Siemens:Kaeser in der Klemme

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Bürokratie hat Gesichter: Siemens-Chef Joe Kaeser. (Foto: Bloomberg)

Siemens-Chef Joe Kaeser will seine Firma radikal umbauen, betroffen sind fast 12 000 Mitarbeiter. Der Schritt wird Unruhe verursachen. Das könnten Wettbewerber wie General Electric nutzen.

Ein Kommentar von Caspar Busse

Bürokratie hat Gesichter, sagte Siemens-Chef Joe Kaeser erst vor ein paar Tagen. Und diese Gesichter werden nun ziemlich enttäuscht sein. Denn vom grundlegenden Umbau der Münchner Traditionsfirma sind fast 12 000 Mitarbeiter betroffen, wie der Vorstandsvorsitzende jetzt vor Investoren mitteilte.

Das ist eine ziemlich große Zahl, auch wenn das nicht automatisch die Kündigung für 12 000 Siemensianer nach sich zieht, weil viele von ihnen möglicherweise in einem anderen Job unterkommen können. Trotzdem: Es zeigt, wie tiefgreifend das ist, was Kaeser mit dem Konzern vorhat.

Sein Vorgänger Peter Löscher hatte erst vor einigen Jahren vier große Sektoren und neumodisch bezeichnete Cluster geschaffen, in denen die rund 80 Umsatz-Milliarden aufgeteilt wurden. Industrie, Energietechnik, Medizintechnik, Infra-struktur/Städte wurden die Großbereiche getauft. Das klang gut, war aber alles andere als erfolgreich. Nun stampft Kaeser diese Organisation, an deren Entstehung er als damaliger Finanzvorstand übrigens beteiligt war, wieder ein. Immerhin 7600 Menschen arbeiten bisher in der Koordination der Sektoren - diese Ebene wird nun völlig eliminiert. Weitere 4000 haben Regionalanalysen erstellt.

Siemens
:Konzernumbau betrifft 11 600 Mitarbeiter

Die Siemens-Belegschaft muss sich auf neue Einschnitte gefasst machen. 11 600 Stellen sind laut Konzernchef Kaeser vom Umbau betroffen. Er wehrt sich jedoch gegen Berichte, wonach alle Arbeitsplätze einfach wegfallen würden.

Sind rund 12 000 Jobs künftig einfach so verzichtbar? Haben sich diese Menschen bei Siemens quasi mit sich selbst beschäftigt, sodass deren Aufgaben einfach ersatzlos gestrichen werden können? Das ist nur schwer vorstellbar, denn sonst wäre Siemens ja eine einzige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für das mittlere Management. In jedem Fall wird ein solch radikaler Umbau für viel interne Unruhe sorgen. Hemmende Bürokratie abzuschaffen, das halten alle für sinnvoll. Wenn es aber um konkrete Einzelmaßnahmen geht, so richtig sie auch sein mögen, sind der Widerstand und das Beharrungsvermögen erfahrungsgemäß ziemlich groß.

Siemens wird - wie schon so oft in der Vergangenheit - mal wieder für eine gewisse Zeit intensiv mit sich selbst beschäftigt sein, statt sich besser um die Kunden und die neuen Geschäfte zu kümmern. Jeder Betroffene kämpft intern um seinen Job und nicht um einen neuen Auftrag. Wettbewerber wie General Electric (GE) oder ABB können das nutzen, um den Vorsprung zu Siemens noch auszubauen.

Das ist nicht die einzige Klemme, in der sich Kaeser momentan befindet. Konzernumbau, Übernahmekampf um Alstom, Ausstieg aus dem Gemeinschaftsunternehmen Bosch und Siemens Hausgeräte, Ausgliederung der Medizintechnik, Aufbau eines Energiegeschäfts in den USA - er hat sich viel vorgenommen. Die Gefahr besteht, dass er sich übernimmt.

Insbesondere in Frankreich verfolgt Siemens eine riskante Strategie. Geschickt spielen die französische Regierung und Präsident François Hollande die beiden Interessenten an dem Traditionsunternehmen Alstom gegeneinander aus. GE-Chef Jeffrey Immelt hat gerade tausend neue Arbeitsplätze in Frankreich binnen drei Jahren versprochen.

Hollande lobte umgehend, dass das GE-Angebot nun "verbessert und gestärkt" sei. Da können und dürfen die Deutschen nicht mithalten. Es war schon gewagt, für den Fall einer Alstom-Übernahme eine dreijährige Arbeitsplatzgarantie anzubieten. Aber auch noch neue Jobs zu versprechen, während bei Siemens etwa 12 000 Jobs im Feuer stehen, das wird auch Kaeser nicht umsetzen können.

Realistisch betrachtet, ist Alstom ein großer Sanierungsfall. Wer auch immer am Ende den Zuschlag bekommen wird, derjenige muss zunächst einmal aufräumen und sicher auch überflüssige Stellen streichen. Und derjenige muss sich auch noch mit dem massiven Einfluss der französischen Politik auseinandersetzen.

Paris will schamlos mitregieren, obwohl die Regierung nur mit einem knappen Prozent an Alstom beteiligt ist. Sogar die Gesetze wurden eigens geändert, damit die Regierung ein Blockaderecht gegen unliebsame Investoren erhält. Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg macht unverblümte Industriepolitik, auch wenn das gegen EU-Recht verstoßen könnte.

Unter solchen Umständen sollte Siemens unbedingt die Finger von Alstom lassen. Die Siemens-Strategie, sich nur die guten Teile, sozusagen die Alstom-Rosinen, einzuverleiben, geht nach jetzigem Stand nicht auf.

Immerhin: Einen kleinen Erfolg kann Kaeser schon für sich verbuchen. Er hat schnell reagiert und verhindert, dass GE sich Alstom handstreichartig einverleibt. Seit Siemens im Spiel ist, hat sich der Einsatz für GE-Chef Immelt deutlich erhöht - und das ist gut für Siemens.

© SZ vom 31.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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