Siemens:Wie es nach den großen Abspaltungen weitergeht

Siemens: So sehen die Münchner ihre Zukunft: Eine mit Siemens-Technologie digital gesteuerte chemische Fabrik von Siemens in Brasilien.

So sehen die Münchner ihre Zukunft: Eine mit Siemens-Technologie digital gesteuerte chemische Fabrik von Siemens in Brasilien.

(Foto: Siemens)

Siemens stand mal für Röntgengeräte oder Gasturbinen. Nun sind große Sparten weg, der Gewinn steigt kräftig, und Konzernchef Roland Busch erklärt, worum es jetzt geht. Um Digitales, Züge - sogar um Lebensmittel.

Von Thomas Fromm

Es ist Mittwochmorgen und ein paar Minuten nach acht, als Roland Busch diese wirklich nicht so leicht verdauliche Wortkonstruktion wieder rausholt. Der Mann, der hier seit Februar der Chef ist, sagt, dass Siemens jetzt ein "fokussiertes Technologieunternehmen" sei, und er zieht die Wörter genüsslich hin. Er wird das noch häufiger sagen bei dieser morgendlichen Pressekonferenz, immer wieder: "Foookussiertes Technologieunternehmen". Wenn ein Chef vorne auf der Bühne sitzt und das ständig wiederholt, dann hat das natürlich etwas zu bedeuten. Diese Zwei-Wort-Kombination, die ja schon seit Monaten fester Bestandteil der Konzern-Rhetorik ist, soll sich in diesen anderthalb Stunden noch einmal gut einprägen. Also, Leute, was ist Siemens? Ein fokussiertes Technologieunternehmen. Klar, was sonst!

Aber was soll das eigentlich genau sein? Und was ist Siemens jetzt eigentlich nicht mehr?

Der Gewinn um 59 Prozent höher - für den Chef kommt das zur richtigen Zeit

Antworten bei der Siemens-Jahrespressekonferenz. Es ist November 2021, also viel Abstand zwischen den Menschen, die entweder geimpft oder genesen sind, die auf kleinen Tellern liegenden Mini-Croissants sind mit Plastikfolie abgedeckt. Früher wäre an dieser Stelle jetzt von Kraftwerken zu sprechen gewesen, von Gasturbinen, von Computertomographen und Röntgengeräten. Und ganz früher vielleicht sogar von Glühbirnen, und noch früher von Halbleitern und Chips. Was halt so alles irgendwann mal zu Siemens gehörte und heute Osram heißt oder Infineon oder ganz anders.

Das große Medizintechnik-Geschäft heißt schon seit einigen Jahren Healthineers und ist seit drei Jahren an der Börse, das Energiegeschäft, einst immerhin 40 Prozent des gesamten Siemens-Geschäfts, ist seit einem Jahr unter dem Namen "Siemens Energy" an der Börse notiert. Was zurückgeblieben ist? Nun ja, ein "fokussiertes Technologieunternehmen". Ein Rest-Siemens mit Industrieautomatisierung, Digitalgeschäften, Infrastruktur- und Gebäudeprojekten und Zügen, das alle Prognosen übertroffen und seinen Gewinn im abgelaufenen Geschäftsjahr um 59 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro gesteigert hat. Im Corona-Jahr, ausgerechnet, aber das zeigt: Siemens ist dabei, wenn die Wirtschaftskonjunktur anzieht.

Am Tag vor Siemens hat die frühere Energiesparte Siemens Energy, inzwischen ein Dax-Konzern wie die Münchner Mutter, übrigens ihre Zahlen veröffentlicht. Der Energiekoloss machte einen Verlust von 560 Millionen Euro; im Jahr davor war das Loch allerdings noch drei mal so groß. Da Siemens nur noch 35 Prozent an Siemens Energy hält, sind die Verluste von Siemens Energy zu einem großen Teil jetzt nicht mehr die Verluste von Siemens, sondern landen nur noch anteilig in der Bilanz. Das muss man wissen, um zu verstehen, was es mit so einer Fokussierung auf sich hat.

