Süddeutsche Zeitung

Siemens: Korruptionsskandal:Kleinfeld will zahlen

Ex-Siemens-Vorstandschef Kleinfeld ist nach SZ-Informationen bereit, zwei Millionen Euro Schadenersatz wegen des Korruptionsskandals zu zahlen. Und was macht der langjährige Konzernchef Pierer?

Klaus Ott

Klaus Kleinfeld hatte Siemens Mitte 2007 vorzeitig verlassen und leitet heute von New York aus den US-Aluminiumkonzern Alcoa. Er ist der erste ehemalige Top-Manager von Siemens, der mit einem Millionenbetrag seinen Teil zur Bewältigung des bislang größten Korruptionsfalles in der bundesdeutschen Wirtschaft beitragen will. Von den zehn einstigen Vorstandsmitgliedern, von denen Siemens Schadenersatz verlangt, haben zuvor erst drei nachgegeben. Sie zahlen jeweils 500.000 Euro. Von Kleinfeld und den anderen betroffenen Ex-Managern verlangt das Unternehmen zwischen zwei und sechs Millionen Euro.

Siemens wirft ihnen vor, nicht genau genug hingeschaut zu haben, was im Konzern vor sich ging. Das habe die weltweiten Schmiergeldzahlungen begünstigt. Den höchsten Betrag soll mit sechs Millionen Euro der langjährige Konzernchef Pierer aufbringen. Mit ihm ist keine Einigung absehbar. Pierer wehrt sich dagegen, dass er deutlich mehr als alle anderen zahlen und somit gewissermaßen als Hauptschuldiger im ehemaligen Vorstand gelten soll. Siemens beharrt aber auf den sechs Millionen Euro und hat bisher ein Ultimatum bis Mitte November gestellt. Jetzt heißt es aus Konzernkreisen, eine Lösung sei auch bis einige Tage vor der nächsten Aufsichtsratssitzung am 2. Dezember möglich. Wer bis dahin nicht nachgebe, werde verklagt.

Angst vor Karriere-Ende

Im Falle Pierers läuft es nun auf ein spektakuläres Gerichtsverfahren hinaus. Das wäre ein Musterprozess, der Aufschluss geben würde, wie weit die Haftung von Spitzenmanagern für Missstände im eigenen Unternehmen reicht. Pierer hatte den Konzern von 1992 bis 2005 geleitet und galt als "Mr. Siemens". Er war einer der führenden Wirtschaftsvertreter in Deutschland und war sogar für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch gewesen. Im Gegensatz zu Pierer sind weitere ehemalige Vorstandsmitglieder von Siemens nach Angaben aus Konzernkreisen nunmehr ebenso wie Kleinfeld bereit zu zahlen.

Auf Anfrage äußerten sich weder Pierers Anwälte noch Sprecher von Kleinfeld und Siemens zu der Sache. Wie die SZ erfuhr, beharrt Kleinfeld bei der geplanten Einigung mit Siemens darauf, dass ihn keine Schuld am Schmiergeldskandal treffe. Die Zahlung sei kein Eingeständnis, dass er etwas falsch gemacht habe. Kleinfeld will offenbar ein langwieriges Gerichtsverfahren vermeiden. Ein Schuldeingeständnis hätte seinen Job bei Alcoa gefährden können. So hat sich sein Anwalt bei den Gesprächen mit Siemens laut einem von Konzernanwälten angefertigten Protokoll geäußert. Der Niederschrift zufolge sagte Kleinfelds Anwalt: "Ein Schuldanerkenntnis meines Mandanten würde das Ende seiner beruflichen Karriere bedeuten". Das bezog sich auf ein seit eineinhalb Jahren bei der Münchner Staatsanwaltschaft anhängiges Bußgeldverfahren.

Die Ermittler untersuchen, ob Kleinfeld, Pierer und andere Ex-Vorstände von Siemens durch mangelhafte interne Kontrollen die weltweiten Schmiergeldzahlungen möglich gemacht und so gegen ihre Amtspflichten verstoßen haben.

Pierer weist Vorwürfe zurück

Pierer soll ein Bußgeld zahlen, er weist aber alle Vorwürfe zurück. Das Verfahren gegen Kleinfeld wird eingestellt. Dass die Staatsanwaltschaft nicht gegen Kleinfeld vorgeht und die Art und Weise der jetzt mit Siemens geplanten Einigung ermöglichen es dem 52-jährigen Manager, Chef von Alcoa zu bleiben, einem der weltweit führenden Aluminiumproduzenten. Der gebürtige Bremer ist einer von wenigen Deutschen, die den Sprung an die Spitze eines bedeutenden US-Unternehmens geschafft haben.

Kleinfeld hatte bereits die US-Geschäfte von Siemens geleitet, bevor er Anfang 2005 Pierer als Vorstandschef gefolgt war. Nach der Aufdeckung des Korruptionsskandals hatte der Aufsichtsrat dann aber gezögert, den Vertrag zu verlängern, woraufhin sich Kleinfeld von Siemens verabschiedete. In dem Industriekonzern war über Jahrzehnte ein weltweites System von schwarzen Kassen und Schmiergeldzahlungen entstanden und betrieben worden. Auf diese Weise hatte sich das Unternehmen in nahezu allen Erdteilen lukrative Aufträge für den Bau von Kraftwerken und für andere Projekte besorgt.

Der Schaden des Korruptionsskandals beläuft sich nach Angaben von Siemens auf mehr als zwei Milliarden Euro. Davon entfallen allein 1,2 Milliarden Euro auf Bußgeldzahlungen in Deutschland und den USA. Pierer, Kleinfeld und die anderen acht früheren Vorstandsmitglieder, von denen Siemens Schadenersatz fordert, sollen insgesamt knapp 30Millionen Euro aufbringen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.148189
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.11.2009/mel
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.