Siemens:Pierer kündigt überraschend seinen Rückzug an

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Der Konzern-Chef will seinen Vorstandsvorsitz zum Januar 2005 aufgeben. Sein Nachfolger steht bereits fest.

Von Markus Balser und Nina Bovensiepen

Siemens-Chef Heinrich von Pierer will den Vorstandsvorsitz zur nächsten Hauptversammlung im Januar 2005 abgeben. Das teilte der Konzern am Mittwoch mit.

Bei vielen Mitarbeitern hatte Konzern-Chef Heinrich von Pierer an Sympathie eingebüßt. Foto: dpa (Foto: N/A)

Nachfolger wird der seit längerem als Kronprinz gehandelte Klaus Kleinfeld. Pierer will nach Ende seiner Amtszeit den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen.

Verjüngung der Unternehmensführung

Kleinfeld soll Pierer auf der am 27. Januar stattfindenden Hauptversammlung ablösen und bereits im kommenden Monat stellvertretender Vorsitzender des Konzernvorstandes werden.

Der 46-Jährige war bislang Strategiechef des Unternehmens. Siemens leite mit der Entscheidung die Verjüngung der Führungsspitze des Unternehmens ein, teilte der Konzern mit.

Kleinfeld war erst im Sommer 2003 in den Zentralvorstand von Siemens, das wichtigste Führungsgremium des Konzerns, berufen worden. Zuvor hatte er das US-Geschäft geleitet.

Pierer wollte Vertrag verlängern

Dem Aufsichtsrat wolle Siemens vorschlagen, den Pierer-Vertrag bis zur Hauptversammlung Anfang 2005 zu verlängern, hieß es in einer Mitteilung. Pierers Vertrag wäre eigentlich mit Ende des Geschäftsjahres zum 30. September dieses Jahres ausgelaufen.

Er hatte aber bereits angedeutet, dass er seinen Kontrakt noch einmal verlängern wollte. Der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Karl-Hermann Baumann, der Mitte kommenden Jahres 70 Jahre alt werde, lege sein Amt nieder.

Zugleich gab der Konzern eine der größten Umstrukturierungen der vergangenen Jahre bekannt. Siemens kündigte an, seine Mobilfunk- und Festnetzsparten zusammenzulegen.

Zusammenlegung von Festnetz und Mobilfunk

Die Fusion der Handysparte ICM und des Festnetzbereichs ICN erfolge zum 1. Oktober, hieß es in einer Mitteilung des Konzerns. Die Leitung übernehme Lothar Pauly, derzeit Bereichsvorstand bei ICM.

Der ICM-Vorsitzende Rudi Lamprecht sei künftig unter anderem für die Betreuung der Region Afrika und Naher und Mittlerer Osten zuständig. ICN-Chef Thomas Ganswindt verantwortet künftig das Arbeitsgebiet Information und Kommunikation, das bisher Pierer-Nachfolger Kleinfeld geführt hatte.

Weitere Einzelheiten der organisatorischen Änderungen sollen nach der Aufsichtsratssitzung am 28. Juli bekannt gegeben werden.

In letzter Zeit hatte Pierer vor allem durch sein ungewohnt hartes Auftreten gegenüber den Gewerkschaften von sich Reden gemacht. Mit der Drohung, tausende von Jobs ins Ausland zu verlagern, hatte der Manager den Arbeitnehmervertretern für zwei Standorte die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich abgerungen. "Arbeitszeitrambo" musste sich Pierer von den Gewerkschaften dafür nennen lassen.

Reputationsgewinne

An den Kapitalmärkten indes hat der Siemens-Chef mit seinem stärker auf Rendite denn auf soziale Belange ausgerichteten Kurs in den vergangenen Jahren an Reputation gewonnen.

Der promovierte Jurist Pierer begann seine berufliche Laufbahn 1969 in der Rechtsabteilung von Deutschlands größtem Elektronikkonzern. 1990 rückte er in den Zentralvorstand ein.

1992 übernahm er das Amt des Vorstandsvorsitzenden. In den ersten Jahren wurde Pierer häufig als Zauderer verspottet. An den Kapitalmärkten wurden die geringen Renditen, die soziale Ausrichtung, das bunte Portfolio — es reicht vom Mobilfunk über Glühbirnen bis zur Kraftwerkstechnik — kritisiert.

Neuer Kurs für den Konzern

Ende der neunziger Jahre leitete Pierer die Wende bei Siemens ein. Mit ehrgeizigen Management- und Renditeprogrammen brachte der Manager den Konzern auf einen neuen Kurs.

Dazu gehörte zum Beispiel eine systematische Portfolio-Politik: Bereiche mit einer schlechten Wettbewerbsposition oder zu hohen Schwankungen wurden abgestoßen.

In der Folge notieren heute die früheren Bereiche des Arbeitsgebiets Bauelemente als Epcos und Infineon an der Börse. Zudem ging Siemens in den USA an die Börse.

Sympathieverluste bei den Mitarbeitern

Produktivität, Innovation und Wachstum sind die Schlagworte, unter denen Pierer gegen einigen Widerstand den Umbau des Unternehmen vorangetrieben hat. An den Kapitalmärkten stand er in Folge dessen zuletzt unangefochten an der Siemens-Spitze.

Bei vielen Mitarbeitern hat der Manager, der drei Kinder, fünf Enkel und das Parteibuch der CSU hat, indes an Sympathie eingebüßt.

© SZ vom 08. Juli 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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