Siemens hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis zum Jahr 2030 will der international tätige Konzern klimaneutral wirtschaften. Vorzeigeprojekt ist unter anderem der Siemens-Campus Erlangen, der in zwei Jahren fertig und vom ersten Tag an CO₂-neutral sein soll. Gut eine halbe Milliarde Euro investiert Siemens in das Forschungsgelände. In Sachen Klimaschutz verspricht der Technologiekonzern damit weit mehr als die meisten anderen Unternehmen im Investitionsgütersektor. Diese Vorreiterrolle bestätigt nun auch eine Studie des Carbon Disclosure Project. Das CDP ist eine unabhängige Organisation, die eine der größten Datenbanken zu Klimarisiken von Unternehmen unterhält. Siemens zählt demnach neben Firmen wie Schneider Electric (Frankreich), Mitsubishi Electric (Japan) und Honeywell (USA) zu den großen Innovationstreibern für Technologien, die auf dem Weg in ein kohlenstoffarmes Industriezeitalter gebraucht werden. Darin liegt der Studie zufolge auch eine große Chance: "Die Nachfrage nach diesen transformativen Technologien nimmt deutlich zu ", heißt es dort.
Die Politik tue zu wenig, um die Klimaziele zu erreichen, klagen Industrievertreter
Allein der Investitionsbedarf für Energiespeichersysteme wird den Angaben zufolge bis 2030 von derzeit zehn auf 125 Gigawatt steigen, geschätztes Investitionsvolumen: mehr als 100 Milliarden Dollar. Energiespeicher sind wichtig, um etwa Strom aus Sonnen- oder Windkraft effizienter zu nutzen, genauso wie Energie, die im Produktionsprozess entsteht. Das senkt die CO₂-Bilanz - und ist gut fürs Geschäft, weil es die Kosten drückt.
Der rasante Preisverfall bei erneuerbaren Energien lässt die Nachfrage nach solchen Systemen wachsen. Für Unternehmen wie Siemens, die die Technologie anbieten, ist dies ein lukratives Geschäftsfeld. "Eine kohlenstoffarme industrielle Revolution wird durch Innovationen im Investitionsgütersektor vorangetrieben", glauben die Autoren der Studie.
Von einer Revolution kann derzeit jedoch nicht die Rede sein. Deutschland ist weit entfernt davon, sein Klimaziel zu erreichen - bis 2050 sollen die jährlichen Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 80 bis 95 Prozent sinken. Ursprünglich sollten sie bereits bis 2020 um 40 Prozent zurückgehen, doch es zeichnet sich ab, dass dieses Ziel um fünf bis acht Prozentpunkte verfehlt wird.
Kritik daran kommt auch aus der Industrie. Es fehle an geeigneten Vorgaben, um die Klimaziele zu erreichen. "Es müssen unbedingt entsprechende politische Maßnahmen eingeleitet werden, um Veränderungen zu bewirken", so eine Siemens-Sprecherin. Der Konzern hat seine Forderungen klar formuliert. Eine davon ist, dass Treibhausgas-Emissionen rigoros mit einem Preis belegt werden. Bisher werden im Emissionshandel nur gut 40 Prozent aller Treibhausgasmengen in der EU erfasst und bepreist. Auf der Wunschliste steht zudem der Ausbau der erneuerbaren Energien und ein Umstieg in der konventionellen Stromerzeugung auf kohlenstoffarme Kraftstoffe, was de facto einen Ausstieg aus der Kohle bedeutet. Weiter fordert das Unternehmen "Maßnahmen für eine maximal effiziente Energienutzung".
Wer seine Emissionen senken will, muss sie erst einmal erfassen
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) wünscht sich entschiedeneres Handeln: "Die Politik muss ihre Anstrengungen verstärken, damit die Industrie ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten kann", meint Carsten Rolle, beim BDI zuständig für Energie- und Klimapolitik. Zugleich müsse sie sicherstellen, dass die Unternehmen international wettbewerbsfähig bleiben. Dahinter verbirgt sich die Sorge, dass deutsche Unternehmen das Nachsehen haben könnten, wenn sie strengere Vorgaben als Konkurrenten aus anderen Ländern erfüllen müssten. Insgesamt ist die Industrie für 21 Prozent der Treibhausgase in Deutschland verantwortlich. Einen konkreten Plan, wie diese Emissionen gesenkt werden können, will die Bundesregierung bis Ende des Jahres vorlegen.
Auch für die Firmen gibt es noch viel zu tun, wie die Studie von CDP zeigt. Wer seine Emissionen senken will, muss erst einmal erfassen, wo und wie viele davon entstehen, nicht nur beim Herstellen eines Produkts, sondern auch beim Kunden, der es nutzt und später vielleicht entsorgen muss. Hier sieht die Studie, in der 22 der weltweit größten Industriegüterkonzerne durchleuchtet wurden, bei den meisten Firmen deutliche Defizite. Nach Ansicht der Autoren erwarten Investoren in Zukunft, dass solche Daten ermittelt, offengelegt und Geschäftsmodelle angepasst werden. Klimaschutz wird so zum wichtigen Wettbewerbsfaktor.