Siemens:Schöne Schulden

Eröffnung der Siemens-Zentrale in München, 2016

Siemens-Zentrale in München am Wittelsbacher Platz: Anleger reißen dem Konzern seine Anleihen aus den Händen – trotz negativer Rendite.

(Foto: Florian Peljak)

Der Verfall der Zinsen treibt Blüten: Jetzt gibt es auch bei Unternehmen Anleihen mit negativer Rendite.

Von Harald Freiberger

Der Verfall der Zinsen treibt immer seltsamere Blüten: Bei Staatsanleihen liegt die Rendite schon länger im negativen Bereich. Nun gibt es aber auch Unternehmen, die daran verdienen, wenn sie sich verschulden. Das jüngste und prominenteste Beispiel ist der Siemens-Konzern. Er gab am 27. August eigene Anleihen im Wert von 3,5 Milliarden Euro aus. Sie verteilten sich auf Laufzeiten von zwei, fünf, zehn und 15 Jahren. Dabei rentierte die zweijährige Anleihe mit minus 0,315 Prozent, die fünfjährige mit minus 0,207 Prozent, wie Siemens am Freitag mitteilte. Der Industriekonzern verdient mit beiden Anleihen 11,5 Millionen Euro, wenn man die Rendite auf Volumen (1,5 Milliarden Euro) und Laufzeit umrechnet.

"Dass nun auch die Renditen von Unternehmensanleihen im Minus notieren, spiegelt den tiefen Fall des Zinsniveaus in diesem Jahr", sagt Matthias Schell, Anleihenexperte bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Die Anleihen von sicheren Staaten in Europa liegen inzwischen durchgehend im negativen Bereich. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen zum Beispiel fiel seit Oktober 2018 von plus 0,56 auf minus 0,60 Prozent. Im Vergleich zu Staaten mit hoher Bonität müssen Unternehmen einen Aufschlag zahlen, weil bei ihnen das Risiko größer ist, dass die Anleihe ausfällt. "Doch selbst dieser Aufschlag reicht nun teilweise nicht mehr, um die Rendite im positiven Bereich zu halten", sagt Experte Schell.

Auch der Energiekonzern Eon gab Ende August eine Anleihe mit einer Rendite von minus 0,149 Prozent heraus. Beim französischen Telekommunikationskonzern Orange notierte eine Anleihe bei minus 0,24 Prozent. Vereinzelt lagen schon ab Mai Renditen von Unternehmensanleihen bei der Ausgabe leicht im Minus, so beim deutschen Chemiekonzern Merck KG AA oder bei den französischen Industriekonzernen Tales und Schneider Electric.

Technisch läuft es so ab, dass der Ausgabekurs der Anleihe über 100 liegt. Der Käufer bekommt am Ende der Laufzeit also weniger zurück, als er dafür bezahlt hat. Wer eine Unternehmensanleihe herausgibt, orientiert sich an den sogenannten Euro-Swaps, die das Zinsniveau in Europa für verschiedene Laufzeiten widerspiegeln. Beispiel Siemens: Der Swap-Satz für zweijährige Anleihen lag Ende August bei minus 0,535 Prozent, darauf zahlte Siemens einen Aufschlag von 0,22 Prozent - ergab die Rendite von minus 0,315 Prozent.

Die Nachfrage nach der Siemens-Anleihe war fast fünfmal höher als das Angebot. Die Käufer sind vor allem institutionelle Anleger wie Versicherungen. Sie hoffen auf noch weiter sinkende Zinsen. Dann könnten sie beim Verkauf Kursgewinne einstreichen: Bei Anleihen steigt automatisch der Kurs, wenn die Rendite fällt.

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