Siemens: Schmiergeldaffäre:Ex-Vorstand soll vor Gericht

Anklage wegen Korruption: Dem Ex-Siemens-Vorstand Thomas Ganswindt wird offenbar bald der Prozess gemacht. Und er dürfte nicht der einzige Topmanager sein.

Klaus Ott

Drei Jahre nach der Aufdeckung schwarzer Kassen und weltweiter Schmiergeldsysteme im Industriekonzern Siemens zeichnet sich ab, dass die Münchner Staatsanwaltschaft hart bis in die ehemalige Konzernspitze durchgreift.

Siemens, Korruptionsaffäre, Thomas Ganswindt, dpa

Erstmals soll ein ehemaliger Topmanager aus der ersten Reihe des Siemens-Konzerns wegen Schmiergeldzahlungen angeklagt werden.

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Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist eine Anklage gegen das frühere Vorstandsmitglied Thomas Ganswindt geplant. Erstmals soll ein Top-Manager aus der ersten Reihe vor Gericht gestellt werden. Ganswindt ist wahrscheinlich nicht das einzige ehemalige Vorstandsmitglied, das angeklagt wird. Die Staatsanwaltschaft erklärte auf Anfrage, sie nehme zu den noch laufenden Ermittlungen nicht Stellung. Ganswindts Anwalt äußerte sich ebenfalls nicht.

"Zeitalter vor und nach Siemens"

In den Chefetagen der deutschen Wirtschaft werden der Fall Siemens und dessen Konsequenzen derzeit aufmerksam verfolgt. An diesem Beispiel wird grundsätzlich entschieden, wie weit die Amtspflichten von Vorständen reichen und in welchem Umfang sie für Missstände oder gar kriminelle Delikte im Unternehmen haften müssen. In Wirtschaft und Justiz ist bereits von einem "Zeitalter vor und nach Siemens" die Rede. Seit Beginn des Skandals sei klar, dass Konzernvorstände geeignete Maßnahmen ergreifen müssten, um Schmiergeldzahlungen und andere Gesetzesverstöße zu verhindern.

Besonders intensiv wird das Schicksal des langjährigen Siemens-Chefs Heinrich von Pierer diskutiert. Siemens verlangt von ihm sechs Millionen Euro Schadenersatz. Die Staatsanwaltschaft will gegen Pierer einen Bußgeldbescheid verhängen. Er soll die Geschäfte im eigenen Hause nicht genau genug kontrolliert und dadurch die weltweiten Schmiergeldzahlungen möglich gemacht haben, lautet der Vorwurf. Das sei eine Ordnungswidrigkeit.

Argentinische Regierung geschmiert

Das Bußgeld könnte maximal eine Million Euro betragen. Pierer hat diese Woche mit seinen Anwälten bei der Münchner Staatsanwaltschaft vorgesprochen und beteuert, er habe seine Amtspflichten nach bestem Wissen und Gewissen erledigt. Ihn treffe keine Schuld. Zuvor hatte Pierer bereits öffentlich erklärt, nach derzeitigem Kenntnisstand bestehe für ihn kein Anlass, einen Bußgeldbescheid hinzunehmen. Er muss nach SZ-Informationen weiterhin mit einem solchen Bescheid rechnen.

Siemens: Schmiergeldaffäre: Thomas Ganswindt wird wegen der Schmiergeldaffäre bei Siemens wohl vor Gericht landen.

Thomas Ganswindt wird wegen der Schmiergeldaffäre bei Siemens wohl vor Gericht landen.

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Noch härter will die Staatsanwaltschaft gegen Ganswindt vorgehen. "Er wird angeklagt", sagen Insider, die mit dem Fall befasst sind. Ganswindt hatte von 2004 bis 2006 dem damaligen Zentralvorstand bei Siemens angehört. Er hat bereits gestanden, von Schmiergeldzahlungen im Ausland in Millionenhöhe gewusst zu haben.

Fall beschäftigt sogar die Verfassungsrichter

Auch bei Ganswindts früherem Vorstandskollegen Uriel Sharef sei eine Anklage wahrscheinlich, sagen diese Insider. Sharefs Anwälte äußerten sich dazu nicht. Sharef soll in einen Korruptionsfall in Argentinien verwickelt sein. Nach Erkenntnissen der Ermittler hat Siemens Ende der neunziger Jahre die dortige Regierung von Carlos Menem geschmiert, um einen Großauftrag für ein elektronisches Pass-System zu erhalten. Menem weist das zurück.

Mit dem Korruptionsfall Siemens beschäftigt sich nun auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die Richter überprüfen ein Urteil gegen einen Ex-Manager aus der Kraftwerkssparte, der wegen Bestechung eines Energiekonzerns in Italien und wegen schwarzer Kassen eine Freiheitsstrafe auf Bewährung erhalten hatte.

Das Verfassungsgericht befasst sich nach eigenen Angaben nun mit einer Beschwerde dieses Managers gegen seine in Darmstadt erfolgte Verurteilung. Das ist bemerkenswert, da die Karlsruher Richter die meisten Beschwerden erst gar nicht annehmen und behandeln. Womöglich wird in Karlsruhe grundsätzlich entschieden, ob und wie schwarze Kassen als Veruntreuung von Firmenvermögen zu ahnden sind.

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