Nahaufnahme:Spontan-Kaffee auf Augenhöhe

Nahaufnahme: Bernd Montag: "Mit Videokonferenzen ist es jetzt leichter, einen Draht zu mehr Menschen zu bekommen. Das verringert die Distanz und stellt Augenhöhe her."

Bernd Montag: "Mit Videokonferenzen ist es jetzt leichter, einen Draht zu mehr Menschen zu bekommen. Das verringert die Distanz und stellt Augenhöhe her."

(Foto: Daniel Karman/dpa)

Siemens-Healthineers-Chef Bernd Montag hat neue Wege gefunden, mit seinen Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen - selbst mit Teams aus Lateinamerika. Wie das Medizintechnikunternehmen mit CTs und Antigentests durch die Pandemie kommt.

Von Thomas Fromm

Bernd Montag macht jetzt öfter auch mal virtuelle Kaffeepausen. Dann sitzt er vor seiner Tasse und spricht spontan mit Menschen, mit denen er sonst vielleicht nicht so leicht zusammenkommen würde. Zum Beispiel mit irgendeinem Team in Lateinamerika. Eigentlich, sagt der Chef des Medizintechnik-Konzerns Siemens Healthineers, habe er in den vergangenen Monaten sogar das eine oder andere entdeckt, das gar nicht so schlecht sei. Zum Beispiel die Sache mit der sozialen Distanz zwischen dem Chef und all den anderen. "Mit Videokonferenzen ist es jetzt leichter, einen Draht zu mehr Menschen zu bekommen. Das verringert die Distanz und stellt Augenhöhe her."

Der Physiker Montag, 51 Jahre alt, 2,05 Meter groß und in einem früheren Leben mal Bundesliga-Basketballspieler, wird an diesem Freitag mit seinen Aktionären sprechen. Es ist der Tag der Hauptversammlung, und vermutlich wäre ihm etwas weniger Distanz hier auch ganz recht, aber große Menschenansammlungen sind in Pandemiezeiten gerade nicht angesagt. Also wird es eine dieser virtuellen Hauptversammlungen sein. Gerne würde er vorher noch mal schnell zum Friseur gehen, aber selbst das geht ja gerade nicht. Also mit Matte vor die Kamera und erzählen, wie das Jahr so war. Ein Medizintechnik-Unternehmen in Corona-Zeiten, ausgerechnet.

Lange war überhaupt nicht so klar, was das alles für sein Unternehmen bedeuten würde. Im vergangenen Frühjahr, als wegen Corona Operationen verschoben wurden, und die Menschen, wenn es irgendwie ging, einen Bogen um Krankenhäuser machten, wurden die Geräte von Siemens Healthineers und anderen Herstellern immer weniger genutzt. Vorsorgeuntersuchungen, Routineoperationen? Das alles hatte nun Zeit, die Ansteckungsgefahr war zu hoch.

Das Verhalten der Patienten hat sich in der Zwischenzeit wieder geändert. "Wir haben festgestellt, dass unsere Geräte für bildgebende Verfahren, wie CTs oder Röntgenapparate, in den Krankenhäusern jetzt wieder eine Auslastung von 90 bis 100 Prozent haben", sagt Montag. Irgendwann sprang das Geschäft wieder an, und wenn die frühere Siemens-Sparte ihren Quartalsumsatz zuletzt um 13,3 Prozent auf 3,87 Milliarden Euro steigern konnte, dann lag das unter anderem auch daran, dass technische Geräte gefragt waren, die Covid-Schäden im menschlichen Körper aufspüren können. "Das Geschäft mit Computertomografen wächst in der Bildgebung gerade am stärksten", sagt Montag, "und das hat natürlich auch damit zu tun, dass das Thema Lungendiagnostik wegen der Pandemie gerade sehr wichtig ist."

Im Leben des Bernd Montag gibt es gerade die großen CTs und die großen Deals, wie die Übernahme des US-Unternehmens Varian Medical Systems für 16,4 Milliarden Dollar. Und es gibt die kleineren und auch nicht ganz unwichtigen Dinge.

Nachdem man sehr schnell seine Antigen-Schnelltests auf Covid-19 auf den Markt gebracht hatte, spülten die Tests allein zwischen Oktober und Dezember 130 Millionen Euro in die Kassen. Im Gesamtjahr peilt Montag nun einen Umsatz von 300 bis 350 Millionen Euro an. "Das ist im Vergleich zu den Umsätzen mit Computertomografen natürlich nicht so viel, aber dafür ist es für uns ein Geschäft, das nicht den üblichen Vorlauf an Investitionen verlangt."

Was Montag gerade aber auch umtreibt: Der Umgang der Gesellschaft mit dem Virus, die vielen Diskussionen, jeder gegen jeden, Gegen- statt Miteinander. "Was ich schade finde, ist, dass dieses Gefühl der Solidarität, das im vergangenen Frühjahr noch sehr stark war, nicht mehr so da ist", sagt er. Stattdessen werde "zu viel gestritten und das Thema in abendlichen Talkshows zerredet". Das sei "enttäuschend".

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