Siemens-Prozessauftakt:"Parteien in Griechenland bezahlt"

Der erste Angeklagte der Siemens-Korruptionsaffäre packt aus: Offenbar wurden auch beide großen Parteien Griechenlands geschmiert.

M. Balser und K. Ott

Der Auftakt im ersten Siemens-Korruptionsprozess fördert neue Vorwürfe gegen den Konzern zutage. Siemens habe beide große Parteien in Griechenland geschmiert, um Geschäfte machen zu können, sagte der angeklagte Ex-Manager Reinhard Siekaczek am Montag aus. Er gestand vor Gericht, schwarze Kassen verwaltet zu haben.

Siemens-Prozessauftakt: Ex-Manager vor Gericht: Reinhard Siekaczek gab zu, die schwarzen Kassen bei Siemens verwaltet zu haben.

Ex-Manager vor Gericht: Reinhard Siekaczek gab zu, die schwarzen Kassen bei Siemens verwaltet zu haben.

(Foto: Foto: AP)

Gleich zum Auftakt des Prozesses gegen Siekaczek wurde das Ausmaß eines der größten Korruptionsfälle in der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte deutlich. Der in München ansässige Siemens-Konzern soll neben Geschäftspartnern aus aller Welt auch beide große Parteien in Griechenland geschmiert haben - die konservative Nea Dimokratia (ND) und die sozialistische Pasok.

Siekaczek sagte aus, der Ex-Leiter von Siemens Hellas, der Athener Landesgesellschaft des Technologiekonzerns, habe Jahr für Jahr Mittel aus den schwarzen Kassen "für die Pflege der politischen Landschaft in Griechenland" verlangt und bekommen. Das Geld sei nach Angaben des damaligen Hellas-Managers "für die beiden großen Parteien" bestimmt gewesen. Von diesem Manager hat sich Siemens Ende 2007 getrennt.

Siekaczek gestand vor Gericht, in der Siemens-Telefonsparte ICN bis zu seinem Ausscheiden im Herbst 2004 jahrelang beträchtliche Mittel in schwarze Kassen geschleust zu haben. Diese Gelder seien für Schmiergeldzahlungen im Ausland genutzt worden.

50 Millionen Euro in schwarze Kassen geleitet

Zugleich belastete der 57-jährige frühere Manager der Siemens-Festnetzsparte ICN seine damaligen Vorgesetzten. "Der komplette Bereichsvorstand war natürlich informiert, dass diese Tätigkeit von mir vorgenommen wurde", sagte Siekaczek. Die Anklage wirft ihm Untreue in 58 Fällen vor. Über ein System aus Briefkastenfirmen und Scheinberaterverträgen soll der Ex-Manager bei Siemens über Jahre hinweg 50 Millionen Euro in schwarze Kassen geleitet haben.

Schmiergeldzahlungen bei Siemens seien ein offenes Geheimnis gewesen, sagte Siekaczek am Montag zum Prozessbeginn vvor dem Landgericht München aus. "Natürlich war mir und allen bekannt, dass wir Provisionen bezahlen, um Aufträge zu erhalten." Diskret sei man nach unten und in die Breite gewesen. Viele Vorgesetzte und Mitarbeiter im Controlling hätten aber von den Zahlungen gewusst.

Der Bereichsvorstand sei auch über die Zahlungen an die beiden Parteien in Griechenland im Bild gewesen. Die Mittel hierfür habe der Chef von Siemens Hellas beim Bereichsvorstand angefordert. Über eine Firma und eine Bank in Monaco sei das Geld nach Athen geschafft worden. Siekaczek hatte der Staatsanwaltschaft bereits früher berichtet, es habe sich um mehrere Millionen Euro pro Jahr gehandelt.

In Griechenland habe Siemens insgesamt etwa 15 Millionen Euro Schmiergeld pro Jahr aufgewendet. Der Konzern habe beispielsweise den Auftrag für ein Sicherheitssystem für die Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen offenbar dadurch erhalten, dass Mitarbeiter mehrerer Ministerien bestochen worden seien, sagte Siekaczek bei Vernehmungen.

85 Millionen Mark für "Provisionszahlungen"

Als Angeklagter vor Gericht berichtete er auch von früheren Schmiergeldzahlungen für einen Milliardenauftrag des griechischen Telefonkonzerns OTE, bei dem die Deutsche Telekom einsteigen will. Siekaczek sagte, Siemens habe umfangreiche Zahlungen für ein heute noch laufendes Großprojekt in Griechenland geleistet. Es sei 1997 vereinbart worden. Das Auftragsvolumen habe damals eine Milliarde Mark betragen, inzwischen seien eine Milliarden Euro daraus geworden. Für "Provisionszahlungen" seien 85 Millionen Mark bereitgestellt worden.

Die Deutsche Telekom will für 3,2 Milliarden Euro 25 Prozent der Anteile an OTE erwerben. Griechische Gewerkschaften hatten dagegen zuletzt heftig protestiert. Die regierende Nea Dimokratia will das Geschäft diese Woche im Parlament in Athen beschließen.

Laut einem internen Papier von Siemens ist der griechischen Telefongesellschaft bei dem Milliardenauftrag womöglich ein hoher Schaden entstanden. OTE könne von Siemens unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich Rabatte oder Preisnachlässe verlangen, heißt es in einem Siemens-Vermerk über eine Besprechung im März 2006 in Athen. Für den Fall, dass Konkurrenten günstigere Angebote unterbreitet hatten, könne OTE den Vertrag kündigen. OTE habe keine der Klauseln genutzt. Siemens habe insofern "hohe Renditen" erzielt.

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