Pool - Siemens - Jahreszahlen

Ohne Maske, dafür mit Abstand und 2-G-Regel: Siemens-Chef Roland Busch bei der Jahrespressekonferenz.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Statt über Kraftwerke spricht ein Siemens-Chef heute über das Wachstum mit digitalen Geschäften, darüber, wie Digitales und klassische Industrie immer mehr zusammenwachsen, und er spricht - kein Scherz - neuerdings auch über Salat, Tomaten und Sprossen. Pestizidfrei, "frisch geerntet, länger haltbar". "Kurz", sagt Busch, "es geht hier um gesunde und nachhaltig produzierte Lebensmittel für die Zukunft".

Superfood und ein Suezkanal auf Schienen

Der große Konzern, der schon vor Jahren angetreten war, die Mega-Trends der Mega-Metropolen aufzuspüren und Probleme zu lösen, ist also jetzt beim vertical farming gelandet, bei der Lebensmittelproduktion in und auf Gebäuden. "Fast möchte ich sagen: Superfood", sagt Busch. Der Partner für den landwirtschaftlichen Siemens-Betrieb kommt aus den USA und heißt 80 Acres Farms. Kennt man nicht? Noch nicht.

Vom Salat geht es zu künstlicher Intelligenz, zu digitalen Zwillingen und Simulationen, Ladesäulen für Elektroautos, und von da geht es dann weiter mit der Bahn nach Ägypten, wo das fokussierte Unternehmen einen ersten Vertrag für eine 660 Kilometer lange Strecke zwischen Mittelmeer und Rotem Meer unterzeichnet hat. Infrastruktur, Züge, Dienstleistungen, alles für gut drei Milliarden Euro. Weitere Verträge sollen folgen, es geht um ein insgesamt 1800 Kilometer langes Netz. "Wir bauen hier einen Suezkanal auf Schienen", sagt der Siemens-Chef.

Und es wird weiter gehen, andere Unternehmensteile, die für Siemens nicht mehr wichtig sind, sollen auf einen Verkauf vorbereitet werden. Dazu gehört auch das Geschäft mit großen Antrieben, Elektromotoren, Umrichtern und Generatoren für Mittel- und Hochspannung. Und die Logistik-Sparte soll zunächst aufgespalten werden in Logistiklösungen für Briefe und Pakete und in Gepäckbänder für Flughäfen, die Straßenverkehrstechnik-Tochter Yunex ist bereits ausgegliedert worden. Es gibt immer etwas, das man nicht mehr gebrauchen kann.

General Electric macht jetzt auf Siemens

Ausgerechnet kurz vor dem Auftritt von Siemens-Chef Busch hat sich der große alte Konkurrent General Electric (GE) aus den USA zu Wort gemeldet. GE will sich in den nächsten drei Jahren in drei börsennotierte Unternehmen aufspalten: für Medizintechnik, für Energie und für Luftfahrt, was wohl nichts anderes heißt als: Auch der 130 Jahre alte, kriselnde Mischkonzern will jetzt offenbar fokussiert sein. Setzt das jetzt Siemens unter Druck? Nein, sagt Busch. "Wir haben die Schritte gemacht - aus einer Position der Stärke -, die GE jetzt nachzieht." Da müsse es dann doch Handlungsdruck gegeben haben, sagt Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas. Jahrzehntelang wurden die beiden Mischkonzerne aus den USA und Deutschland verglichen. "Wir sind kein Konglomerat", sagt Busch, damit das schon mal gleich klar ist. Sondern? Genau.

Zur SZ-Startseite

Newsletter
:SZ Geld Newsletter

Jeden Donnerstagvormittag: wertvolle Ratschläge für Ihre Geldanlage und Finanzen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: