, oder diejenigen, die sich der Verantwortung und dem Dialog entziehen." Ein unverhohlener Seitenhieb auf die politische Lage in Berlin und die Frage, ob Schulz mit seiner SPD wirklich in die Opposition gehört - oder nicht doch Verantwortung übernehmen sollte.

Streiks als letztes Mittel

Im Saal des Estrel-Hotels, wo die Betriebsräte tagten, sei der Schlagabtausch von Manager und Politiker dann seit dem Nachmittag Thema gewesen. "Die Stimmung hier war ungewöhnlich emotional", berichtet einer.

Wie es nun weitergeht? Man dürfe "nicht riskieren, durch Nichtstun am Ende das komplette Geschäft zu verlieren", warnte Siemens-Personalchefin Janina Kugel die Arbeitnehmervertreter. Der Konzern bleibt bei seinen Plänen. Die IG Metall dagegen droht mit einem langen Kampf gegen die Pläne - man könne so etwas auch "in die Länge ziehen". Streiks als letztes Mittel schließen die Arbeitnehmervertreter nicht aus. Und Kaeser? Der schließt seinen Brief an Schulz wie folgt: "Ich hoffe, dass ich Ihnen helfen konnte, die Situation sachgerechter einzuordnen." Fortsetzung folgt, garantiert.

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